Auf Bambergs Ueberschwemmung

(Den 7ten Februar 1784.)

Hemme deiner Thränen Lauf!
Heb, o Bamberg! diner Wehen
Ganzes Heer zu bersehen,
Deine trüben Augen auf;

Heb sie auf, und schau umher!
Deine Schönheit ist veraltet,
Deine Reize sind verstaltet,
Deine Zierde ist nicht mehr.

Wenig Tage sind dahin;
Du du stolz am Regnizstrande
Standst, vom weiten Frankenlande
Unterreichte Königinn

Wie dich jeder schwer verließ,
Der mit dir vertraut geworden!
Wie erst jüngst der Graf von Norden[1]
Deine Engelreize prieß.

Sieh! dort sizt dein Genius,
Läßt das Haupt zur Erde hangen:
Ueber seine blassen Wangen
Rollt ein bittrer Thränenguß.

Deinem Jammer denkt er nach,
Waget nur zerstreute Blicke
Auf dich hin, und hebt zurücke,
Und entwälzt ein dumpfes Ach!

Selbst der Mörder[2] der getheilt,
Von so manchen Fluß beneidet,
Ueber deinen Busen gleitet,
Dann dem Main entgegen eilt,

Scheint beschämet und betrübt,
Scheint Entschuldigung zu suchen,
Scheint die die Gräuel zu verfluchen,
Die sein Eis an dir verübt.

 

 

Ach! wie er die schönste Stadt
So erbärmlich zugerichtet,
Wie er deinen Schmuck zernichtet,
Bamberg! Dich gemordet hat!

Merket, Völker dieses Jahr,
Das dem Gräul Epoche sezte!
Merkt die Sonne, die die lezte
Bis auf zwei im Hornung war!

 

 

Bald verbarg sie ihren Schein,
Unser Elend vorempfindend:
Unvermeidlich ihn verkündend,
Fällt ein warmer Regen ein.

Plötzlich bricht auf sein Geheiß,
Von dem Boden, durch die Länge,
Durch des rauen Winters Strenge
Ganz petrifizirtes Eis;

 

 

Bricht und wälzet Stein und Holz
Von den Ufern losgerissen:
Unterstützt von neuen Flüssen,
Da der Schnee der Berge schmolz.

Wie die Meere sich erhöh´n,
Wenn vom Monde aufgezogen,
Ihre hochgethürmten Wogen
Brausend aus den Schranken geh´n;

So erhöht, zerschlugest du,
Regniz, die verhaßsten Bande,
Brülltest dem erstarrten Lande
Schleunige Verderben zu,

Ach! wer malt die Schreckensnacht,
Welche unsre Auen, Wälder,
Gärten, Höfe, schwangre Felder,
Bamberg selbst zur See gemacht!

Furchthin zögernd schien der Tag
Unsern Jammer mitzufühlen:
Fuhr zurücke; da der Mühlen
Schönste schon in Schutte lag.

 

 

Grausamer durch ihren Sieg
Fahren des Empörens Wellen
Fort, zum Himmel aufzuschwellen,
Und verdoppeln uns den Krieg.

 

 

 

Jeden Damm, und Spund, und Steg,
Vieler tausend Hände Werke,
Reißt die unbezähmte Stärke
Des ergrimmten Stromes weg.

 

 

 

Schone doch, o!  schone doch,
Regniz, deiner schönsten Brücke!
Laß uns nur von unserm Glücke,
Diesen Rest, nur diesen noch!

 

 

 

Doch vergebens! Strom und Wind
Stürmen wilder – Sieh verschüttert
Sträubet sich die Stesser – zittert –
Spaltet sich – zerfüllt – verschwind´t[3]

 

 

So, Messina, fielen jüngst
Deine prächtigen Gebäude;
Da du durch dein Eingeweide
Stöße von Vulkan empfiengst.

Vor der Brücke flog der Stein,
Welchem Diezens Hand das Leben
Durch Georgens Bild gegeben,
Unser Wunder flog hinein.

 

 

 

Noch ein Pfeiler trotzt hervor:
Und an seinen Trümmern klimmend,
Halb sich haltend, halb entschwimmend,
Rufet Straus[4] um Hülf´ empor.

Da er schon die Hände streckt,
Ein erbarmend Seil zu kriegen;
Muß er ringend unterliegen,
Wird mit Fluten zugedeckt.

Unter seinem öden Dach
Seufzt die Gattin mit fünf Kleinen:
Die Verwaissten schluchzen, weinen,
Sterben ihrem Nährer nach.

Sein Verlust ist nicht gering;Er, ein Glied des Bürgerstandes,War in seines VaterlandesKette, kein vergebner Ring.

Manches Herz, das fühlen kann,
Wird an Straussen pochend denken,
Wird ihm eine Thräne schenken,
Ihm, den Bürger – Vater – Mann -.

Wachter[5]! wurde dies dein Grab?
Wachter, da er fliehen wollte,
Wankte, stürzte vorwärts, rollte
In den offnen Tod hinab.

