Leopold Zunz

* 01.08.1794 in Detmold
† 17.03.1886 in Berlin

Leopold Zunz wurde am 10.08.1794 im westfälischen Detmold als Sohn eines Lehrers geboren. Da der Vater Mendl Emanuel (1761-1802) im folgenden Jahr eine Anstellung als Lehrer in Hamburg fand. Als der Vater diese Stellung aus finanziellen Gründen aufgeben musste und als Spezereihändler seinen Lebensunterhalt fristete.

Seine erste Schulausbildung erhielt der junge Zunz durch seinen Vater im elterlichen Haus. Über jene ersten Jahre schrieb er später:

Als ich fünf Jahre alt war, sang ich Draur Jikro auswendig, begann ich den Talmud. Bei meinem Vater lernte ich hebr. Grammatik, Pentateuch und jüdisch Schreiben. Zu den ältesten Melodien, die sich mir einprägten, gehört die der Marseillaise. Die ersten Bildnisse, deren ich mich erinnere, waren die in unserer Wohnstube hängenden von Bonaparte, Nelson und Suwarow. Ich war vier bis fünf Jahre alt, als ich die Schule eines Barbiers in der Peterstraße besuchte; er hieß Löwe. Dort saßen Kinder beiderlei Geschlechts. Dann kam ich in die Schule unseres Nachbarn Moses, bis gegen Ende 1801. Eine Woche lang unterrichtete ein Polak mich in Talmud. Etwas über 18 Monate, bis Frühling 1803, ging ich zu R. Pelta. Hierauf ein Vierteljahr bis zum 31. Mai zu Joseph Tiktin wo ich Traktat Kidduschin lernte. Eine kurze Zeit unterrichtete mich, 1802-3, der Schreiblehrer Wolf aus Polen, der sich späterhin taufen ließ und als Buchhändler Berendson in Hamburg lebte.

Ein Jahr nach dem Tode des Vaters, welcher am 03.07.1802 starb, besuchte er die Sansonsche Freischule in Wolfenbüttel. In späteren Jahren blickte er auf die ersten Jahre in Wolfenbüttel voller Wut und Bitterkeit zurück. Bis zum Amtsantritt des langjährigen Schulleiters Samuel Meyer Ehrenburg im Jahre 1807 hatte er überwiegend nur hebräischen Sprachunterricht und Talmudstudien. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er auch noch kein deutschsprachiges Buch gelesen.

Mit dem neuen Lehrer kam ein Anhänger der jüdischen Aufklärung an die Schule, der auch Wert auf eine umfassende Bildung der Schülerinnen und Schüler legte. Das hatte natürlich auch zur Folge, dass sich das gesamte schulische Leben veränderte.

Nachdem im Jahre 1807 mit Ehrenburg ein neuer Rektor an die Schule kam, änderte sich viel und schon zwei Jahre später war er der erste jüdische Schüler am Wolfenbütteler Gymnasium, dies war jedoch nur durch eine intensive Förderung durch seinen neuen Lehrer und Freund Ehrenburg möglich. In jener Zeit entstand auch eine langjährige Freundschaft mit seinem Mitschüler Isaak Markus Jost befreundet.

Im Jahre 1809, seine Mutter Hendel Behrens  (1773-1809) starb im Alter von nur 36 Jahren, verließ er die Sansonsche Schule um als erster Jude an das Wolfenbütteler Gymnasium zu wechseln, dass er im Jahre 1811 mit dem Zeugnis der Reife verließ. Seinen Lebensunterhalt verdiente er in dieser Zeit als Hilfslehrer an der Freischule. Doch erst im September 1815 gelang es ihm Wolfenbüttel zu verlassen.

Ab 1815 besuchte er die im Jahre 1810 gegründete Universität zu Berlin. Dort studierte er Philosophie, Philologie und Geschichte. Zusammen mit seinem alten Schulfreund Isaak Markus Jost gründete er im Jahre 1816 den jüdischen Wissenschaftszirkel. Anno 1818 veröffentlichte Zunz seine Schrift »Etwas über die rabbinische Literatur«. Diese Schrift brachte ihm den Ruf als Begründer der modernen Wissenschaft des Judentums zu sein.

