Louis-Antoine de Saint-Just

* 25.08.1767 in Decize/Nevers
† 28.07.1794 in Paris

Louis-Antoine de Saint-Just wurde am 25.08.1767 in Decize in der Nähe von Nevers geboren. Seine Vorfahren waren Bauern in der Picardie, einem sehr fruchtbaren Gebiet im Norden Frankreichs. Sein Vater Louis Jean Saint-Just de Richebourg, ein Hauptmann der königlichen Kavallerie, starb als der Knabe gerade einmal 10 Jahre alt war. Die Mutter Marie Anne de Saint-Just stammte aus dem Nivernais, einer waldreichen Region Ostfrankreichs.

Seine Kindheit und Jugend verbrachte Louis-Antoine de Saint-Just sowohl in Verneuil, Decize und Blérancourt im Département Aisne. Zwischen 1777 und 1785 erhielt er auf einem Internat der Orattorier in Soissons seine schulische Ausbildung. Zunächst fand er eine Anstellung als Gehilfe beim öffentlichen Ankläger von Soissons um dann an der Universität zu Reims ab Oktober 1787 sein Jurastudium zu starten. Er beendete das Studium bereits im April 1788 vorzeitig und kehrte ohne Abschluss in seine Vaterstadt zurück. Hier lebte er im Hause seiner Mutter ohne jedoch einer geregelten Beschäftigung nachzugehen.

Er interessierte sich sowohl für die römischen und griechischen Dichter und Denker. Vermutlich gaben sowohl Platons »Staat« als auch einige Biographien wie die von Lykurg, einen spartanischen Gesetzgeber, oder aber auch in Plutarchs Lebensbeschreibungen nach der Übersetzung von Jacques Amyot ihm erste republikanische Gedanken. Aber auch bei Montesquie, Rousseau konnten seine Gedankenwelt mit ihren unterschiedlichen Staatsbetrachtungen beeinflussen

Im Mai 1789 veröffentlichte der junge Mann seinen ersten Gedichtband unter den Titel »Organt«. Hierbei handelte es sich um ein Gedicht, das in zwanzig Gesängen satirische Lyrik, die die überkommenen politischen und philosophischen Ideale seiner Zeit verspottete, thematisierte. Hierfür machte er sich, mit dem Manuskript bewaffnet, nach Paris auf, doch in den gängigen Literaturzeitungen blieb es unerwähnt. Die einzige Ausnahme bildete Camile Desmoulins. Sein zweiter literarischer Versuch »Arlequin Diogène, ein einaktiges Theaterstück« war ein zeitgenössisches Schäferspiel, das vermutlich die Haltung des Autors zur Liebe »Die Liebe ist nichts als ein eitler Wunsch; einem großen Herzen bedeutet sie nichts« wiedergab. In diesen Werken zeigte sich ein junger Autor, der seinen Stil und Stoff noch suchte und die wenigen schlüpfrigen Stellen – die ihm zum Vorwurfe gemacht wurden- waren seinerzeit auch bei gesetzten Autoren üblich.

Bereits im Juni 1789 wurde das Epos »Organt« durch die königliche Zensur wegen Majestätsbeleidigung verboten und er versteckte sich bei Bekannten im vorrevolutionären Paris. Als am 14.07.1789 die Pariserinnen und Pariser die Bastille stürmten gehörte er zu den Beobachtern dieses Ereignisses. Er wagte sich Ende Juli wieder nach Blérancourt zurück, wo er sich schnell politisch im Sinne der neuen Regierungsform betätigte. Obwohl er noch sehr jung war, konnte er sich bei den angesehenen Persönlichkeiten seiner Gemeinde Ansehen und Respekt erwerben. So wurde er im Juni 1790 zum Oberstleutnant der Nationalgarde berufen. Am 23.09.1790 trat er erstmals in brieflichen Kontakt zu Maximilian de Robespierre, der ihn von nun an förderte.

