Eulogius Schneider's ehemaligen Professors in Bonn etc. Schicksale in Frankreich.
von Christoph Friedrich Cotta
46.
Schneider hatte in seinem Gefängnisse Muße genug, über mancherlei nachzudenken. Dadurch entstand in ihm der Gedanke, seine Meinung über Robespierre und seine Mitgenossen zu eröffnen, und sie durch den Druck bekannt zu machen. Bei den letzten Correcturbogen kam die Sache ans Licht, und sogleich wurde allen Gefangenen das fernere Schreiben untersagt, und alle Gefängnisse noch weit strenger bewacht und vermauert. Schneider, und mit ihm noch fünfe, fanden diese Behandlung unausstehlich, und murrten laut darüber. Robespierre ließ sie aus der Abtei ins Force bringen, und nahm von diesem Zufalle den Stoff zu der Lüge, die er gegen Danton, Camile Dümulins, Hérault, Sechelles etc. gebrauchte, als wären in den Gefängnissen Verschwörungen gegen den Convent angezettelt worden, und als stünden die Verschworenen mit Danton und den übrigen mit ihm angeklagten Repräsentanten in genauester Verbindung.
Wenige Tage nachher ward Schneider vors Revolutionsgericht gebracht; um zehn Uhr führte man ihn dahin, und um eilf Uhr war er schon tod. Er verließ die Richter mit den Worten: »Ihr konntet den Feinden Frankreichs keinen größeren Gefallen thun, als daß ihr mich zum Tod verdammtet.«
Daß er sich auf dem Wege zur Guillotine altweibisch und, was weiß ich, wie verächtlich geberdet habe, ist eben so unrichtig, als manche andre Lüge mehr, die man von ihm verbreitet hat. Er starb am zwölften Germinal oder im März 1794. Die Verbrechen, die Fouquir Tainville der öffentliche Ankläger[1] von ihm bekannt machte, waren wörtlich die nämlichen, die das Departement und der Distrikt gegen ihn attestirt und angeklagt hatten.
Wir rücken die wörtliche Uebersetzung von Schneiders Todesurtheil hier ein:
Urtheil des Pariser Revolutionsgerichts gegen Eulogius Schneider etc.
vom 12ten Germinal im dritten Jahre
der einen und unzerteilbaren fränkischen Republik.Eulogius Schneider[2], sieben und dreißig Jahre alt, von Wipfeld gebürtig, deutscher Priester, bischöflicher Vikarius zu Strasburg, öffentlicher Ankläger beim peinlichen Gerichte des niederrheinischen Departements, dann bürgerlicher Commissarius bei der Revolutionsarmee des nämlichen Departements, ward angeklagt, durch Untreue in seinen Amtsgeschäften, durch Mißbrauch seines Ansehens und seiner Macht, durch Bedrückung der Patrioten, durch willkührliche Unternehmungen und Ungerechtigkeiten aller Art, sich gegen die Republik, gegen die Freiheit und Sicherheit des Frankenvolks verschworen zu haben.
Dieser teutsche Priester kam 1791 nach Frankreich, und ward sogleich ein getreuer Anhänger des Bösewichts Fr. Dietrich, damaligen Maire von Strasburg[3]. Nach seiner Ernennung um öffentlichen Ankläger gab er blos solchen Anklagen Gehör, die ihm von österreichischen Priestern, Adelichen und andern Ränkeschmieden zugetragen wurden. Das Departement war mit diesen Wesen überschwemmt; viele von ihnen hatten durch ihn Stellen erhalten; und er mordete blos, um sich mit den Gütern der Gemordeten zu bereichern[4].
Mehr als funfzigtausend Menschen hatten sich, um den Gewaltthätigkeiten dieses »Menschefressers und Blutsaugers« zu entgehen, aus dem Lande geflüchtet[5].
Der Angeklagte erkannte unter den unbedeutenden Vorwande: Selbstsucht, Nichteinquartierung, allzukleiner Kokarden, welche die Weibspersonen an den Köpfen trugen, Geldstrafen von fünf bis funfzig Livres. Er war sogar unverschämt genug, diese Geldstrafen sich zuzueignen[6].
Um einen seiner Kreaturen, Namens Funk[7], einen östreichischen Priester, zu verheirathen, und ihm sein Glück zu machen, ließ er die jungen Bürgerinnen des Cantons Barr für diesen Priester in Requisition setzen. Nach dem derselbe sich ein Mädchen ausgelesen hatte, verlangte er für die Verlobten eine Geldsammlung, und erklärte, man werde eine Liste der Geber machen, und die, welche nichts geben würden, vors Revolutionsgericht ziehen.
