Henriette Herz

* 05.09.1764 in Berlin
† 22.10.1847 in Berlin

Am 05.09.1764 wurde in Berlin Henriette de Lenos als Tochter des Benjamin de Lenos (1711-1789) und Ester (1742-1817), geborene Charleville, geboren. Der Vater wurde als Nachfahre portugiesischer Einwanderer in Hamburg geboren, studierte in Halle an der Saale Medizin und wurde der erste jüdische Arzt Berlins. Ester de Lenos war die Tochter des Arztes der jüdischen Gemeinde in Halle/Saale und zweite Frau de Lenons. Zusammen hatten beide 5 Kinder, die Henriette Herz alle überlebte.

Ein lebhaftes Temperament und eine große Schönheit wurde der kleinen Henriette bereits als Kind nachgesagt. Ihre Eltern legten großen Wert auf ihre Erziehung, so wurde sie in Lesen, Schreiben, Rechnen, Geographie, Französisch und Hebräisch unterrichtet. Ihr Sprachtalent zeigte sich dadurch, dass Henriette begann, die hebräische Bibel mit Kommentaren ins Deutsche zu übersetzen. Sie las aber auch zahlreiche Romane, die ihre Phantasie stark anregten.

Am 01.12.1779 heiratet Henriette de Lenos den fünfzehn Jahre älteren Marcus Herz, der bereits 3 Jahre vorher um ihre Hand anhielt, war ein viel beschäftigter praktischer Arzt, geachteter Schriftsteller und einer der geistreichsten Männer Berlins. 1785 wurde er Hofrat und Leibarzt des späteren Königs Friedrich Wilhelm II. und im Jahre 1787 erfolgte seine Berufung als Professor der Philosophie. Herz war damit der erste jüdische Professor Preußens, der in Berlin - noch vor der Gründung der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität - lehrte. Obwohl Henriette kaum etwas von ihrem Mann wusste, wurde es eine glückliche Ehe, die jedoch kinderlos blieb.

Kaum eine Persönlichkeit der damaligen Zeit ließ es sich nehmen, bei Besuchen in der preußischen Hauptstadt, auch einen Besuch im Hause von Henriette Herz zu machen. Ihre Anziehungskraft gründete nicht allein auf ihrer Schönheit, sondern durch die überdurchschnittliche Ausbildung ihres Elternhauses wurde in ihr das Verlangen nach geistigem Wissen bestärkt. Und auch von ihrem Mann Marcus wurde sie diesbezüglich bestärkt. Sie erweiterte ihre Sprachkenntnisse nach ihren eigenen Neigungen und zählte zu den gebildetsten Frauen ihrer Zeit. Die junge Frau beherrschte Latein, Griechisch, Hebräisch, Schwedisch, Spanisch, Französisch, Englisch und Italienisch. So konnte sie sich nicht nur mit fremdsprachiger Literatur befassen, vielmehr bot es ihr auch die Möglichkeit mit ausländischen Gästen das Gespräch in deren Muttersprache zu führen. In den letzten Lebensjahren lernte sie auch noch exotische Sprachen wie Sanskrit, Türkisch und Malaiisch, das ihr zum Teil durch Gesandte vermittelt wurde.

Im ihren Hause hielt ihr Mann, der sich voll der Aufklärung und insbesondere seinem Lehrer, den KönigsbergerPhilosophen Immanuel Kant verschrieben hatte, Vorlesungen über dessen Philosophie und hielt auch Gesprächskreise zu wissenschaftlichen und philosophischen Themen.

Henriettes Schwerpunkt war dagegen eher das Literarische, und sie sammelte schnell einen Kreis junger literaturinteressierter Männer und Frauen um sich. Dabei machten Rang oder Titel keinen Unterschied. Sie avancierte so zu einem Mittelpunkt der liberalen Aufklärung im feudal-absolutistischen Gesellschaftssystem. Der Salon der Henriette Herz hatte eine neue, der höfischen und bürgerlichen Geselligkeit entgegenstehenden Form gesellschaftlichen Lebens geschaffen, so das hieraus viele Impulse zur geistigen Erneuerung Preußens wurde. Auch dienten diese Salons als Grundlage der emanzipatorischen jüdischen Bewegung des 19. Jahrhunderts.

Im Jahre 1787 gehörte Henriette Herz zu den Mitbegründerinnen des »Tugendbundes«, in dem in einer Art Geheimsprache, die Tugend erhalten werden sollte. Zu diesem »Tugendbund« gehörten die Brüder Alexander und Wilhelm von Humboldt, Carl von La Roche, den Sohn der Schriftstellerin Sophie La Roche. Auch der Bildhauer Gottfried Schadow, Dorothea Veit, die Tochter Moses Mendelssohns (1729-1788), sowie Sara, der späteren Baronin Grotthus, und Marianne Meyer, der nachmaligen Fürstin Eybenberg, aus Goethes späteren Freundeskreis.

