Saul Ascher
* 06.02.1767 in Berlin
† 08.12.1822 in Berlin
Geboren wurde er unter den Namen Saul ben Anschel Jaffe als ältester Sohn Deiche Aarons und ihres Mannes Anschel Jaffe (1745-1812), eines Bankmaklers, in Berlin.
Über die Jugendzeit Aschers ist bisher wenig bekannt. Bisher gilt als gesichert, dass er das Gymnasium in Landsberg/Warthe im Jahre 1785 besuchte. Er heiratete im Jahre 1789 in Hannover Rahel Spanier (1763-). Sie war die Tochter des Vorstehers der Ravensberger Landjudenschaft. Am 06.10.1795 erblickte Wilhelmine als einziges Kind des Paares das Licht der Welt.
Aschers Freundes- und Bekanntenkreis war sehr ausgedehnt. So war er bereits seit Ende 1789 mit dem Schweizer Schriftsteller Heinrich Zschokke befreundet. In späteren Jahren folgten Freundschaften mit Salomon Maimon, Johann Friedrich Cotta und Eduard Gans – er war später Lehrer von Karl Marx – und sogar Heinrich Heine, der in ihm in seinem Todesjahr besuchte.
In seiner ersten Schrift »Bemerkungen über die bürgerliche Verbesserung der Juden« begründete der Autor, dass sie angebliche spezielle jüdische Charaktereigenschaften auf eine jahrhundertelange Verfolgung und Diskriminierung zurückgingen und somit keine Charaktereigenschaften darstellen würden. So bemerkte er über das Schicksal der jüdischen Nation, dass Unterdrückung Kleinmütigkeit des Geistes fördere, Verachtung unterdrücke jeden Keim von Sittlichkeit und Bildung sowie die Verfolgung jeden Keim von Moralität.
Entgegen vieler anderer Meinungen wandte sich Ascher gegen die Reformen – insbesondere den zu leistenden Militärdienst - des Emanzipationsedikts Kaiser Joseph II. So würde, auf Grund der faktischen Zweiteilung der jüdischen Gesellschaft in arm und reich, der Wehrdienst nur auf den ärmeren Juden lasten. Die vermögenden Juden würden sich durch Zahlung dieser Pflicht entledigen. Erst wenn eine völlige Gleichberechtigung erreicht sei, würde dies die Zustimmung zum Staat nach sich ziehen.
Im Jahre 1792 erschein seine religionskritische Schrift »Leviathan oder über Religion in Rücksicht des Judentums«. In dieser Schrift unterschied der Verfasser zwischen einer anzustrebenden Vernunftreligion und einem veräußerlichten, maschinenartigen Ritualgesetz.
Zwei Jahre später polemisierte er in seiner Schrift »Eisenmenger, der zweite« gegen antisemitische Äußerungen des Philosophen Johann Gottlieb Fichte (1762-1814), dem er den Namen des seinerzeit bekannten Antisemitisten und Autors von »Entdecktes Judentum« Johann Andreas Eisenmenger (1654-1704) beigab. War bisher der verbreitete Antisemitismus in Deutschland religiös begründet, argumentierte Fichte erstmals auf politischer Ebene die Judenfrage. Ascher plädierte in seiner Schrift für eine jüdische Emanzipation und weiß zugleich auf die Gemeinsamkeiten der in den Offenbarungen verhüllten Wahrheiten.
Mit der Zensur in Preußen geriet Ascher im Jahre 1799 in Konflikt. Seine Schrift »Ideen zur natürlichen Geschichte der politischen Revolutionen« wurde verboten, da sie auf den Umsturz der bisherigen Staatsverfassung abziele. Diese Schrift erschien erst zwei Jahre später unter dem Titel »Philosophische Skizzen zur natürlichen Geschichte des Ursprungs, Fortschritts und Verfalls der gesellschaftlichen Verfassungen« und schildert den Weg der menschlichen Gesellschaft zu einem höheren und würdigeren Gemeinschaft. Zunächst hielt er sein Ideal, das revolutionär-fortschrittlich war, im preußischen und später napoleonischen Staat realisiert. So habe das Empire Kaiser Napoleons ohne einen bestimmten Nationalismus oder Intoleranz die Grundlagen für eine harmonischere Weltordnung geschaffen.
Bereits sehr früh gründete und beteiligte sich Saul Ascher an Verlagen. So betrieb er parallel mehrere Verlage. Er war aber auch Mitarbeiter und Korrespondent zahlreicher Zeitschriften. So publizierte er in der »Berlinischen Monatsschrift«, »Berlinisches Archiv der Zeit und ihres Geschmacks«, »Eunomia«, »Allgemeine Literaturzeitung«, dem von Cotta herausgegebenen »Morgenblatt für gebildete Stände«, Zschokkes »Miscellen für die Neueste Weltkunde« aber auch für das »Journal de l’Émpire«. Der Journalist Ascher lieferte zum einen reine Texte der Tagesproduktion, auf der anderen Seite jedoch auch Texte, die ihn als Denker kennzeichneten.
Im Jahre 1810 gründete Saul Ascher die Zeitschrift »Welt- und Zeitgeist« heraus. Insgesamt sollte sich dieses Jahr für ihn als schwierig darstellen. Am 06.04.1810 wurde Saul Ascher in Berlin verhaftet und am 25.04. desselben Jahres auf Grund politischen Drucks wieder entlassen. Ein halbes Jahr später, am 06.10.1810, wurde ihm durch die Universität zu Halle der Doktorgrad in absentia verliehen und Staatskanzler Hardenberg ließ das Berliner Verfahren gegen ihn einstellen. Die Zeitschrift wurde im Jahre 1811 nach sechs Ausgaben eingestellt.
