Friedrich Tiedemann

* 23.08.1781 in Kassel
† 22.01.1861 in München

Friedrich Tiedemann wurde in Kassel als Sohn des Hofrats und Professors Dietrich Tiedemann geboren.

Im Jahre 1798 nahm er seine Studien an der Universität zu Marburg auf und wechselte 1802 nach Bamberg, wo er hauptsächlich von Marcus unterrichtet wurde. Später, als er in Würzburg seine Studien fortsetze, gehörten Thomann und Karl Kaspar von Seibold zu seinen Professoren. Im Jahre 1804 wurde er mit seiner Inauguralabhandlung »De cordis polypis« in Marburg zum Doktor und habilitierte sich dort auch als Privatdozent der Physiologie. Nebenbei hielt er auch Vorlesungen über vergleichende Osteologie und die damals sehr heftig diskutierte Schädellehre von Gall. Um seine wissenschaftliche Ausbildung insbesondere in Anatomie und Zoologie zu vertiefen begab er sich auf eine längere Reise, die ihn auch nach Paris brachte.

Im Jahre 1805 erhielt er eine Professur für Anatomie und Zoologie an der bayerischen Universität Landshut. Dort sollte er für die nächsten 11 Jahre seinen Wirkungsmittelpunkt gefunden hatte.

Kurz nachdem er nach Landshut kam, veröffentlichte er zwischen 1808 und 1814 sein dreibändiges Werk »Zoologie, zu seinen Vorlesungen entworfen«. Im ersten Band widmete er sich dem Menschen und den Säugetieren. In den beiden weiteren Bänden setzte er sich mit der Anatomie von Vögeln auseinander. Im Jahre 1816 erschien sein Werk über die »Anatomie der Bildungsgeschichte des Gehirns« verglich Tiedemann die embryonale Entwicklung des Gehirns bei Wirbeltieren und Menschen. Hierbei entdeckte er übereinstimmende Entwicklungsprinzipien, wodurch er sich zum einem der Wegbereiter der Evolutionstheorie von Charles Darwin herausbildete.

Zwischen 1816 und 1849 war der Anatom Professor für Anatomie und Physiologie in Heidelberg. Er hielt neben anatomischen Vorlesungen auch noch Vorlesungen in Physiognomie. Doch auf Grund eines Grauen Stars, der später von Prof. Chelius erfolgreich behandelt wurde, trat er letztere Vorlesungen an seinen Schwiegersohn Theodor Bischoff ab. Bereits im Jahre 1822 übernahm Leuckart seine Vorlesungen in Zoologie.

Dort war er auch Direktor des Anatomischen Instituts, wo er in der Nachfolge Jakob Fidelis Ackermanns stand. Im sollte nach seiner Emeritierung Jacob Henle (1809-1885) folgen. Er veranlasste im Jahre 1844 noch den Bau eines anatomischen Theaters, dessen Fertigstellung er noch erleben konnte.

Während seiner Heidelberger Zeit veröffentlichte Professor Tiedemann zusammen mit Leopold Gmelin grundlegende Arbeiten zur menschlichen sowie tierischen Verdauung.

Im Jahre 1849 gab Tiedemann seine Tätigkeit auf und siedelte nach Frankfurt am Main über. Dort konnte Tiedemann im Kreise seiner Freunde und ehemaliger Schüler sein 50jähriges Doktorjubiläum feiern. Im Jahre 1856 zog er nach München um.

Tiedemann war schon früh ein Anhänger der experimentellen Naturwissenschaft und lehnte romantisierende Ansätze der Naturphilosophie Schellings entschieden ab. Von ihm stammte auch der Ausspruch:

Ärzte ohne Anatomie sind Maulwürfen gleich: sie arbeiten im Dunkeln, und ihrer Hände Tagewerk sind Erdhügel.

Er gilt auch als ein früher Vorkämpfer gegen Rassismus. In seiner Abhandlung »On the Brain oft he Negro, compared with that of the European and the Orang-Outang« aus dem Jahre 1836 trat er entschieden gegen zeitgenössische Vorurteile auf und stellte fest, dass es keine angeborenen intellektuellen Unterschiede zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarbe gibt. Diese Abhandlung Tiedemanns erschien übrigens als einzige zuerst in englischer Sprache. Erst im folgenden Jahr erschien sie auch unter dem deutschen Titel »Das Hirn des Negers mit dem des Europäers und Orang-Outang verglichen«. Der Verfasser wollte auf diese Weise der Abschaffung der Sklaverei durch die britische Regierung im Jahre 1833 würdigen. 

