Das Reisetagebuch der Antoinette von Massow

vom Herbst 1801

Den 12. besahen wir Monbijou, welches viele prächtige Zimmer enthält; dann gingen wir nach dem Hause, wo unser theurer Hans wohnen soll; ich bin unfähig, die Gefühle auszudrücken, welche meine Seele pressten. Der Pagengouverneur war mit dem jungen Skribenzke ausgegangen, und wir machten daher seine Bekanntschaft das Mal nicht. Als wir zurückkehrten, besuchten wir den Hofmarschall Massow, welches alle Tage einige Stunden geschieht; wie wir in unser Logis zurückkehrten, fanden wir wieder neue Freunde und oft alte Bekannte.

 

Den 13. machten wir Visite bei der Oberhofmeisterin von Gaadi, eine prächtige Frau, die ich ganz so fand, wie der allgemeine Ruf sie geschildert hatte, sie war gegen uns und Hänschen äußerst gütig. Wie wir zurückkamen, besuchte uns Graf Wartensleben, blieb bis zwei Uhr bei uns. Dann ging mein Massow zum Diner zum Feldmarschall Möllendorf und wir bereiteten uns zu der Nachmittagsfatigue durch ein prächtiges, schönes Mittagessen.
Nachdem mein guter Mann retourniert war, fuhren wir bei Präsident Schleierlzenz. Diese bewirteten uns den Abend bei Karslens im Thiergarten; aus der Gesellschaft sind mir folgende Personen näher bekannt geworden: Der Präsident Kirscheisen, seine Frau und Tochter, Leutnant Horn nebst Frau, Rittmeister Katte mit Gattin, Geheimrath Zehdel, der Major Liebermann, der Major Korswand - den ich mit Mühe hinter seiner Nase vorfand.

 

Den folgenden Tag aßen wir en Famille bei Schleinitzens Mittag.

Nach demselben fuhren wir bei Minister Massows, die unbeschreiblich gütig und hilfreich waren; auch zu allen Diensten sich schon schriftlich wie mündlich angeboten hatten. Da fanden wir den Landrath Massow aus Schlesien mit seiner Tochter, artige Leute; lange verweilten wir uns höchst angenehm in dieser lieben Gesellschaft, so daß wir nur sehr spät zum Thee und Souper bei Graf Lottums kommen konnten, wo wir schon engagiert waren. Diese Leute haben uns erstaunend gefallen; sie sprachen mit viel Anhänglichkeit von dem lieben Ferdinand.

Heute sind wir zum Diner bei Minister Massows gewesen, und will ich die Personen, die ich da kennen lernte, nach dem äusseren beschreiben, denn bei so kurzer Bekanntschaft kann man selten des besseren Teils am Menschen gedenken und nur an der Außenseite sich aufhalten.

Ich sah also dort den Minister Thielemann, einen speckfetten Mann mit langer, breiter Taille, kurzen Schößen, breitem, langen Haarbeutel, sehr kurzen Unterkleidern, breiten Schuhen, großen Schnallen und einem Chapeau bas; diesen Mann sieht jeder voller Komplimente, sanft auftretend, hold umherblickend.

Minister Arnim in einem besseren Kostüme, artig und geschmeidig, mit der Stimme eines kränkelnden Kindes. Bei dem General Merkatz saß ich. Und seine Unterhaltung gewährte mir wahres Vergnügen, denn seine Äußerungen verrieten eine edle, gute Seele; seine Gemahlin: eine ebensolche Dame; dann der General Wartensleben, mit der besten Laune; sein Sohn blasswangig und trübe; dessen Frau eine geborene Gräfin Reichenbach, immer lieblich lächelnd und von anscheinender Gutmütigkeit.

