Pieter Poel

* 17.06.1760 in Archangelsk
† 03.10.1837 in Altona

Geboren wurde Pieter Poel am 17.06.1760 im russischen Archangelsk. Der Vater Jacobus Poel (1712-1775) war dort mit der Leitung der Niederlassung des Handelshauses van Briemen betraut gewesen. Um das Jahr 1750 heiratete er Magdalena van Brienen () die Tochter seines Geschäftspartners Rutger van Brienen, und übernahm anschließend die Leitung der Niederlassung in Archangelsk. Pieter Poel war das vierte Kind des Ehepaares und das sechste Kind des Vaters.

In Archangelsk befreundete sich der Vater mit den russischen Großfürsten Peter. Der Großfürst wurde im Jahre 1760 auch Patenonkel des jungen Pieter Poel. Nach seiner Thronbesteigung als Zar Peter III. beauftragte er Jacobus Poel mit der Übernahme der holsteinischen Angelegenheiten des Zaren. So zog die junge Familie nach Holstein um sich um die Angelegenheiten der Gottorper Güter des Zaren zu kümmern und zugleich die angeordneten Kanalbauarbeiten zu überwachen. Doch schon wenige Wochen nach der Thronbesteigung wurde Zar Peter III. am 17.06.1762 ermordet und seine Frau Katharina rief sich zur Zarin aus. Jacobus Poel gab seine Geschäfte in Archangelsk auf zog mit seiner Familie nach Hamburg.

Am 08.10.1763 starb Magdalena Poel, die ihre letzte Ruhestätte im Hamburger Dom fand. Er erwarb im Jahre 1766 die in Mecklenburg gelegenen Güter Zierow, Rethwisch und Naudien. Im Sommer lebte die Familie meistens auf den Gütern und im Winter hielt sie sich in Hamburg auf. Nach dem Tode der Mutter wurde Pieter zusammen mit seiner Schwester Magdalena in einem französischen Mädchenpensionat erzogen. Anschließend besuchte er bis zu seinem fünfzehnten Lebensjahr ein Knabenpensionat. Der junge Poel kannte somit ein reguläres Familienleben nicht.

Noch vor seiner Abreise nach Bordeaux hatte sich seine Schwester Magdalena mit dem Kaufmann Adrian Wilhelm Pauli in Lübeck vermählt.

In den Jahren 1776 bis 1778 lernte Pieter Poel das Kaufmannsgewerbe in einer Firma in Bordeaux. Zu jener Zeit galt die Stadt als eine der »verderbsten Städte« Europas. Poel eignete sich jedoch, was sich schnell herausstellte, nicht für das Geschäftsleben. Seine Sprachgewandtheit fiel jedoch auf und so führte er bald die Korrespondenz seines Handelsherrn. In dieser Zeit lernte er das französische Schauspiel kennen. In dieser Zeit wurde er auch mit den deutschen Autoren, wie zum Beispiel Klopstock oder Lessing bekannt.

Dem Wunsch seiner Schwester entsprechend sollte Poel Gelehrter werden. Sie traf bereits entsprechende Vorbereitungen und nach zwei Jahren verließ er im Jahre 1778 Bordeaux um nach Genf zu gehen. Dort sollte er sich intensiv auf den Besuch einer deutschen Universität vorbereiten. Durch seinen Erbanteil, der Vater vererbte ihm zwei Landgüter, war der junge Mann unabhängig und konnte einen anderen Beruf ergreifen. In seiner Genfer Zeit kam er mit den Lehren Rousseaus in Kontakt. Der Naturforscher Charles Bonnet nahm sich des jungen Mannes an. Poel schrieb in seinen Erinnerungen:

Des täglichen Studiums lateinischer Classiker – die griechischen schienen für die diplomatische Laufbahn, welche ich zu verfolgen dachte, entbehrlicher – wie der Mathematik war keine Erwägung geschehen, weil es sich von selbst verstand.

