Denkschrift über die Hinrichtung des Kämmerers Carl Friedrich Schulz und des Kaufmanns Carl Friedrich Kersten durch die Franzosen in Kyritz am 8. April 1807
Anhang
[TEXT]
B.
Große Armee
Generals Gouvernement von Berlin.
Urtheil,
abgefasset durch die laut den Kaiserlichen Decreten vom 3. November und 22. December 1806 errichtete Special-Militair-Commission.
Auf Befehl des Kaisers und Königs.
Napoleon, durch Gottes Gnade und durch die Constitution der Republik, Kaiser der Franzosen und König von Italien, Unsern gnädigen Gruß zuvor.
Am heutigen Tage, den 7. April 1807, Abends 6 Uhr, hat sich die laut den Kaiserlichen Decreten vom 3. November und 22. December 1806, errichtete Special-Militair-Commission versammlet, welche auf Befehl Seiner Excellenz des Herrn Divisions-Generals Clarke , General-Gouverneur von Berlin, aus folgenden Mitgliedern bestellt worden ist: Herr Le Preux, Adjudant-Commandant, Präsident, Regnard und Le Clerc, Escadrons-Chefs der Kaiserlichen Gensd’armerie, Lefrère, Lieutenant im 44sten Linien-Infanterie-Regiment, Laudevoisin, Lieutenant im Kaiserlichen Artillerie-Corps, Herr Le Frère, vom Präsidenten zum Rapporteur bestellt, und die Function als Commissair des Gouvernements versehend, sämmtlich ernannt durch Seine Excellenz den Divisions-General Clarke, General-Gouverneur von Berlin, im Beistand des Herrn Letu, als dazu vom Rapporteur ernannten Gerichtsschreibers, welche zufolge der Artikel 7 und 8 des Gesetzes vom 13. Brumaire Jahr 5, weder unter sich, noch mit den Angeklagten auf denen durch die Constitution verbotenen Graden verwandt sind.
Die Commission versammelte sich auf Befehl des Präsidenten auf dem Rathhause der Stadt Kyritz, um nachbenannte Angeklagte zu richten:
- Karl Friedrich Kersten, 25 Jahre alt, zu Neu-Ruppin geboren, und etablirter Kaufmann zu Kyritz, beschuldiget mit den Räubern, welche den 31sten März in die Stadt gedrungen waren, im Einverständniß gewesen zu sein, und den Diebstahl von 1500 Rthlrn., welcher an dem in seinem Hause im Quartier gelegenen Herrn Hirsch, Lieferant der großen Armee, verübt worden ist, begünstiget zu haben.
- Johann Carl Friedrich Schulz, Bürgermeister der Stadt Kyritz, 36 Jahre alt, geboren und wohnhaft zu Kyritz.
- Johann Wilhelm Valentin Schrader, gleichfals Bürgermeister daselb st, 34 Jahre alt, geboren zu Barnewitz bei Brandenburg, und wohnhaft zu Kyriz.
- Friedrich Wilhelm Krüger, ebenfalls Bürgermeister der gedachten Stadt, 53 Jahre alt, geboren und wohnhaft zu Kyritz.
Diese drei Bürgermeister find beschuldigt, mit denen am 31sten März dort eingedrungenen Räubern im Einver ständniß gewesen zu sein, und nicht alle Maaßregeln, welche ihre Pflicht ihnen vorschrieb, ergriffen zu haben, um sich dem Eindringen der Räuber zu widersetzen und den von selbigen begangenen Diebstahl zu hintertreiben.
- Fischer, Unterofficier im Kürassier-Regiment von Beeren zu Kyritz wohnhaft.
- Carl Friedrich Treu, Kürassier in eben diesem Regiment, gleichfalls in Kyritz ansäßig, beide Kriegsgefangene, und beschuldigt, daß sie den 31sten des Abends, da die Räuber einfielen, die Gesinnung geäußert haben, sich mit ihnen zu vereinigen, und durch ihre Reden die öffentliche Sicherheit gefährdet zu haben, beide aber find contumacirt.
