Briefe aus den Befreiungskriegen
Heinrich Dietrich von Grolman an seinen Sohn Karl Wilhelm von Grolman
II.
vom 12.09.1807
Lieber Karl! Soeben erhalte ich Deinen Brief vom 4ten August. Er hat ein besonders Schicksal gehabt; man hat ihn unter einem Paket andrer Briefe, unter einem Strauch in Dahlwitz gefunden und ein Bote hat ihn mir überbracht. Es ist mir lieb, daraus zu sehen, dass Du Dein Unglück, wahrlich ein großes Unglück, wie es einem Manne geziemt, mit Standhaftigkeit erträgst. Ich kann nicht anders, als Dich ferner dazu ermuntern. Deine Frau war eine vortreffliche, eine vorzügliche Person unter ihrem Geschlecht, aber Eure Ehe konnte doch niemalen von langer Dauer sein. Heim bleibt steif und fest dabei, dass sie einen natürlichen Fehler im Unterleibe gehabt habe, der nicht zu kurieren gewesen sei. Der Krieg, der unglückliche Ausgang desselben, und andre Umstände können vielleicht ihren Tod um ein paar Jahre beschleunigt haben, aber unvermeidlich blieb er immer. Sie sah dies selbst ein, und wünschte, zu sterben, weil sie doch immer einen kränklichen Körper behalten und dadurch ihrem Mann zur Last fallen würde. Sie hat in ihrer 6monathlichen Krankheit wahrscheinlich viel gelitten, aber ihre große, musterhafte Geduld verbarg ihr Leiden. Von Zeit zu Zeit zeigten sich Spuren der Besserung und erweckten unsre Hoffnung; ich habe sie alle Tage besucht. Das einzige, worüber ich klage, ist, dass man meinem Rat nie hat folgen wollen. Doch auch das würde nicht geholfen haben, wenn Heim recht hat. Präsident Gerlach ist immer kränklich, das allgemeine Staatsunglück, der tägliche Verdruss, welchen ihm die Franzosen verursachen, der Verlust seiner Tochter scheinen auf sein sonst gelassnes Gemüt einen nachtheiligen Eindruck zu machen. Seine Frau beträgt sich nicht so, wie ich es von ihrem Verstand erwartet habe. Sie will noch immer nicht getröstet sein, tut dadurch ihrer Gesundheit Schaden und ist kaum vom Fieber befreit. Die Geheimräthin Raumer hat seit 14 Tagen das hitzige Nervenfieber, wozu der weiße Friesel gekommen ist. Der einundzwanzigste Tag soll erst ihr Schicksal entscheiden. Nun auf das bessere, Deine Tochter befindet sich ganz wohl und nimmt täglich zusehends zu. Im September hat man sich vorgenommen, ihr die Schutzblattern einzuimpfen, Du wirst wohl nichts dagegen haben. In meinem Hause ist alles gesund. Du hast nur ein Fünkchen Hoffnung; ich denke, es wird eine große Flamme daraus werden. Zeiget Dir nicht die Geschichte viele Beispiele, wo ein Staat am Rande des Verderbens war, und mächtiger wieder aufblühte, als zuvor? Napoleon hat meiner Einsicht nach einen höchst unweisen Frieden geschlossen; um gegen Russland eine Schutzwehr zu haben, musst er den preußischen Staat nicht bloß erhalten, sondern verstärken. Was will er mit dem erbärmlichen Herzogtum Warschau? Sieht er nicht ein, dass dieses nur ein Morgenbrot für Russland ist? Er will Karl den Großen spielen; weiß er nicht, dass auf denselben ein schwacher Ludwig der Fromme folgte? Wie bald wird ihn selbst Alter und Schwäche angreifen. Dich hat die Vorsehung vorzüglich vor Tausenden beschützt, Du hast schon jetzt eine Stufe erreicht, wo Du Hoffnung hast, einmal an der Spitze einer Armee zu stehen, und den bisher erlittenen Schaden wieder gut zu machen. Du wirst doch wenigstens gelernt haben, wie man einen Krieg nicht führen muss; wenn Du Dich ferner auf die gute Kriegskunst legest, wenn Du ohne Vorurteil selbst von den Feinden das annimmst, was gut ist, so wirst Du Deinem Vaterlande gewiss auch einmal nützlich sein. In meinen Augen verdienen alle die Menschen die größte Verachtung, welche den König in seiner Not verlassen haben. Wäre ich um den König gewesen, hätte er mich im Anfall des Verdrusses mit Füßen getreten, ich wäre nicht von ihm gegangen. Ich fürchte, da er von so vielen Menschen verlassen und verraten ist, er werde menschenfeindlich gesinnt werden, und dafür behüte uns der Himmel. Sonst nur Muth gefasst, die bisherigen Fehler vermieden, alles besser gemacht und es wird schon gut gehen.
12 August 1807.