Als im Jahr 1811 die reformfeindlichen preußischen Junker Friedrich Ludwig Karl Finck von Finckenstein (1745-1818) und Friedrich August Ludwig von der Marwitz (1777-1837) verhaftet wurden, berichtete Saul Ascher über die Vorgänge. Die preußische Presse daraufhin angewiesen wurde, »daß dieser Artikel von einem völlig ununterrichteten jüdischen Instruktor, namens Saul Ascher, herrührt, der vor einem Jahre [...] dem Stadtgefängnisse übergeben worden, und, wie sich zeigt, nur zu früh daraus entlassen ist.« Im gleichen Jahr schrieb er auch über die »Christlich-Deutsche Tischgesellschaft«,, die ihrem Statut nach weder Juden noch Konvertiten aufnahm. In diesem Zusammenhang schrieb er auch über Brentanos antisemitische Schrift »Der Philister« und drückte seine Befürchtung aus, dass zunächst Philister und Juden später jedoch auch Inder, Mohamedaner, Chinesen und Ungläubige verfolgt würden.
Auf Grund des Emanzipationsedikts vom 12.03.1812 konnten Juden nun auch den Staatsbürgerbrief in Preußen erwerben. So erhielt Saul Ascher im gleichen Jahr noch die Bürgerrechte in Preußen zugestanden. Nach den Befreiungskriegen trat er in die reformjüdische Bewegung »Gesellschaft der Freunde« ein. Teil der jüdischen Gesellschaft entfallen, die sich nicht auf Grund ihres Vermögens die Freistellung von Militärdienst erkaufen könnten.
Mit der Schrift »Germanomanie« griff Ascher nach Ende der Befreiungskriege 1815 in die von Ernst Moritz Arndt und Friedrich Ludwig Jahn angeführte antifranzösische und antijüdische Volkstumsideologie ein.
Man muß die Menge, um auch sie für eine Ansicht oder Lehre einzunehmen, zu begeistern suchen, um das Feuer der Begeisterung zu erhalten., muß Brennstoff gesammelt werden, und in dem Häuflein Juden wollen unsere Germanomanen das erste Bündel Reiser zur Verbreitung des Fanatismus hinlegen.
Die Schwäche Deutschlands sei, so Ascher, nicht durch schädliche Einflüsse aus dem Ausland entstanden, sondern weil man es versäumte, die Impulse der Französischen Revolution zu übernehmen. Für ihn stand die Idee einer vereinigten Menschheit im Vordergrund. Die Heilige Allianz zwischen Österreich, Preußen und Russland bot aus seiner Sicht eine solche vereinigte Weltordnung. Bestrebungen des Historikers Friedrich Ruhs, wonach Juden auf Grund mangelnder Ehre vom Kriegsdienst auszuschließen seien, erwiderte er »dass Deutschlands Heere in dem Kampf gegen Frankreich unterlagen, ehe noch die Juden … teil daran nahmen, hingegen blieben sie … siegreich, als die Juden … mit ihnen in Reih und Glied standen«.
Während des Wartburgfestes, am 4 Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, am 18.10.1817 organisierte der burschenschaftliche Student Hans Ferdinand Massmann die Verbrennung von antinationalen Schriften. So wurden, in Erinnerung an die lutherische Bücherverbrennung 300 Jahre zuvor, mehrere Dutzend Schriften den Flammen übergeben, die als reaktionär, antinational oder auch undeutsch eingestuft wurden. Neben Karl Leberecht Immermann, August von Kotzebue gehörte auch Aschers Schrift »Germanomanie«
Im Jahre 1818 gründete Saul Ascher die Zeitschrift »Der Falke«. Es handelte sich um eine theoretisch-kritisches Organ, welches er allein mit Beiträgen auffüllte. Insgesamt erschienen sechs Ausgaben, ehe das Magazin im folgenden Jahr eingestellt wurde.
An den Folgen einer im Oktober 1822 erlittenen schweren Erkrankung verstarb der Schriftsteller Saul Ascher am 08.12.1822 in seiner Vaterstadt Berlin.
Werke:
- Leviathan oder über Religion in Rücksicht des Judentums, 1792
- Eisenmenger der Zweite, 1794
- Philosophische Skizzen zur natürlichen Geschichte des Ursprungs, Fortschritts und Verfalls der gesellschaftlichen Verfassungen, 1801
- Orientalische Gemälde, 1802
- Ideen zur natürlichen Geschichte der politischen Revolutionen, 1802
- Kabinett Berlinischer Karaktere, 1808
- Napoléon oder über den Fortschritt der Regierung, 1808
- Rousseau und sein Sohn, 1809
- Historisch-romantische Gruppen, 1809
- Romane, Erzählungen und Märchen, 1810
- Bagatellen aus dem Gebiete der Poesie, Kritik und Laune, 1810/11
- Die Entthronung Alfonsos, Königs von Portugal, 1811
- Die Germanomanie, 1815
- Idee einer Preßfreiheit und Censurordnung, 1818
- Die Wartburgsfeier, 1818
- Ansicht von dem künftigen Schicksal des Christenthums, 1819
Übersetzungen
- Henri Grégoire, Die Neger. Ein Beitrag zur Staats- und Menschenkunde., 1809
- Auguste Lambert, Praxède oder der französische Werther., 1809
- Charles Ganilh, Untersuchungen über die Systeme der politischen Ökonomie., 1811 (anonym) Schwärmereien der Liebe, 1816
- Bernard v. Mandeville, Fabel von den Bienen, 1818Auguste Lambert