Zunächst als flüchtiger Gast stieß Friedrich Daniel Schleiermacher zum Kreis der Henriette Herz. Nach dessen Anstellung an der Charité als Prediger anno 1796 verlor der »Tugendbund« seine Bedeutung. 1797 machte sie Schleiermachers mit Schlegel bekannt und damit wurde der Salon Herz zu einem Zentrum der Frühromantik.

Der Freundeskreis vergrößerte sich Ende des 18. Jahrhunderts erheblich. Zu Beginn des Jahres 1803 verstarb ihr Mann Marcus und es drohte jetzt eine erhebliche Veränderung ihres bisherigen Lebensstils. Ihr Leben gründete sich weiterhin auf Geselligkeit - wahrscheinlich durch ihre Kinderlosigkeit befördert - doch war nicht abzusehen, ob ihre finanziellen Verhältnisse diesen Lebensstil erhalten konnten. Ihre Freunde und Freundinnen hielten jedoch zu ihr, auch wenn ihre Salonabende seltener wurden. Doch trotz alledem erweiterte sich ihr Freundeskreis. Neu hinzugekommen waren zum Beispiel die Herzogin Dorothea von Kurland, die nach Berlin übergesiedelt war, Madame de Staël, August Wilhelm Schlegel und Prinz Louis-Ferdinand. Zu ihrem Freundeskreis und Besuchern gehörten auch Jean Paul, bei seinen Reisen in die preußische Hauptstadt, oder der Schriftsteller Friedrich Schiller, während seines Berlinaufenthalts, kurz vor seinem Tode 1804.

Im Jahre 1806 sollte sie die Erzieherin von Prinzessin Charlotte, der ältesten Tochter von Königin Luise übernehmen. Doch einen damit verbundenen Übertritt zum christlichen Glauben lehnte sie, mit Rücksicht auf ihre Mutter ab. Da ihre Mutter als orthodoxe Jüdin, kein Verständnis aufbringen würde, das ihre Tochter für eine solch einflussreiche Stellung ihren Glauben verleugnen würde.

Als die königliche Familie im Spätsommer des Jahres 1806 von Berlin zur Armee abreiste, war auch Henriette Herz am Schloss Charlottenburg anwesend. Nie hätte Henriette Herz daran geglaubt, das die Königin sie vom Ansehen her erkenne. So war sie überrascht, als ihr Königin Luise im Vorübergehen »Adieu, Madame Herz!« zurief. Zeigte aber nicht diese kleine Anekdote davon, wie bekannt sie in Berlin ist.

Nachdem durch die französische Besetzung Berlins fast das gesellschaftliche Leben zum Erliegen kam und auch Zahlungen der Witwenkasse ausblieben, überlegte sich Herz bereits, ob sie nicht nach Russland oder Frankreich als Erzieherin gehen sollte. Doch entsprechend eines Ratschlags ihres alten Freundes Wilhelm von Humboldt ging sie nicht ins Ausland, lehnte jedoch gleichzeitig seine Unterstützung ab. Vielmehr zog es sie nun nach Rügen, wo sie einige Freunde hatte um dort als Hauslehrerin im Hause von Kathens auf Götenitz arbeitete.

Nachdem die Witwenpensionen wieder gezahlt wurden, ging es Henriette Herz auch wirtschaftlich wieder besser. Während der Befreiungskriege scheute sie sich nicht, den Verwundeten und Sterbenden zu helfen. Sie half auch im Krankenhaus aus. Nachdem im Jahre 1817 ihre Mutter starb, veränderte sich ihr Leben erneut. Sie trat zum protestantischen Glauben über, ohne dadurch ihren jüdischen Freundeskreis zu beschämen. Aus diesem Grunde lehnte sie den von Schleiermacher geforderten öffentlichen Übertritt kategorisch ab. Stattdessen zog sie sich nach Zossen zurück und ließ sich dort nach einem sechswöchigen Aufenthalt vom Superintendenten Wolf taufen.

