Die Freundschaft

(In´s Stammbuch eines ungesehenen Freundes, aus dem Kloster zu Augsburg.)

Freundschaft! Auch die dumpfe Höhle
Eines Mönchs erheiterst du.
Seine abgehrmte Seele
Sucht an deinem Busen Ruh.

Freundschaft! deine Nektartränke
Schaffen morschen Geistern Muth
Welche Wonne, wenn ich denke:
Mancher Edler ist mir gut!

Denke daß man, was ich dichte,
Mit Gefühl und Nachsicht ließt:
Daß bei meiner Leidgeschichte
Manches Auge überfließt.

Edler Freund! noch ungesehen,
Ungesprochen, liebst du mich!
Willst, ich soll im Stammbuch stehen:
Nun dann, sieh! da stehe ich.

Stehe da im Mönchsgewande:
Doch du weißt, was Paulus spricht:
Gottes Wort hat keine Bande,
Auch die Freundschaft hat sie nicht.

Freundschaft gründet Herzensgüte,
Tugend und Religion:
Nicht Kaprize, nicht Geblüte,
Nicht die Zelle, nicht der Thron.


Letzte Änderung der Seite: 06. 03. 2021 - 00:03