 

 

 

Seine kranke Gattin heult:
»Wachter! o nein Wachter! hätte
»Ich, wie einst dies leere Bette,
»So die Flut mit dir getheilt!

»Glücklich,  glücklich noch das Paar[6]
»Welches, Arm in Arm gewunden,
»Eben so der Tod verbunden,
»Wie der Segen beim Altar.

 

 

»Ach! sie konnten sterbend sich
»Noch einmal auf ewig küssen:
»Ach! du wurdest mir entrissen,
»Und kein Weib umarmte dich«!

Sollten diese Opfer dir,
Strom des Todes! nicht erklecken?
Himmel! welchen neuen Schrecken,
Welches Donnern hören wir!

Auch die unt´re Brücke fällt:Ihr entstürzt der zweite Bogen;Dem sich auf gestemmten WogenKreuzers Wohnung zugestellt.

 

Nicht genug! Der Hauptpalast,
Wo der Sohn des Kriegs gewachet,
Wird entwurzelt, wanket, krachet,
Fällt, begräbt sich im Morast.

Unser Eden ist zerstört:
Wieder in den alten Graben,
Dem wir erzwungen haben,
Ist die schöne Schanz[7] verkehrt.

Ha! dort kracht ein sinkend Haus:
Schrecken brüllet von den Dächern,
Aus errungnen Bodenlöchern
Heult Verzweiflung laut heraus.

Arme! euer Heil ist nah!Voit gebeut – ihr dürft noch hoffen:Hofft! ss find noch Busenhoffen,Stauffenberg, und Schaumberg[8] da!

Wie, wenn sich Neptuns zeigt,
Von Tritouen hergezogen;
Die Rebellion der Wogen,
Und die Wuth der Winde schweigt:

So erscheint ein Retter[9]: Er
Kömmt, beseelt mit Göttermuthe;
Auf der halb ersäuften Stute
Schwimmt der Held der Liebe her.

Hier den Nachen! Steiget ein!Könnet ihr ihn nicht erlangen?Seht! Er will euch selbst empfangen,Will der Schwachen Träger sein.

Selig, selig noch die Stadt,
Die, durchstürmet von Verderben,
Wahre deutschen Adels Erben,
Erben deutscher Großmuth hat!

Hemme deiner Thränen Lauf!
Heb, o Bamberg! deiner Wehen
Edle Trößter anzusehen,
Deine trüben Augen auf!

Doch du weinst – Von deinem StolzHat die Flut dir nichts gelassen:Um verblieb von ganzen GassenNoch ein Haufen Stein und Holz.

Krazers Haus, wie stand es da!
Wie es jeden staunen machte,
Jeden hold entgegen lachte,
Der es von der Brücke sah!

Kaum entdeckten wir die Spur,Kaum den Schatten seiner Größe:Traurig steht´s in seiner Blösse,Für sich selbst ein Denkmal nur.

Bamberg! Bamberg! schau umher!
Deine Schönheit ist veraltet,
Deine Reize sind verstaltet,
Deine Zierde ist nicht mehr.

Ach, wer wird dich trösten? wer?
Bamberg! wer wird Deine Beulen,
Deine tiefen Wunden heilen?
Einer nur! Franz Ludwig! Er

Gott wie tödtend war der Schmerz,
Den er um sein Bamberg fühlte!
Welches Schwert von Qual durchwühlte
Und zerschnitt sein Vaterherz!

In den Thürmen von Artaun[10]
Muß sein Auge dein Geschicke,
Bamberg, mit unmwölkten Blicke,
Auf durchweinten Blättern schau´n.

Rettet sie! so schreibet Er,
Schreibt, und wischt die Fürstenthräne,
»Macht zur Rettung meiner Söhne
»Kassen, Speicher, Keller leer«!

Gott! wir ehren dein Gericht,
Wenn du nimmst, was du gegeben!
Laß nur unsern Ludwig leben,
Nimm nur unsern Vater nicht!


[1] Der König von Schweden, welcher unter diesem Namen kurz vorher durch Bamberg gereiset war.
[2] Der Regnizfluß
[3] Eine der schönsten Brücken, welche der Fürst von Frankenstein mit großen Kosten erbaut hatte,
[4] Ein Zimmermann, der sich sehr thätig bezeigte, die Unglücklichen zu retten, und darüber selbst zu Grunde gieng. Wär er kein Zimmermann gewesen; er hätte vielleicht eine Statue.
[5] Wachtmeister von der Garde, der mit der Brücke begraben wurde.
[6] Ein Bürger, und seine Frau, welche Arm in Arm geschlungen, in den Fluß stürzten, und ertranken.
[7] Der Namen eines schönen Sparziergangs um die Stadt.
[8] Domherren, welche sich bei dem Unglücke der Stadt auszeichneten. Der Zwang des Sylbernmaases hinderte mich, die andern Menschenfreunde, die ich dabei beschäftigt sah, zu besingen. Aber ihre Thaten stehen aufgezeichnet im Buche der Lebendigen.
[9] Herr Domkapitular von Bubenhoffen, der mit Lebensgefahr verschiedene Unglückliche aus ihren Häusern brachte
[10] Der alte Namen von Würzburg


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