Von Zossen aus begab sich Henriette Herz nach Rom, doch besuchte sie auf dieser Reise viele ihrer Freundinnen und Freunde und ließ sich auch sonst keine Schönheit aus Kunst und Natur entgehen. So widmete sich die ehemalige Salonaire sich in Venedig acht Tage unermüdlich der Besichtigung der Lagunenstadt. In Florenz hielt sie sich vier Wochen auf, machte Ausflüge nach Pisa und Livorno. Am 11.10.1817 kam sie endlich in Rom an, wo sie bis zum 02.05.1819 sich aufhielt. Dieser Aufenthalt wurde nur durch eine Reise in Begleitung des Bildhauers Thorwaldsen vom 04.09. bis 05.12.1818 nach Neapel und dessen Umgebung unterbrochen. Während ihres römischen Aufenthaltes traf sie u.a. mit ihrer alten Freundin Caroline von Humboldt zusammen. Gemeinsam unternahmen die Freundinnen viele lehr- und genussreiche Besichtigungen. Im Juni 1818 erreichte auch Dorothea Schlegel,, die nach ihrer Scheidung von Veit Friedrich Schlegel heiratete, die Ewige Stadt. Auch in Rom umgab sie schnell ein Kreis junger Künstler, von denen viele in Rom lebten, aber auch viele kirchliche Würdenträger erweiterten diesen Kreis. So dürfte der bayerische Kronprinz Ludwig der bedeutendste Teilnehmer dieses Kreises gewesen sein.

Anfang Mai 1819 trat Henriette Herz, zusammen mit Caroline von Humboldt und Immanuel Bekker, die Rückreise an. Sie machten auch diesmal wieder Halt in vielen italienischen und Schweizer Städten. Auch in Deutschland besuchte die Herz viele Freunde. Sie sah in Stuttgart Uhland, bei einem Besuch bei Cotta traf sie ein letztes Mal mit Jean Paul zusammen. Nach weiteren Stationen in Hessen und am Niederrhein traf sie schließlich in Bonn bei Ernst Moritz Arndt ein, wo sie in der Nacht vom 15.07.1819 miterlebte, wie der preußische Staat gegen Demagogen vorging. Mitten in der Nacht wurden die Schriften des Professors beschlagnahmt. Mit solchen Aktionen gegen Literaten, Burschenschaftler und andere Gruppierungen, nahm der preußische Staat die liberalen Reformen des Freiherrn von Stein. langsam immer mehr zurück.

Nach mehr als 2 Jahren Abwesenheit von Berlin kam Henriette Herz im Herbst im Jahre 1819 wieder nach Berlin, wo sich schnell die Geselligkeit in ihrem Hause wieder einstellte. Dies wurde zum Teil sicherlich durch ihre Reiseerlebnisse bestärkt.

Nun betätigte sich Herz auch auf sozialen Gebiet, indem sie für unbemittelte Mädchen kostenlosen Sprachunterricht gab oder durch das Anfertigen von Handarbeiten, deren Erlös sie wohltätigen Stiftungen zukommen ließ.

Im zunehmenden Alter wurde sie immer wieder schwer krank, das sie dadurch immer wieder hohe Ausgaben hatte. Ohne ihr Wissen vermittelte ihr Alexander von Humboldt eine einmalige Subvention durch den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. in Höhe von 50 Friedrichsdor und eine jährliche Pension in Höhe von 500 Talern aus der Privatschatulle des Monarchen. Es erfolgte auch am 06.07.1847 ein Besuch des Monarchen im Hause von Henriette Herz.

Am 22.10.1847 verstarb sie, nur wenige Wochen nach ihrem 83. Geburtstag, in Berlin. Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof der Jerusalemer Gemeinde am Halleschen Tor im Stadtteil Kreuzberg. Es hat heute den Status eines Berliner Ehrengrabes.

Noch vor ihrem Tod vernichtete sie den überwiegenden Teil ihres umfangreichen Briefwechsels mit den Größen der damaligen Zeit. Ihr hinterlassenes Werk umfasst zwei Übersetzungen aus dem Englischen, Mungo Parks »Reise in das Innere von Afrika in den Jahren 1795-97«" und Welds »Reise in die Vereinigten Staaten von Nordamerika«. Sie trat jedoch niemals mit eigenen Texten an die Öffentlichkeit. Zwei Novellen, die sie ihrer Freundin Dorothea Schlegel zur Kritik übergab, vernichtete sie später sogar ganz. Ihre Erinnerungen diktierte sie dem späteren Herausgeber Joseph Fürst in die Feder. Sie erschienen erst 1850 in Berlin unter den Titel »Henriette Herz. Ihr Leben und ihre Erinnerungen«.

Übersetzungen:

  • Park, Mungo: Reise in das Innere von Afrika in den Jahren 1795-97
  • Weld, Isaac: Reise in die Vereinigten Staaten von Nordamerika

Letzte Änderung der Seite: 28. 12. 2021 - 21:12