Epistel an Herrn Professor Feder zu Würzburg.
(Im Mai 1789.)
Du sagst, mein Freund, es sei genug
Des Wanderns hier auf Erden:
Es möchte sonst der dreiste Krug,
Wenn er zu oft zum Bronnen geht,
Zuletzt zerbrochen werden.
Wer nicht den Gang der Welt versteht,
Der habe nichts zu hoffen.
Getroffen! Lieber Freund, getroffen!
Ich fühl es, daß die Wahrheit spricht,
Und dennoch – dennoch folg´ ich nicht.
Warum? – Da magst Du lange fragen:
Es zuckt in mir, ich weiß nicht was.
Oft hör´ ich die Vernunft mir sagen:
»Thu jenes, fliehe dies und das:
»Dann wirrst dubald mit Titeln prangen,
»Zu Fürstengunst und Gold gelangen,
»Wirst mächtig, und gefürchtet sein.«
Das seh´ ich denn ganz deutlich ein,
Und lass´ es doch beim Alten.
Wenn andre die Hände falten,
Mit tiefgesenkten Haupte gehen,
Gewissenhaft die Fasten halten,
Und Niemand die Augen sehn;
So pflegt Dein Freund mit offnen Vertrauen
Auf allen Seiten umzuschauen,
Erscheinet stäts mit heiterm Gesicht,
Und stehet fest, und krümmt sich nicht.
Dabei genießet er sein Leben,
Wozu es ihm der liebe Gott gegeben,
Und thut, und redet ungescheut,
Was Niemand schadet, und ihn freut.
Das führt nun freilich nicht zum Glücke,
Und hebt zu Aemtern nicht empor.
Da springt der Klügere ihm vor,
Und ewig bleibt dein Freund zurücke.
Indeß was nützet Ueberfluß,
Wenn ich, wie Hans der Seifensieder,
Mit dem Verluste meiner Lieder,
Und meiner Ruh´ ihn kaufen muß?
Wer wenig braucht, ist reich genug.
Mir schmeckt mein Brod auch ohne Schinken;
Und kann ich keinen Bleichart trinken,
So gnügt mir auch der Wasserkrug.
Was nützt´ es, wenn ich Türkenblut,
Champagnerwein, und Austern schlürfte,
Und doch dabei nicht schreiben dürfte?
Die Freiheit ist mein höchstes Gut.
Dem Fanatismus Hohn zu sprechen,
Der Dummheit Zepter zu zerbrechen,
Zu kämpfen für der Menschheit Recht,
Ha! das vermag kein Fürstenknecht.
Dazu gehören freie Seelen,
Die lieber Tod, als Heuchelei,
Und Armuth vor der Knechtschaft wählen,
Und wisse, daß von solchen Seelen
Die meine nicht die letzte sei!
Drum fort mit Deiner Bürgermeistertugend,
- Man nennet sie Bescheidenheit –
Die schickt sich nicht für meine Jugend,
Und muß sie kommen; nun – so ist´s noch lange Zeit.