An Irene.

(Stuttgart, den 1. Februar 1789)

Oft, wenn ich in der finstern Zelle
Auf hartem Strohe lag;
Da malte mir der Gott des Traumes
Mein künftig Mädchen vor.

Da sah ich sie, die Göttlichschöne:
Ihr Auge sprach Gefühl:
Und ahnend schlug im weißen Busen
Ihr unschuldvolles Herz.

Ich sah, vom Ühöbus selbst gestimmet,
Das goldne Saitenspiel
In ihrer Hand: mit einem Worte
Ich sah, Irene, Dich!

Der Himmel lös´te meine Bande:
Ich kam, und suchte Dich.
Dich suchte ich drei lange Jahre,
Und ach! ich fand Dich nicht.

Jetzt da mein Schicksal fern mich schleudert,
Jetzt, Engel, find ich Dich!
Wie weh ist mir! wie trüb im Auge!
Wie schlägt mein banges Herz!

Nur eine ach! nur eine Zähre
Des Mitleids schenke mir!
Denn wein ich gerne, bis ein  Hügel
An Rhenus mich bedeckt.


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