Eine junge reiche und liebenswürdie Bürgerin zog die Aufmerksamkeit des Angeklagten auf sich; um ein Uhr nachts sandte er bewafnete Leute ab, die in Begleitung eines Theils des Revolutionsgerichts zum Vater der Tochter kamen, und ihn hinterbrachten, der Angeklagt sey Willens, seine Tochter zur Gattin zu nehmen; er solle sie ihm daher ohne alle Weigerung verabfolgen lassen. So nöthigte der angeklagte den Vater, seine Tochter der Geilheit eines Fremden Preis zu geben[8].
Alle diese Thatsachen waren durch authentische Aktenstücke, deren Beweiskraft der Angeklagte, aller Mühe ohngeachtet, die er sich gab, nicht schwächen konnte, erwiesen.
Nach Anhörung des öffentlichen Anklägers und des gerichtlichen Vertheidigers wurden die Verhandlungen geschlossen, und das Gericht der Geschworenen gab auf die ihm darüber vorgelegten Fragen die einstimmige Erklärung dahin, daß 1) vom Anfange des Jahrs 1791 an, und insbesonders im Jahr 1793. Im Niederrheinischen Departement Anschläge gemacht wurden, um durch alle nur möglichen Mittel die Eintschlüsse der äussern und die Verschwörungsplane der innern Feindezu begünstigen, besonders aber dadurch, daß man die Treue der Burger gegen das ganze Frankenvolkwankend zu machen, und sie durch sträfliche, mit dem Gegenrevoluzzer Dietrich und mit den deutschen Priestern verabredete Anschläge gegen die rechtmäßigen Gewalten aufzuwiegeln suchte; ferner durch Erpressungen, unsittliche grausame Bedrückungen, und durch einen empörenden und blutrünstigen Mißbrauch des Namens und der Gewalt eines Revolutionscommissairs, die Patrioten unterdrückte, beraubte und mordete, und friedliche Familien um Ehre, Glück und Ruhe brachte. Das 2 Eulogius Schneider überwiesen sey, Urheber - - oder Mitschuldiger dieser Verbrechen zu seyn; - Endlich, nachdem der öffetnliche Ankläger über die Anhörung der Strafe war angehört wordern, verurtheilte das Gericht den Gesetzen gemäß, die sich auf diese Verbrechen beziehen, den Eulogius Schneider zur Todesstrafe, und erklärt sein Vermögen der Republik anheimgefallen.«
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Was die in dem Auszuge des Anklageaktes enthaltenen Thatsachenbetrift, heißt es in dem dritten Hefte des Tagebuches des Pariser Revolutionsgerrichtes Seite 75. - »so ist, wenn auch alles andre wahr wäre, wenigstens die Anklage falsch: daß er Dietrichs Mitschuldiger gewesen sey. Er war vielmehr einer seine wütendsten und schändlichsten Verfolger.
Die Schrift, die Schneider im Gefängnisse in der Abtei gegen Robespierre und Consorten zuletzt noch schrieb, führte den Titel: Aux hommes libres de tous les pays et de tous les siécles.Robespierre bekam Wind davon, und ließ sie noch vor ihrer Bekanntmachung unterdrücken, und einige Tage hernach ward Schneider mit noch einigen ins Force gebracht und kurz darauf zum Tode verurtheilt.
Vogt, damaliger Dollmetcher beim Pariser Revolutionsgerichte, betrieb Schneiders Prozeß mit der größten Leidenschaft. Er war Bösewicht genug, um die ihm von Strasburg aus verheißenen zwölf tausend Livres alles zu thun, um Schneider auf das Blutgerüst zu bringen. Auch war seine Freude am Tage, als Schneider zum Tod gebracht wurde, unbeschreiblich groß. Acht Tage hernach erhielt er die versprochene Summe. Der Schurke ist aus Kolmar, und hat während Robespierre's Regimente mehr als einen Unglücklichen auf die Blutbühne geliefert. Er stand mit Robespierre in den geheimsten Verkehr, und war Theilnehmer an allen blutigen Entschlüssen desselben. Ich melde dies alles deshalb von ihm, damit vielleicht einst auch Er noch seinen Lohn erhalte. Denn so viel mir wissend ist, war er lange nach Robespierre's Tode noch in völliger Freiheit. Seine Freunde hatten selbst oft darüber gestaunt, wie doch er, als einer der Hauptschuldigen von Robespierre Verbrechen am Leben sey.
[1] Ist mit mehreren seiner Mitschuldigen im Jahr 1795 in Frühling auch guillotinirt worden.
[2] Im französischen Texte ist immer Scheneider geschrieben.