Prof. Friedrich Tiedemann gehörte seit 1828 der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina an und im Jahre 1848 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences aufgenommen. Im Jahre 1851 wurde ihn auch der preußischen Orden Pour le Merite für Wissenschaften und Künste verliehen, der auf Anregung Alexander von Humboldts im Jahre 1843 durch den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. gestiftet wurde.

Friedrich Tiedemann war seit dem Jahre 1807 mit Jenny Rosa von Holzing (1791-1871) verheiratet. Aus dieser Ehe stammten sieben Kinder, von denen jedoch nur vier das Erwachsenalter erreicht hatten. Die drei Söhne Tiedemanns nahmen 1848/49 an der Badischen Revolution teil. Sein ältester Sohn Gustav Tiedemann wurde im Jahre 1849 als Kommandant der badischen Festung Rastatt erschossen, während die anderen beiden Söhne in die Vereinigten Staaten von Amerika emigrierten. Seine Tochter Kunigunde war in erster Ehe mit Vincenz Fohmann und in zweiter Ehe mit dem Anatom und Physiologen Theodor von Bischoff (1807-1882) verheiratet.

Friedrich Tiedemann starb am 22.01.1861 in München. Sein Grab befindet sich auf dem Münchener Alten Südlichen Friedhof (Gräberfeld 42, Reihe 13, Platz 14, das mit dem Tod seines Schwiegersohnes Theodor von Bischoff im Jahre 1883 zum Familiengrab der Bischoffs umgestaltet wurde. Ursprünglich hatte seine Tochter Kunigunde die Grabstelle für den Vater erworben.

Werke:

  • Anatomie des Fischerzens. Mit 4 Kupfertafeln.</span>, Joseph Thomann, Landshut 1809
  • Anatomie und Naturgeschichte der Vögel., Mohr und Zimmer, Heidelberg, 1810-14
  • Anatomie und Naturgeschichte des Drachens., Johann Leonhard Schrag, Nürnberg 1811
  • Anatomie der kopflosen Missgeburten. Nebst vier Kupfertafeln., bei Joseph Thomann, Landshut 1813
  • Anatomie und Bildungsgeschichte des Gehirns im Foetus des Menschen nebst einer vergleichenden Darstellung des Hirnbaues in den Thieren. Mit sieben Tafeln Abbildungen., Stein, Nürnberg 1816
  • Mit Leopold Gmelin: Versuche über die Wege auf welchen Substanzen aus dem Magen und Darmkanal ins Blut gelangen, über die Verrichtung der Milz und die geheimen Harn-Wege., Mohr und Winter,
  • Abhandlung über das vermeintliche bärenartige Faulthier. Mit einer Abbildung., Mohr und Winter, Heidelberg 1820
  • Friderici Tiedemanni Tabulae arteriarum corporis humani / Friederich Tiedemann’s Abbildungen der Pulsadern des menschlichen Körpers. Christian Friedrich Müller, Karlsruhe 1822
  • Zu Samuel Thomas von Sömmering’s Jubelfeier., Karl Groos, Heidelberg und Leipzig, 1828
  • Rede bei der Eröffnung der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Heidelberg am 18. September 1829., C. F. Winter, Heidelberg 1829
  • Physiologie des Menschen., Carl Wilhelm Leske, Darmstadt
  • 1. Band: Allgemeine Betrachtungen der organischen Körper. 1830
  • 3. Band: Untersuchungen über das Nahrungs-Bedürfniss, den Nahrungs-Trieb und die Nahrungs-Mittel des Menschen. 1836
  • Mit Leopold Gmelin: Die Verdauung nach Versuchen. 2. wohlfeilere Ausgabe., Karl Groos, Heidelberg und Leipzig 1831
  • Das Hirn des Negers mit dem des Europäers und Orang-Outangs verglichen. Mit sechs Tafeln., Karl Winter, Heidelberg 1837
  • Von den Duverneyschen, Bartholinschen oder Cowperschen Drüsen des Weibes und der schiefen Gestaltung und Lage der Gebärmutter. Mit vier Tafeln Abbildungen., Karl Groos, Heidelberg und Leipzig 1840
  • Von der Verengung und Schliessung der Pulsadern in Krankheiten. Mit drei Tafeln., Karl Groos, Heidelberg und Leipzig 1843
  • Von lebenden Würmern und Insekten in den Geruchsorganen des Menschen, den Zufällen welche sie verursachen, und den Mitteln sie auszutreiben., Friedrich Bassermann, Mannheim 1844
  • Geschichte des Tabaks und anderer ähnlicher Genußmittel. Mit Abbildungen., Heinrich Ludwig Brönner, Frankfurt am Main 1854

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