Sein Mentor Bonnet führte den jungen Mann sowohl an philosophische als auch naturwissenschaftliche Werke heran. Er ermunterte ihn sich mit Geschichte, Verfassungsrecht und juristischen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Im Herbst des Jahres 1780 reiste er nach Göttingen um an der dortigen Universität seine Studien fortzusetzen. Er studierte bei den Professoren Schlözer Georg Ludwig Boehmer, Splitter und Blumenbach. Er setzte bis zum Jahre 1783 seine Studien in Geschichte, Staatswissenschaften und Staatsökonomie fort. In jener Zeit wurde er auch Mitglied des einflussreichen Studentenordens – einem Vorläufer der Burschenschaften – ZN, dem Professor Johann Friedrich Blumenbach vorstand. Zweck dieses Zusammenschlusses war es dem Unwesen der Orden und Landsmannschaften entgegenzuwirken. Dem Orden gehörten auch Professor Boehmer sowie der spätere braunschweigische Staatsmann von der Schulenburg-Wolfsburg und der Kurländer Johann Friedrich von der Recke, der Verfasser eines baltischen Schriftstellerlexikons. Auch verband ihn eine Freundschaft mit dem Marschalk von Ostheim, der einzige Bruder der Schriftstellerin Charlotte von Kalb, die eine Affäre mit den jungen Schiller einging. Friedrich Marschalk von Ostheim starb in den Armen seines Freundes Poel an den Folgen einer Darmverschlingung.

Nach seinem Studium fand er im Jahre 1783 eine Anstellung im Collegium der Auswärtigen Angelegenheiten. Er war dort als Sekretär im Kapitänsrang angestellt. Durch seinen Onkel Abraham van Brienen verfügte der junge Mann über entsprechende Kontakte zu den gesellschaftlichen Kreisen in der russischen Hauptstadt St. Petersburg. Über die Bedeutung van Brienen schrieb Gustav Poel:

Van Brienen galt als einer der einflußreichsten Kaufleute in Rußland, so daß nicht nur Leute seines Standes, sondern auch Staatsmänner ihn gern zu Rathe zogen, wenn sie sich über Gegenstände des Handels belehren wollten: auf manche Beschlüsse mag er Einfluß gehabt haben; einer der wichtigsten in seinen Folgen, der der bewaffneten Neutralität, ist wirklich durch ihn veranlaßt worden; denn er hatte den Nachtheil, welcher dem englisch-russischen Handel durch das willkürliche Verfahren der Engländer zugefügt wurde, den Ministern mit so lebhaften Farben geschildert, daß sie ihm Gelegenheit gaben, der Kaiserin unmittelbar seine Erfahrungen und Ansichten darüber mitzuteilen

Nachdem er in seiner neuen Stellung nur sehr wenig geistig gefordert wurde, entschloss er sich auf eine Fortsetzung seiner diplomatischen Laufbahn in Russland zu verzichten. So verließ schon im folgenden Jahr die russische Hauptstadt und begab sich nach Schweden.

Dort hoffte er ebenfalls eine Anstellung im Staatsdienste zu finden. Trotz seiner Beziehungen bekam er jedoch keine Anstellung. Reichsrat Graf Oxenstiema machte die reformierte Religion im streng lutherischen Schweden dafür verantwortlich. So zog er sich, die Hoffnung auf eine schwedische Anstellung aufgebend, nach Hamburg zurück. Dort widmete er sich historischen und nationalökonomischen Studien und seine Mußestunden verbrachte er mit Freunden und Bekannten.

Zu jener Zeit war es üblich, dass man durchreisende Gelehrte in Hamburg nur bei Professor Johann Georg Büsch, bei Klopstock oder im Hause von Johann Albert Heinrich Reimarus. Auch der junge Poel fand in diesen Kreis die lang ersehnte geistige Anregung.