Bereits 1819 gehörte Zunz u.a. mit Eduard Gans zu den Mitbegründern des »Vereins für Kultur und Wissenschaft der Juden«. Gans, Moses Moser und er traten im Jahre 1820 in die »Gesellschaft der Freunde« ein. 1823 gab er als Redakteur die »Zeitschrift für die Wissenschaft des Judentums« heraus und wurde in der Folge auch zu einem ihrer wichtigsten Autoren. Da die Zeitschrift jedoch keine große Leserschaft gewinnen konnte, wurde sie bereits nach drei Ausgaben wieder eingestellt. Insgesamt waren die Auswirkungen dieses Vereins nicht religiöser Natur, sondern auf wissenschaftlichen Gebiete. Zunz selbst hielt sich vom aktiven Reformjudentum entfernt und verschrieb sich eher der Wissenschaft.

Im Jahre 1820 begann Zunz als Prediger in der Beer-Synagoge, einer Berliner Reformgemeinde, zu predigen. Da er doch mehr und mehr auf das Unverständnis seiner Gemeindemitglieder stieß, gab er diese Stellung bereits im Jahre 1822 wieder auf. In jener Zeit hielt er mehr als 60 Predigten überzeugten auf der einen Seite durch ihren Aufbau aber auch durch eine große stilistische und inhaltlichen Nähe zu christlichen Theologen wie Reinhard (1753-1812), Dräseke (1774-1849) oder Friedrich Schleiermacher (1768-1834). Sowohl Zunz als auch die christlichen Theologen verorteten die Religion in den Geist und standen für eine reine innerliche Religion.

Seine Habilitationsschrift »Etwas über die rabbinische Literattur. Nebst Nachrichten über ein altes bis jetzt ungedrucktes hebräisches Werk« verteidigte Zunz erfolgreich an der Universität zu Halle. Hierbei handelte es sich um Shemtov ibn Falaqera und dessen unveröffentlichter Schrift »Sefer ha-Ma'alot«, was auf Deutsch so viel bedeutet wie »Buch der Stufen«.

Nach seiner Promotion verdiente Zunz sich zwischen 1824 und 1831 als Redaktionsmitglied der »Haude- und Sperreschen Zeitung« in Berlin seinem Lebensunterhalt. Zwischen 1826 und 1830 war er auch noch Direktor einer jüdischen Grundschule. Da er jedoch notwendige Reformen nicht durchsetzen konnte, gab er diese Anstellung - wie seinerzeit die Predigerstelle - auf.

1832 veröffentlichte Zunz ein Werk über die Entwicklung der israelitischen Bibelauslegung und deren Entwicklung von den frühesten Tagen bis in die Zeit von Leopold Zunz. Das Werk erschien unter dem Titel »Gottesdienstliche Vorträge der Juden«. Insgesamt galt dieses durch die Regierung zensierte Werk als bedeutendstes jüdisches Werk des 19. Jahrhunderts. Im Vorwort forderte, der an sich auch nicht politisch unbeteiligte Zunz, die deutsche Staatsbürgerschaft für Juden und die institutionelle Gleichbehandlung der jüdischen Wissenschaften.

Zunz leitete ab dem Jahre 1839 auch eine Gruppe von Wissenschaftlern an, die unter dem Titel »Die vier und zwanzig Bücher der Heiligen Schrift. Nach den masoretischen Texte« herausgab. Neben ihm gehörten Heymann Arnheim (1796-1865) aus Glogau, Rabbiner Dr. Michael Sachs (1808-1864) aus Prag und der Leipziger Orientalist Dr. Julius Fürst (1805-1873) an. Das Werk erschien bis zum Jahre 1904 in der 15.Auflage.1995 wurde es mit neuer Typographie nochmals neu herausgegeben.