Nachdem die Sizung eröffnet war, ließ der Präsident durch den Gerichtsschreiber die beiden vorgedachten Decrete bringen, und sie vor sich auf dem Gerichtstisch niederlegen, worauf derselbe den Rapporteur aufgefordert hat, die vier Instructions-Protocolle und Actenstücke, welche für und wider die Angeklagten abgefaßt waren, vorzulesen. Nachdem dieses beendigt war, wurden auf Befehl des Präsidenten die Angeklagten durch die Wache frei und ohne Ketten, eingeführt. Den Angeklagten wurden hierauf, in Gegenwart des Klägers, der ebenfalls öffentlich verhört wurde, die Klagepuncte vorgehalten und sie darüber durch den Präsidenten vernommen.
Nach gehaltenem Vortrag des Rapporteurs, und nachdem die Angeklagten erklärt hatten, nichts mehr zu ihrer Vertheidigung zusetzen zu können, befragte der Präsident die Mitglieder der Commission, ob sie hierüber etwas zu bemerken hätten? auf ihre verneinende Antwort, und bevor die Stimmensammlung geschah, befahl der Präsident den Beklagten, sich zu entfernen, worauf sie durch die Wache nach ihrem Gefängniß zurückgebracht wurden. Der Gerichtsschreiber und die Zuhörer zogen sich ebenfalls aus der Gerichtsstube zurück. Da die Commission nunmehr bei verschlossenen Thüren und bloß in Gegenwart des Gouvernements-Commissairs ihre Berathschlagung hielt, so stellte der Präsident folgende Fragen auf:
Der vorgenannte Carl Friedrich Kersten, bei welchem Herr Hirsch, Lieferant der Französischen Armee in dem Augenblick, wo ihm die 1500 Rthlr. durch bewaffnete Räuber, welche sich für Leute des Partheigänger Schill ausgaben, gestohlen wurden, wohnte, und in dessen Behaupung der Diebstahl geschehen ist, des Einverständnisses mit den Räubern beschuldigt, ist er schuldig? Zufolge der Stimmensammlung, welche in der Ordnung geschahe, daß die untersten Grade die ihrigen zuerst und der Präsident die seinige zuletzt gab; erklärte die Militair-Commission den Carl Friedrich Kersten einstimmig für schuldig.
Der vorgenannte Carl Friedrich Schulz beschuldigt, des Einverständnisses mit denen am 31. März eingedrungenen Räubern, so wie auch daß er bei deren Eindringen und Begehung des Diebstahls nicht diejenigen Maaßregeln ergriffen, welche seine Stelle als Bürgermeister ihm zur Pflicht machte, ist er schuldig? Zufolge der in oberwähnter Art geschehenen Stiinmensammlung erklärte die Militair-Commission den vorgenannten Carl Friedrich Schulz ein stimmig für schuldig.
Der vorgenannte Johann Valentin Wilhelm Schrader, 1ster Bürgermeister, beschuldigt, des Einverständnisses mit denen am 31. März eingedrungenen Räubern, sowie auch daß er bei deren Eindringen und Begehung des Diebstahls nicht diejenigen Maaßregeln ergriffen, welche seine Stelle als Bürgermeister ihm zur Pflicht machte, ist er schuldig? Zufolge der in oberwähnter Art geschehenen Stimmensammlung erklärte die Militair-Commission mit einer Stimmenmehrheit von dreistimmen auf fünf den Johann Wilhelm Valentin Schrader für unschuldig.
Der vorgenannte Friedrich Wilhelm Krüger beschuldigt, des Einverständnisses mit denen am 31. März eingedrungenent Räubern, sowie auch daß er bei dem Eindringen und Begehung des Diebstahls nicht diejenigen Maaßregeln ergriffen, welche seine Stelle als Bürgermeister ihin zur Pflicht machte, ist er schuldig? Zufolge der in oberwähnter Art geschehenen Stimmensammlung erklärte die Militair-Commission den Friedrich Wilhelm Krüger einstimmig für unschuldig.
Der vorgenannte und bezeichnete entwichene Fischer beschuldigt, beim Eindringen der Räuber die Gesinnung geäußert zu haben, sich mit ihnen zu vereinigen, und durch seine Reden die öffentliche Sicherheit gefährdet zu haben, ist er schuldig? Zufolge der in oberwähnter Art geschehenen Stimmensammlung, erklärte die Militair-Commission den Fischer für schuldig.
Der genannte und bezeichnete Carl Friedrich Treu beschuldigt, beim Eindringen der Räuber die Gesinnung geäußert zu haben, sich mit ihnen zu vereinigen, und durch seine Reden, die öffentliche Sicherheit gefährdet zu haben, ist er schuldig? Bei aufs neue in oberwähnter Art geschehenen Stimmensammlung, erklärte die Militair-Commission den Carl Friedrich Treu für schuldig.