Im Jahre 1786 begab sich Pieter Poel zusammen mit dem späteren Reichsfreiherrn Caspar Voght auf Reisen nach Frankreich und England. Er beobachtete auch die Veränderungen in der französischen Gesellschaft am Vorabend der Französischen Revolution sehr aufmerksam:

Der gebildete Theil der Nation fand mehr Geschmack an ernsten Dingen und an ernster Unterhaltung; der Geist freier Untersuchung, welchen man der Philosophie verdankte, hatte auf ihre eigenen Mängel aufmerksam gemacht. Religionsspöttereien waren aus der Mode gekommen, sie galten für geschmacklos. […] Rousseau war popolärer geworden als Voltaire […] Wie der abschreckende Unglaube der der Philosophen die Religion, so hatten die Ausschweifungen des Hofes Ludwig XV. die Sitten wieder zu Ehren gebracht, wenigsten wurde der Anstand besser beobachtet; man prunkte nicht mehr mit seiner Liederlichkeit. […] Man ahnte noch keine Revolution, aber Reformen erschienen ganz unvermeidlich.-

Im Jahre 1789 ließ sich Poel in Altona bei Hamburg nieder. Dort gab er den »Altonaischen Mercurius« heraus. Es war die bedeutendste deutschsprachige Zeitschrift des Nordens. Er wurde auch sonst schriftstellerisch tätig.

Pieter Poel erwarb ein großes Stadthaus in der Großen Freiheit in Altona. Im Sommer zog er sich auf das Gut Neunmühlen zurück. Dieses Gut erwarb er im November 1793 zusammen mit den Kaufleuten Georg Heinrich Sieveking und Conrad Johann Matthiessen erwarb. Das Haus entwickelte sich zu einem Treffpunkt des Geisteslebens. So gehörten Johann Heinrich Voß, der Philosoph Jacobi oder auch der alte Freund Klopstock zu den regelmäßigen Hausgästen. Auch sein Schwager Pauli. Auch fand hier die Hochzeit des französischen Gesandten bei den Hansestädten Karl Friedrich Reinhard mit Christine Reimarus, die als das gebildetste Mädchen Deutschlands galt. Auch heiratete ihr Bruder Philipp Christian Reimarus eine Schwester von Poels Frau.

Zusammen mit dem Musiker Johann Friedrich Reichardt und den nach Paris ausgewanderten Professor Carl Friedrich Cramer gab er die politische Zeitschrift »Frankreich. Aus den Briefen Deutscher Männer in Paris« heraus. Hier handelte es sich um eine informative Monatsschrift, die zu den wichtigsten Periodika über die politischen Ereignisse des Nachbarlandes. Im Jahre 1805 stellten die Freunde das Erscheinen des Magazins aus Enttäuschung über die Machtpolitik Kaiser Napoléons ein.

Im Jahre 1811 war die Witwe Sievekings, er selbst verstarb bereits im Jahre 1799, auf Grund der wirtschaftlichen Einbußen durch die Kontinentalsperre gezwungen das Landgut Neumühlen aufzugeben. Er erwarb mit dem Erlös des Verkaufs zunächst das Landgut Teufelsbrücke und schließlich kaufte er im Jahre 1816 zusammen mit seinem Freund Voght ein Landgut in Flottbek. Nach dem Tode seiner Frau gab er das Flottbecker Landgut auf.

Am 06.01.1787 hatte Poel in Hamburg Friederike Elisabeth Büsch (1768-1821), die älteste Tochter des Professors  Büsch, geehelicht. Das Paar sollte im Laufe der 34jährigen Ehe 11 Kindern das Leben schenken.

Karl August Varnhagen von Ense beurteilte ihn »Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften« folgendermaßen:

Poel's anfängliche Laufbahn wie seine Kenntnisse und Talente mußten ihn zu einer großen öffentlichen Stellung und Wirksamkeit führen, hatte nicht ein starkes Übergewicht sittlichen Ernstes und prüfender Betrachtung ihn von raschem und glänzendem Handeln allzusehr abgezogen.