Zwischen 1840 und 1850 stand der Gelehrte Leopold Zunz ein jüdisches Lehrerseminar und gab im Jahre 1850 dieses Amt wieder auf. Auch hier, wie seinerzeit bei der Aufgabe der Predigerstelle gelang es ihm nicht notwendige Reformen durchzusetzen. Eine entsprechende Pension wurde ihm bewilligt.

In jener Zeit schrieb der in der französischen Hauptstadt Paris lebende Düsseldorfer Dichter Heinrich Heine über den Charakter von Zunz und an ihm selbst folgende Zeilen:

[…] als einen  vortrefflichen Mann, der in einer schwankenden Übergangsperiode immer wieder die unerschütterlichste Unwandelbarkeit offenbarte, trotz seinem Scharfsinn, seiner Sepsis, seiner Gelehrsamkeit dennoch treu blieb dem selbstgegebenen Worte, der großmütigen Grille seiner Seele. Mann der Rede und der Tat, hat er geschaffen und gewirkt, wo andere träumten und mutlos hinsanken.

Während der Revolution von 1848/49 wurde der Wissenschaftler mehrmals zum Wahlmann für die Parlamentswahlen gewählt. Zugleich war er auch Vorsitzender eines Berliner Volksvereins.

Anlässlich seines 70.Geburtstages im Jahre 1864 wurde dem angesehenen und vielgeschätzten Wissenschaftler eine besondere Ehre erwiesen. Schon zu Lebzeiten wurde die Zunz Stiftung durch Freunde, Weggefährten und Schüler gegründet, die noch heute im Sinne des Namensgebers wirkt.

Nach dem Tode seiner Frau Adelheid Beer im Jahre 1874 zog sich Leopold Zunz aus der Öffentlichkeit zurück und lebte bis zu seinem Tode am 17.03.1886 in Berlin. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee

Werke:

  • Etwas über die rabbinische Literatur. Nebst Nachrichten über ein altes bis jetzt ungedrucktes hebräisches Werk, 1818
  • Erweckung zum Fortschreiten, eine Predigt, 1820
  • Predigten, gehalten in der neuen Israelitischen Synagoge in Berlin, 1823
  • Erinnerungslied nach der Melodie des Preussischen Volksgesanges, 1819
  • Rede, gehalten bei der Feier von Moses Mendelssohns hundertjährigem Geburtstage, den 12.Juli oder 10.Sept.1829 zu Berlin, 1829
  • Beleuchtung der Theorie du Judaisme des Abbé Chiatini, 1830
  • Die gottesdienstlichen Vorträge der Juden, historisch entwickelt.Ein Beitrag zur Althertumskunde und biblischen Kritik, zur Literatur- und Religionsgeschichte, 1832
  • Namen der Juden. Eine geschichtliche Untersuchung, 1837
  • Zeittafel über die gesammte heilige Schrift, 1839
  • Vortrag zur Feier der Huldigung Seiner Majestät des Königs Friedrich Wilhelm IV., 1840
  • Zur Geschichte und Litteratur, 1845
  • Den Hinterbliebenen der Märzhelden Berlins. Ein Wort des Trostes., 1848
  • Die Prinzipien der Demokratie., 1849
  • Die Vorschriften über Eidesleistungen der Juden., 1859
  • Sterbetage., 1864
  • Die hebräischen Handschriften in Italien., 1864
  • Litteraturgeschichte der synagogalen Poesie. Nebst Nachtrag., 1865
  • Die synagogale Poesie des Mittelalters., 1855
  • Der Ritus des synagogalen Gottesdienstes, geschichtlich entwickelt., 1859
  • Festrede zur Jubelfeier des Herrn L. Lewandowski am 13.Dezember 1865., 1865
  • Israels gottesdienstliche Poesie., 1870
  • Die Monatstage des Kalenderjahres. Ein Andenken an die Hingeschiedenen., 1872

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