Bescheidenheit

Nie lacht die finstere Climene.
Man sagt, sie habe keine Zähne,
Auch sei ihr Mündchen etwas weit:
Doch übt sie nur Bescheidenheit.

Älceß mag seine Frau nicht plagen.
Er hat, wie böse Leute sagen,
Zu viel genossen vor der Zeit:
Jetzt liebt er die Bescheidenheit.

Duns schweiget, wenn Gelehrte sprechen,
Sie mögen immer Lanzen brechen:
Er mischt sich nie in ihren Streit;
Warum doch? Aus Bescheidenheit.

Philistor will nichts drucken lassen.
Es sagen manche die ihn hassen,
Es sei, weil er Censoren scheut;
Allein es ist Bescheidenheit.

Wie züchtig trägt sich Wilhelmine!
Doch heißt es trotz der frommen Miene,
Sie sei zu jeder Frist bereit;
So geht es der Bescheidenheit.

Flavina trägt seit vielen Monden
An ihren Kleidern keine Blonden
Sie sind versetzt, wie man schreit;
Sue aber nennt´s Bescheidenheit.

Schon lange hat man nicht gesehen
Mit bloßer Brust Selinde gehen.
Ihr Mieder ward vielleicht zu weit?
O nein! es ist Bescheidenheit.

Amynt verkaufet Roß und Wagen.
Vielleicht weil Gläubiger ihn plagen?
So spricht man freilich weit und breit:
Doch thut er´s aus Bescheidenheit.


Letzte Änderung der Seite: 06. 03. 2021 - 00:03