Briefe auf einer Reise durch Deutschland und der Schweiz im Sommer 1808.

von Charlotte von Ahlefeld.

Dreizehnter Brief

Bern, den 23. Juli.

Unter beständigen Regen haben wir die Reise von Solothurn hierher zurück gelegt. Die ganze Ferne war durch das trübe Wetter wie mit einem Mantel bedeckt, und gieng für uns verlohren. Außen vor dem Berner Stadtthor bemerkte ich ein Monumnet, von jungen Akazienbäumen umpflanzt und hörte, daß es einem jungen Schweizeroffizier gesetzt sey, der im Kampf für die Freiheit 1798 hier erlag.

Heute Morgen giengen wir auf die Platteform von dem Münster, wo man nach drei Seiten hin herrliche Aussichten hat. Die Aar wälzt ihre grünen Wellen durch das schöne Thal, das man übersieht, und das durch unzählige kleine Landhäuser, von mahlerischen Baumgruppen umringt, ein sehr lachendes Tableau darstellt. Nach einer anderen Richtung sieht man in großer Deutlichkeit die Schneegebirge mit ihrem ewigen Winter im Sonnenscheine glänzen. Die Abstufungen, von ihrem starren Eis bis zu dem frischen Grün unserer nächsten Umgebungen, gewährten dem Auge ein reizendes unübertreffliches Farbenspiel durch den leisen Duft der Ferne, der jeden Berg und jeden Hügel einzeln und anders bezeichnete, hervor hob. Von der Platteform giengen wir auf den Graben, wo die Aussicht auch schön, aber einförmiger ist, und zuletzt auf den Wall, wo wir wieder die Gletscher mit ihren blendenden Häuptern sich rein und klar ins Blau des Himmels erheben sahen.

Nachmittags hohlte uns Professor F. ab, die Naturaliensammlung zu sehn. Wir standen hier mehrere Gegenden der Schweiz in hautrelief dargestellt. Wohl verdienen diese Arten von Nachbildungen wegen ihrer Genauigkeit Bewunderung, denn ohnstreitig vermögen sie den Reisenden besser und sicherer zu leiten, als eine flache Landkarte, sey sie auch noch so gut gezeichnet. Aber einen eigentlichen Genuß geben sie dem Beschauenden nicht. Weit mehr interesirten mich die vielfältigen Alpenvögel von dem mächtigen Lämmergeier und Alpenadler an, bis auf die kleine, zierliche Ohreule, und noch tiefer herunter. Auch ausgestopfte Gemsen und Steinböcke sah ich hier mit um so größerem Vergnügen, da sie mir wohl schwerlich in der Wirklichkeit begegnen werden.

Wir besahen alsdann die Biblithek; doch unser flüchtiger Durchgang konnte uns nur ein sehr elegantes und sauberes Lokale, und nichts von den litterarischen Schätzen zeigen, die es enthält. Zuletzt giengen wir zu einem Kunsthändler, wo ich viele Schweizergegenden und Trachten sah, und mir eine Sammlung schweizerischer Volkslieder kaufte.


Letzte Änderung der Seite: 06. 03. 2021 - 00:03