[3] Das ganze hier folgende Urtheil ist blos das Werk der Feinde Eulogius Schneiders; und diese waren unverschämt genug, die sämtlichen Verbrechen, wie dieses: er sey mit Dietrich in Verbindung gestanden, vor dem ganzen, über die ganze Sache bestens unterrichteten Publikum theils zu erdichten, theils unwichtigere aufzumutzen. Das hier liegende Urtheil ist fast wörtlich das, was Monet, Teterel, St. Just und andre gegen ihn zusammen gedichtet hatten.
[4] Eine schöne Reihe von Lügen. Wahr ist: Schneider hatte verschiedene deutsche Priester ins Land berufen, und dies aus lauter Eifer für Frankreichs Freiheitssache, welche durch weniger fanatisch denkende und besser unterrichtete teutsche Priester im Elsaß verbreitet werden sollte. Die Herren Saint-Just etc. sahen in allen Deutschen nichts als Oestreicher. Ihre geographischen Kenntnisse reichten hierinn nicht weiter. Schneider habe eine Menge Adeliche um sich im Lande verbreitet. Man kennt seine Liebe zum Adel!! – Stellen vergab er nur dann, als selbst seine Feinde, Monet etc. im Klubb zu Strasburg darauf antrugen, die deutschen Priester, welche von allen und so willig ihr Priestergeschäft niedergelegt hätten, mit Aemtern zu versehen, und ihrem bekannten Patriotism mehr Gelegenheit zur Thätigkeit zu geben.
[5] Eine abscheuliche Unwahrheit. Diese Leute flohen mit den aus dem Elsasse abziehenden Oestreichern, aus Furcht vor der Rache der nacheilenden französischen Soldaten. Die Urheber dieser Lüge sagten wenige Tage, nachdem sie zu Strasburg sie bekannt gemacht hatten, in einer andern von Lacoste und Beaudot unterzeichneten Schrift, die sie im Betreff des neuen Revolutionsgerichts bekannt machten: daß die vielen, aus dem Lande geflüchteten Landsleute, Emigranten, Vaterlandsfeinde, Aristokraten seyen, und daß die zurückgebliebenen, als Freunde derselben, eben so sträflich wären, weil sie ihr baares Geld nicht gegen Assignaten ausliefern wollten.
[6] Abermal ganz falsch. Nicht er, sondern Clavel, ritt auf einem Pferde in den Strassen von Strasburg herum, und trieb dies Geschäft in Angesichte derer, die seine Handlung, so lächerlich und abgeschmackt sie war, täglich im Klubb billigten, und ihn noch mher zur Thätigkeit reizten, und wenige Tage hernach alles das als kopfverbrechen drucken ließen etc.
[7] Der französische Text hat Funck, aber ganz unrecht. Dieser Funk war aus dem Lüttichischen, nicht aus Oestreich. Er verheirathete sich ls vormaliger katholischer Priester zu Barr, als eben Schneider gegenwärtig war. Letzterer machte im Klubb dem Vorschlag, gutdenkende Patrioten möchten dem neuen Ehepaare einige Beisteuer zu ihrer neuen häuslichen Einrichtung reichen. Verschiedene Einwohner von Barr brachten dem neuen Ehepaare Geschenke an Gelde und hausgeräthe. Dies ist die ganze Sache; Funk ward deshalb ins Gefängnis geworfen, wo er im Sommer 1794 starb.
[8] Schneider schickte in der Nacht, die er mit verschiedenen seiner Bekannten in der Nähe von Baar zubrachte, einen Gensdarm mit einem Briefe an Stamm, dem Vater des Frauenzimmers, und ließ um seiner Tochter Hamd, freilich zu einer höchst unschicklichen Zeit, anhalten. Die Familie erschrack bei der Ansicht des Bothen sehr; weil sie schon vermutheten, er käme, sie inVerhaft zu nehmen. Sie willigten sogleich in das Begehren ein, wenn auch ihre Tochter sich dazu würde entschließen können. Schneider erschien Tags darauf selbst, und that nun selbst die ihn betreffende Anwerbung. Die Eltern freuten sich, ihn ihren Sohn nennen zu dürfen, und das Mädchen schien seine Hand mit aller Freude zu nehmen. Schneider kam durch das Dekret, die Priester möchten sich verheirathen, auf diesen jähen Entschluß, und so kam es, daß er, aufgemuntert von von seinen in jener Nacht ihn umgebenden Freunden, noch in jenerNacht den eben erzählten Antrag thun ließ. Er führte seine ihn liebende und hochschätzende Braut nach Strasburg, stellte sie seiner sehr betrübten Schwester und seinen Freunden vor, und ward in der Nacht darauf gegriffen und ins Gefängnis geschleppt. Seine Feinde konnten es nie dahin bringen, daß seine Gattin ein Zeugniß gegen ihn abgelegt hätte. Das ihm vortheilhafte schriftliche Zeutnis von ihrer Hand unterdrückten sie.