Der populäre Nationalgardist Saint-Just wurde bei den Wahlen von 1791 für die Gemeinde Bréancourt in die Nationalversammlung gewählt. Die Wahl wurde jedoch von einem seiner Gegner angefochten, da der Gewählte noch zu jung war um ein Mandat wahrzunehmen und die Gemeinde hob den Wahlbeschluss – wenn auch widerwillig – auf. Im Jahre

Im gleichen Jahr verfasste er noch seine Schrift »Esprit de la Révolution et de la Constitution«. Hier verschrieb er auf 150 Seiten sowohl den Tugendenthusiasmus als auch dem kompromisslos-radikalen Republikanismus. In diesem Werk widmete er sich auf fünf Kapiteln der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Frankreichs. Hier waren radikale Ansätze, die er später in extremer Form lebte, erkennbar. So konnte er sich das Königstum als Regierungsform für Frankreich weiterhin vorstellen. Entgegen seiner ersten Publikationen entwickelte sich dieses Buch zu einem Erfolg, dessen erste Auflage unmittelbar vergriffen war. Bertrand Barère schrieb spatter in seinen Erinnerungen, dass das Werk von hellsichtigen Politikern in der Nationalversammlung geschätzt wurde. Es endete mit dem Schlusssatz:

Wenn alle Menschen frei sind, sind alle gleich; wenn sie gleich sind, sind sie gerecht.

1792 zog er für das Département Aisne in den Nationalkonvent und am 18.09.1792 nahm er seine Arbeit in Paris auf. Als er in Paris eintraf beschrieb die Tochter des ehemaligen Finanzministers Jacques Necker Madame de Staël ihn als einen jungen Mann von mädchenhaften Aussehen. Seine zarten Gesichtszüge waren von blonden herabfallenden Locken umrahmt. Ein lichtblauer Frack mit silbernen Knöpfen und seine gesamte Erscheinung ließen auf eine gute Herkunft schließen.

Seine ersten öffentlichen Auftritt hatte Saint-Just am 22.10.1792. Hier sprach er vor dem Jakobinerclub. Die Rede, die große Beachtung bei den Zuhörern fand, wurde auf Initiative Dantons gedruckt an die einzelnen Jakobinerclubs verteilt. Eine zweite Rede hielt der junge Abgeordnete am 13.11.1792 im Konvent. Hier sprach er sich für die Anklage des abgesetzten Königs Louis XVI. aus. Der Präsident des Nationalkonvents  Barère musste die Versammlung, die durch die Rede in stürmischen Beifall ausbrach, zur Ruhe ermahnen. Er rief den Abgeordneten zu, dass es nicht schicklich sei bei einer Trauerrede zu applaudieren. Einen Monat später setzte er sich in einer Rede für die Verbannung aller Bourbonen aus Frankreich ein. Unter den Nachhall dieser beiden Auftritte wurde er in den Jakobinerausschuss gewählt, der sich mit der Verfassungsfrage beschäftigte.

Als am 15.01.1793 im Konvent über das Schicksal des Königs entschieden wurde sprach sich Saint-Just für eine sofortige Hinrichtung des Monarchen aus, ohne Aufschub und Appelationsrecht. In seiner Begründung stützte er sich auf Rousseaus »Contrat social« wonach der König nicht durch ein Urteil des Gerichts sondern durch die gesetzgebende Versammlung verurteilt werden müsse. Als König stehe er schließlich außerhalb des »Contrat social«.

Nun wurde der begeisterungsfähige junge Mann damit betraut, die Moral in der Armee zu heben. So forcierte er, dass die Armeeführung der Volksautorität unterstellt werde und der Kriegsminister nur noch die Weisungen des Konvents umzusetzen habe. Ein weiterer Punkt seiner Armeereformen war die Wahl der Offiziere durch ihre Mannschaften.

Im April 1793 sprach der begeisterte Revolutionär mehrmals im Konvent über eine neue Verfassung. Im folgenden Monat wurde er zusammen mit Hérault de Séchelles und Georges Couthon dem Wohlfahrtsausschuss beigeordnet. Hier waren seine Aufgaben auf die Ausarbeitung einer neuen Verfassung gelegt, da die alte Verfassung von 1791 durch die Hinrichtung des Königs und die Ausrufung der Republik nicht mehr zeitgemäß war. Dieser Gesetzesentwurf wurde durch den Nationalkonvent angenommen und im Juni stimmte das französische Volk mit großer Mehrheit für den Verfassungsentwurf.

Auf Grund der eher dem kirchlichen Sprachgebrauch entstammenden Formulierungen des Verfassungstextes wurde diese im Volksmund als »Evangelium des Saint-Just« bespöttelt. Der neuen Verfassung war eine Tafel mit den im Jahre 1789 durch La Fayette verfassten Menschenrechte vorangestellt. Die Verfassung des Jahres I wurde jedoch schon kurz nach ihrer Annahme durch das Volk vom Nationalkonvent auf Grund der politischen Lage Frankreichs ausgesetzt. So befürchtete man einen Missbrauch der verfassungsmäßig garantierten Freiheiten. Erst mit Friedensschluss sollte die Verfassung wieder in Kraft gesetzt werden, doch dies wurde durch die neue Verfassung von 1795 verhindert.