Die Generalin von Saldern, gerade und eben, die Finger alle zehn immer in der Tabaksdose. Der Oberst Eckenbrecher von der Artillerie mit seiner Frau und Sohn. Diese Familie stammt gewiß aus Italien, denn nie sah ich gelbere Gesichter. Dann ein Fräulein von Bock mit brennend roten Blumen, die die fliehende Jugend gewaltsam zurückbringen sollten, dabei eine so leise, sanfte Stimme, wie das Lispeln der kaum berührten Espenblätter. Dann ein junger Graf Kanitz und sein Referendarius, beides artige, hübsche Leute; die Oberst Thadden, eine artige Frau. Mit dem Cousin Otto fuhren wir, weil Minister Massows zum Thee und Souper engagiert waren, nach Hause und brachten den Abend in angenehmer Unterhaltung und in Erwartung des Cousins Christoph hin. Dieser erschien erst den folgenden Morgen mit seinem General, er gefällt uns sehr gut.

Den 16. aßen wir bei Graf Wartensleben, da fanden wir die Großkanzlerin Goldbeck, eine alte freundliche Dame, den General Wartensleben mit der ganzen Familie, den Generalleutnant Schwerin, Leutnant Rehbinder, Oberst Stange, Minister Massows, einen alten invaliden Major, der schon seit undenklichen Zeiten Hofmarschall dei Prinzessin Heinrich ist, Beauvais heißt und das Gesicht voller Pflaster hat; seine Lebensgeschichte ist überhaupt nicht erbaulich, mit der machte Graf Wartensleben bekannt.

Von hier fuhr ich nach unserm Logis, zog mir meinen Staat ab, und dann kam die Gräfin Wartensleben, holte uns ab zu einem Souper, welches Minister Massows gaben. Da fanden wir General Kuhnheims, einen Leutnant Tetten mit seiner Frau; hübsche artige Leute; ein Fräulein Arnim aus Sachsen, ein wohlgezogenes angenehmes Mädel aus Sachsen, die die lieben Dohna's kennt aus Schlodien und nach ihrem ganzen hohen Wert schätzt und liebt, welches Anlaß für mich zu angenehmer Unterhaltung gab. Dann waren da noch mehrere artige Leute.

Den 17. war Diner bei General Kuhnheims; in der sehr zahlreichen Versammlung fanden wir viele Bekannte aus Preußen. Ehe noch die wirklich glänzende Tafel aufgehoben wurde, sagte mir ein Bedienter, daß die Gräfin Lottum unten mit ihrer Equipage auf mich warte, um mich in die Comödie zu führen. Ich mußte also - um die liebe prächtige Frau nicht warten zu lassen - mir die Erlaubnis erbitten, aufzustehen. Es wurde das Trauerspiel "Tancred" gegeben. Madame Jagemann machte ihre Rolle schön, so wie sie selbst recht hübsch ist. Zum Nachspiel sahen wir die Comödie "Aus dem Stegereif". Darin agierte Iffland meisterhaft.

Aus der Loge ging es zu Graf Lottums, die uns äußerst liebreich bewirteten; von den Anwesenden gefiel mir besonders ein Geheimrath mit seiner Familie sehr gut, dessen Namen ich vergessen. Gestern überraschte mich das Wiedersehn eines alten lieben Bekannten, des Rittmeisters Puttkammer, der sich gar nicht verändert hatte. Auch hatte ich das Vergnügen, die lieben General Herzbergs mit ihrer Familie zu sehen; nachdem sie mich verlassen hatte, holte ich die Gräfin Wartensleben ab, und wurde von dieser in die Porcellaine und Bronze Fabrique geführt; beide gefielen mir - doch die letztere übertrifft an Schönheit die erstere. Besonders rege wurde meine Aufmerksamkeit durch die transparenten Lampen, welche sich der General Macdonald bestellt hat und welche erstaunlich schön sind; es schmeichelte meiner Eitelkeit, daß die Nation, welche uns so ungern Gerechtigkeit widerfahren läßt, und so selten zugibt, daß auch ohne sie etwas kann erfunden werden, hier eingesteht, solches nicht bis jetzt liefern zu können, und ein General aus ihrer Mitten solches aufs teuerste bezahlt.

Den 18. des Morgens. Alles ist zum Manöver hinaus und mein geliebter Hans nach Monbijou gebracht; die Sonne scheint mir so freundlich ins tränennasse Auge, welches ich bittend zu Gott richte, um Segen und Unterstützung für das teure Kind und um Mut für meine oft zagende Seele.


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