Das Beziehungsgeflecht von Pieter Poel erstreckte sich über ganz Europa. So war er Berater seines Vetters Peyron, seit 1792 schwedischer Ministerresident beim niedersächsischen Reichskreis in Hamburg, oder des Oberpräsidenten Blücher. Dieser entsandte Poel im Jahre 1813 zu Verhandlungen mit dem schwedischen Kronprinzen Karl. Poel übernahm auch die Leitung des Altonaer Instituts zur Unterstützung französischer Emigranten.

Nach zweitägiger Krankheit starb Friederike Elisabeth Poel am 18.10.1821. Vier Jahre später erkrankte seine ältere Schwester Magdalena Pauli schwer und Poel eilte nach Bückeburg um von der geliebten Schwester, mit der er eng verbunden war, Abschied zu nehmen. Doch als er Bückeburg erreichte war sie bereits verstorben.

Von nun an zog sich Poel ins private Leben zurück und beschränkte seinen Umgang auf seine an- und abwesenden Kinder. Von denen sieben das Kindesalter überlebten. Auch führte er noch mit Voght und dem dänischen Diplomaten Johann Georg Rist, der von 1815 bis 1834 in Altona lebte, freundschaftliche Beziehungen.

In dieser Zeit begann Pieter Poel auch mit der Aufzeichnung seiner Lebenserinnerungen. Diese deckten den Zeitraum bis zum Beginn der französischen Revolution ab. Diese Aufzeichnungen waren vom Verfasser nicht für die Veröffentlichung vorgesehen obwohl »einsichtsreiche Männer« ihn dazu aufgefordert hatten. Noch kurz vor seinem Tode im Jahre 1835 gab er jedoch einige Bruchstücke aus diesen Aufzeichnungen für die Öffentlichkeit frei indem er sie im »Altonaer Merkur« veröffentlichte. Auch publizierte er eine längere Abhandlung über die Wiederbesetzung Hamburgs durch die Franzosen im Jahre 1813. Diese Aufzeichnungen erschienen unter dem Titel »Hamburgs Untergang«. Sein Sohn Gustav (1804-1895) veröffentlichte einige Aufzeichnungen des Vaters unter den Titel »Lebensbilder aus vergangener Zeit«

Im Jahre 1836 ließen jedoch die Kräfte des alten Poel erkennbar nach. Pieter Poel starb am 03.10.1837 in seiner Wahlheimat Altona im Alter von 77 Jahren, 3 Monaten und 15 Tagen. Er wurde drei Tage später auf dem Nordfriedhof in Altona beigesetzt.

Sein Freund Rist wandte sich mit folgenden Worten an den ältesten Sohn:

Also hat das schöne Leben, das so viel Licht verbreitete, nun geendet. Wir fühlen, was wir verloren haben und nicht ersetzt werden kann; wir haben es gehabt, es lange besessen und es bleibt unser. Und ich mußte fern sein, konnte den treusten und teuersten meiner Freunde nicht mit Ihnen zum Grabe geleiten, konnte nicht Trost und Beruhigung geben und nehmen durch die Gegenwart, durch das Bewußtsein gleicher Gedanken und Empfindungen. Er hat seinen Freunden ein schönes Vorbild hinterlassen, den freien, frommen Sinn, den unerschöpflichen Quell von Wohlwollen und Liebe, die mich in so manchen Stunden meines Lebens erquickt, gehoben und gestärkt haben. Wie habe ich mich noch diesen Sommer gefreut an den unzweideutigen Zeichen des immer warmen Lebens, die von Zeit zu Zeit die Krankheit unterbrachen. Ich höre, sein Ende ist ein schönes und leichtes gewesen; die Leiche ein freundliches Bild.


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