Vorrede

Ich hätte dem kleinen Werke, welches ich hier meinen Gönnern und Freunden überreiche, vielleicht einen schicklichern — bescheidenern Titel geben sollen. Poetische Versuche nennet einer unserer Lieblingsdichter die jüngst erschienenen Produkte feiner glücklichen Muse: und ich bitte meine Leser, diese Benennung, wenn ich sie gleich nicht gebrauche, in der ganzen Ausdehnung ihrer mildernden Kraft auf die Arbeiten eines Mannes anzuwenden, der ohne Ermunterung, ohne Muße, blos aus einer Art von Instinkt sich zuweilen ins Gebiete der Dichtkunst wagte. Mehrere meiner Leser kennen die mannigfaltigen, oft rauhen Wege, auf welchen mich die Vorsehung bisher geführet hat. Vor diesen werde ich mich wohl nicht entschuldigen müssen, wenn ich auch ihre Erwartung nicht ganz befriedige. Andere aber, welche mich nur dem Namen nach, oder gar nicht kennen, werden in dem Werkchen selbst Gründe genug finden, es mit Nachsicht zu beurtheilen. Wird man auch etwas Vollkommenes von einem feurigen jungen Manne erwarten, der die neun schönsten Jahre seines Lebens in einem finstern Kloster zubrachte?— Und wenn es mir nachher gelang , an dem Hofe eines
großen deutschen Fürsten eine Zufluchtsstätte zu finden; so waren doch meine Geschäfte daselbst von einer ganz andern Art, als die Poesie. Diese eigensinnige Pflanze gedeihet nur durch anhaltende Cnltur , und nur auf dem Boden der Freiheit, welche an Höfen nicht viel mehr einheimisch ist, als in den Zellen der Mönche.

Doch vielleicht entstehet aus eben diesem Contrast meiner äußerlichen Lage mit meiner Empfindungs- und Denkungsart einiges Interesse für meine Gedichte, Vielleicht wurde ich eben dadurch in den Stand gesezt; hier und dort eine Seite des menschlichen Herzens angenehm zu berühren, und gewisse Wahrheiten, welche freilich zu unfern Zeiten oft genug in Prosa gesagt werden , auch im poetischen Gewande treffend darzustellen.

Aber eben diese Wahrheiten wird mir, wie ich wohl vorhersehe, das Jesuitenvolk nicht so leicht vergeben. — Mag es doch ! Wer wird auch diesen Elenden immer fröhnen wollen?

Vor einigen Jahren gab ein katholischer Geistlicher zu Augsburg eine Sammlung gereimter Zeilen heraus, in welchen durchaus nichts von Liebe und Mädchen vorkommen sollte. Da ich aber, meiner Weihe ungeachtet, gerade so empfinde , wie andere Adamssöhne ; da ich ferner unter Liebe und sündhafter Ausschweifung den Unterschied mache, daß ich jene als einen wohlthätigen, vom Schöpfer in uns gelegten Trieb , diese hingegen als die Frucht einer schlechten Erziehung, und thierischen Stupidität betrachte ; so gestehe ich gerne, daß ich nicht so glücklich war, zehen Gedichte zu machen, unter denen nicht wenigstens eines der menschlichsten aller Menschlichkeiten zugehörte.

An Kätzereien wird's auch nicht fehlen. Wenigstens werden die scharfsichtigen Männer, welche so gar in meiner erztheologischen Vorrede zu Chrysostoms Homilien deren einige entdeckten, ihr römisches Vergrößserungsglaß auch hier nicht unbenutzt lassen. Nur bitte ich sie, zu bedenken, daß ein Gedicht

keine Beichte,
und
kein Glaubensbekenntnis sei.

Doch warum halte ich mich mit solchen Leuten auf, welche wohl bei Beurtheilung eines poetischen Werkes die lezte Stimme zu geben haben? Warum benutze ich diesen Raum nicht lieber, den zahlreichen Freunden meiner schüchternen Muse öffentlich zu danken, und sie zu versichern, daß ich nun , nachdem der Umgang mit den Grazien mir zum Berufsgeschäfte  ward, mit doppeltem Eifer mich bestreben werde, wenigstens in der Zukunft ihren Beifall zu verdienen?

Auch Ihnen, mein lieber Lohbauer, und Ihrem geschickten Freunde Kärterlinus sollte ich für die Mühe, welche Sie auf die Zeichnung und den Stich des Titelkupfers verwandten, hier meine Dankbarkeit bezeugen. Möchten es meine Leser zugleich als ein Denkmal unserer Freundfchaft betrachten!

Wenn ich diefen Gedichten die beim Antritte meiner hiesigen Lehrerstelle gehaltene Rede über die Hindernisse der schönen Litteratur im katholischen Deutschlande beifüge, so thue ich es theils aus der Absicht, gewisse Ideen auch dort in Umlauf zu bringen, wohin akademische Gelegenheitsschriften selten gelangen können; theils aus dem Wunsche, meinen Lesern noch etwas mehr zu geben, als ich versprochen habe.

Geschrieben zu Bonn,
dem. Jänner, 1790.
Der Verfasser.


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