Im April 1793 wurde Louis-Antoine de Saint-Just zusammen mit seinen Freund Philippe-François-Joseph Le Bas in den Wohlfahrtsausschuss berufen. Im Oktober begaben sich die Freunde in den Elsass um dort die blutige Herrschaft des Terrors einzuführen. So wurde die Guillotine zu einem permanenten Mittel der von ihm geleiteten Volkskommission. Durch die Massenhinrichtungen konnte er auf der anderen Seite jedoch die Disziplin innerhalb der Armee wiederherstellen und letztlich schufen beide Revolutionäre die Grundlagen für den späteren Sieg der revolutionären Armee gegen Österreich bei Fleures.

In den Monaten, die er dem Wohlfahrtsausschuss angehörte arbeitete er aktiv an der Bekämpfung der Girondisten und Hébertisten. Die ersteren wurden am 31.10.1793 entmachtet und die letztere Gruppe folge am 24.03. des folgenden Jahres.

Er forderte von seinem Gönner und Freund Robespierre auch die Bekämpfung der Parteigänger Dantons. Hierbei trug der Benjamin im Wohlfahrtsausschuss seinen beinahe religiösen Fanatismus zur Schau. Dies führte zu einer Auseinandersetzung zwischen Saint-Just und Desmoulins zu folgenden Dialog.

Desmoulins: Er trägt seinen Kopf wie ein Heiliges Sakrament.

Saint-Just: Und ich werde dafür sorgen, dass er seinen wie der heilige Dionysius trägt.

Im April 1794 reiste Saint-Just erneut zur Nordarmee und trieb die Soldaten und Offiziere zu den Siegen bei Charleroi und Fleurus. Die Generalität motivierte er mit der Alternative eines Sieges oder der Verurteilung durch das gefürchtete Bluttribunal des Wohlfahrtsausschusses im fernen Paris. Hier zeigte sich auch wieder seine Radikalität, die sich in folgender Aussage wiederspiegelte:

Nicht die Gefängnisse haben überfüllt zu sein, sondern die Friedhöfe!

Nach dem Sieg von Fleures gehörte er zusammen mit Robespierre und Couthon zum sogenannten Triumvirat. Im Juni 1794 drückte er gegen den Widerstand des Konvents die sogenannten Prairial-Gesetze durch, die die Vorrechte der Abgeordneten aufhob. So genossen sie keine Immunität und konnten jederzeit vor das Tribunal geführt werden. Saint-Just weigerte sich jedoch diese Gesetze in den Konvent einzubringen. Seinen Widerstand begründete er mit

Man kann kein hartes Gesetz vorschlagen, dessen sich nicht nach Laune und Leidenschaft Ränkespiel, Verbrechen und und Raserei bemächtigen, um daraus ein Werkzeug des Todes zu machen.

So wurde das Gesetz auf Bitten Robespierres durch Couthon in das Parlament eingebracht.

Als Saint-Justs Gönner Maximilian de Robespierre den drohenden Aufstand des Nationalkonvents gegen das bestehende Regime nicht mehr wegleugnen konnte, holte man den bei der Nordarmee weilenden jungen Mann zurück nach Paris. Er sollte an jenen schicksalshaften 8. Thermidor seine Rede an den Konvent – im gregorianischen Kalender 26.07.1794 – im Anschluss an Robespierre halten. Dieser hatte zunächst eine sehr kompromisslose Rede gehalten und Saint-Justs Ansprache an die Abgeordneten sollte durch einen kompromissbereiten Tenor geprägt sein. Doch durch den Aufschrei der Abgeordneten gingen seine Worte im Lärm der Versammlung unter. Seine Rede begann mit den Worten:

Ich gehöre keiner Partei an. Ich werde sie alle bekämpfen.

Noch im Konvent wurden Robespierre und seine Freunde verhaftet und zum Tode durch die Guillotine verurteilt. Gemeinsam mit Robespierre und 21 Freunden fand er am 28.07.1794 den Tod unter der Guillotine.

Werke:

  • Esprit de la revolution et de la constitution de France, Verlag Beuvin, Paris 1791
  • Fragmens sur les institutions republicaines, Verlag Techener, Paris 1831
  • Œuvres completes, Verlag Gallimard, Paris 2004

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