Worauf Herr Lefrère, Mitglied der Commission, in seiner Eigenschaft als Commissair des Gouvernements das Verlangen anbrachte, daß die Strafe angewandt werden möchte, weshalb die Stimmen nochmals in vorgedachter Ordnung gesammelt wurden. Die Militair-Commission, um jenem Verlangen sein Recht wiederfahren zu lassen, erkennet einstimmig den mehrgenannten:
- Carl Friedrich Kersten, Kaufmann, groß ein Metrum 544 Millemeter, mit kastanienbraunen Haaren und Augenbraunen, blauen Augen, vor stehender Stirn, langer, spitzer Nase, mittlerem Mund, ein Grübchen im Kinn, und länglichem Gesicht.
- Johann Carl Friedrich Schulz, Bürgermeister von Kyritz, groß ein Metrum 652 Millemeter, mit blonden Haaren und Augenbraunen, blauen Augen, breiter Nase, mittlerem Mund, ein Grübchen im Kinn, und langlichem Gesicht.
- Fischer, Unterofficier im Regiment von Beeren.
- Carl Friedrich Treu, Soldat in dem selben Regiment, beide contumacirt,
die Todesstrafe zu, zufolge des 5. Artikels des Gesetzes vom 29. Nivore Jahr 6, welcher al so abgefaßt ist.
»Es sollen auch diejenigen durch ein Kriegsgericht gerichtet, und zum Tode verurtheilt werden, welche in einer Anzahl von mehr als 2 Personen, selbst ohne Einbruch in das Haus eines Bürgers gedrungen, und darin einen Raub mit Gewaltthätigkeit gegen Personen verübt, oder zu verüben gesucht haben. Dieses ist auch auf ihre Gehülfen, Anstifter und Beförderer anwendbar,«
Die Militair-Commission erklärt, daß die benannten 1. Johann Wilhelm Valentin Schrader, erster Bürgermeister, und 2. Friedrich Krüger, von der gegen sie gerichteten Anklage freigesprochen sind, zufolge der Artikel 31 und 37. des Gesetzes vom 13. Brumaire Jahr 5, worin es heißt: »Art. 31. In dem Fall daß 3 Mitglieder des Conseils den Angeklagten freigesprochen, soll er sofort in Freiheit gesetzt werden, und seinen Dienst wieder antreten.«, «Art. 37. Zufolge des im 31. Artikel bestimmten Falls, soll das Protocoll durch Loslassung oder Freisprechung des Beschuldigten ge schlossen sein, und ist daher die Loslassung der Beschuldigten beschlossen und unterzeichnet worden.
Die Militair-Commission verurtheilt ferner die Stadt Kyritz, wo der Diebstahl geschehen ist, zum Ersatz der gestohlnen Summe zu Tragung der Gerichts- und Reisekosten der gedachten Commission, welches zu sammen 2000 Rthlr. Preußisch Geld beträgt. Die Militair-Commission befiehlt überdem, daß dieses Urtheil zu 500 Exemplaren in Französischer und Deutscher Sprache abgedruckt, angeschlagen und vertheilt werden soll. Befiehlt ferner dem Rapporteur gegenwärtiges Urtheil den Beklagten sogleich in Gegenwart, der hierzu unter den Waffen versammelten Wache vorzulesen, und gedachtes Urtheil nach seinem ganzen Inhalt vollziehen zu lassen. Auch wird dem Präsidenten und dem Rapporteur aufgegeben, in dem durch den 39. Artikel des Gesetzes vom 13. Brumaire bestimmten Zeitraum sowohl dem Kriegesminister als auch dem Divisions- General-Gouverneur von Berlin, jedem eine Ausfertigung so schnell wie möglich zukommen zu lassen.
Geschehen, beschlossen und geurtheilt ohne von der Stelle zu weichen in der öffentlichen Sitzung zu Kyritz, den 8. April des Morgens um 2 uhr im Jahr 1807, und haben die Mitglieder der Commission mit dein Rapporteur und Gerichtsschreiber das Protokold des Urtheils unterzeichnet.
(Unterzeichnet):
Le Frère. Ach. Laudevoisin. Regnard. Le Clerc.
Le Preux, Präsident, und Letü, Gerichtsschreiber.
Le Frère, die Function als Rapporteur versehend.
Letü, Gerichtsschreiber.