Jean-Sylvain Bailley
* 15.09.1736 in Paris
† 12.11.1793 in Paris
Jean Sylvain Bailly wurde am 15.09.1736 in Paris geboren. Sein Vater war Maler und bekleidete die Ämter des »Reintres du Roi« und des »Gardes des tableaux de la Couronne«. Bailly hingegen brach bereits in sehr jungen Jahren aus der Familientradition aus und widmete sich einer künstlerischen Laufbahn. Zunächst malte und schrieb der junge Mann Tragödien.
Durch seine Bekanntschaft mit Nicolas de Lacailles (1713-1762) begann er sich für Naturwissenschaften zu interessieren. Mit Zustimmung der Eltern widmete er sich der Mathematik und Astronomie.
Bailly erwarb sich sehr rasch einen Ruf als Astronom. So errechnete er im Jahre 1759 die Umlaufbahn des Halleyschen Kometen und korrigierte Lacailles Annahmen zu den Tierkreiszeichen.
Die Aufnahme in die Académie des scienes 1763 gestaltete sich etwas schwieriger, da d'Alemberts (1717-1783) sich dieser widersetzte. Durch die Fürsprache Buffons (1707-1788) erfolgte erst im 3. Wahlgang seine Aufnahme. Seine Arbeit über die Jupitermonde, die 1766 unter dem Titel »Essay sur la théorie des satellites de Jupiter« war zugleich die Debüt-Arbeit für die Akademie und fand große Aufmerksamkeit. 1771 erfolgte die Studie »Sur les inégralités de la lumière des satellites de Jupiter«.
Erst nach dem Tode d'Alemberts gelang ihm die Aufnahme in die Académie Francais und den Aufstieg in den Kreis der »40 immortelles«. Am 11.12.1783 trat er die Nachfolge des verstorbenen Conte de Tressan (1705-1783) an und wurde am 26.02.1784 durch den Marquis de Condorcet (1743-1794), der Sekretär der Akademie war, empfangen. Im folgenden Jahr erfolgte die Aufnahme in die Académie des Inscripitions. Damit gelang Bailly das, was vor ihm nur Fontenelle (1657-1757) geschafft hatte: Die zeitgleiche Mitgliedschaft in allen renommierten französischen Akademien.
Unter dem Titel »Aloges« wurden in den Jahren 1770 und 1790 seine Lobreden auf Charles V. (1338-1380), Lacaille (1713-1762), Molière (1622-1673), Corneille (1606-1684) und Leibnitz (1646-1716) veröffentlicht.
Inzwischen widmete er sich in seiner Arbeit zunehmend der Wissenschaftsgeschichte und es erschienen nacheinander »Histoire de l’astronomie ancienne«, »Histoire de l'astrononie moderne«,»Lettres sur l'origine des sciences«,»Lettres sur l'Atlantide de Platon« und »Lettres sur l'astronomie indienne et orientale«. Neben seiner wissenschaftlichen Gelehrsamkeit erregte Bailly mit ungewöhnlichen Spekulationen.
So ging er in seinem Hauptwerk »Historie de l'astronomie«, das auch größtenteils in deutscher Sprache erschien, davon aus, dass die meisten naturwissenschaftlichen Entdeckungen bereits in den Erkenntnissen untergangene Frühkulturen bekannt waren. So schrieb er im Jahre 1785:
»Es liegt eine Fülle großartiger überlieferter Beweise vor, die uns erkennen lassen, daß es vor jener verheerenden Umwälzung auf der Erde eine allumfassende Kultur gegeben hat, von der nur Spuren übrig blieben«
Durch diese Äußerungen geriet er unter anderem mit Voltaire aneinander, und setzte sich mit den Schriften »Lettres sur l'origine des sciences« das 1778 ub Leipzig in deutscher Sprache veröffentlicht wurde, und »Lettres sur l'Atlantide de Platon et sur l'ancienne histoire de l'Asie«. Im letzterem Werk versuchte Bailly einen Bezug zwischen der von ihm vermuteten Uralt-Kultur und Platons Atlantis herzustellen und präsentierte eine Lokalisierung des untergegangenen Kontinents im Norden.
Bailly, der bei Hofe beliebt war, lebte in jener Zeit im Dachgeschoss des Louvre, wo er seine astronomischen Messinstrumente aufgebaut hat. Benjamin Franklin (1706-1790) zählte übrigens zu seinen Vorbildern, wodurch sich seine wissenschaftliche und staatsmännische Laufbahn während der Französischen Revolution erklären lässt.
Jean-Sylvain Bailly erwies sich als eifriger Fürsprecher der Ideen des Dritten Standes. So verfasste er unter anderem eine »Requeste des habitants de Paris au Roi«. In dieser Schrift setzte er sich für das allgemeine Wahlrecht ein.
Im Mai 1789 gehörte er, den erstmals seit 1614 durch den König einberufenen, Generalständen an. Durch sein Auftreten und seine dortige Autorität und Großzügigkeit erhielt er den Titel eines Doyen. Am 05.05.1789 wurde er zum Präsidenten des 3. Standes der vom König einberufenen Versammlung gewählt, die von ihm am 17.06.1789 offiziell zur Nationalversammlung ausgerufen wurde. Bailly wurde zum ersten Präsidenten des Gremiums und so leitete er auch die denkwürdige Sitzung vom 20.06.1789, wo es zum sogenannten »Ballhausschwur« kam. Er verlas eine Erklärung, dass man dem Druck des königlichen Militärs nicht weichen wolle und die Versammlung fortsetzen werde.
Er begrüßte auch am 23.06.1789 König Louis XVI. mit den Worten »Il me semble que la nation assemblée ne peut pas recevoir des ordres« womit er den Gehorsam der Nationalversammlung gegen den König verweigerte.
Am 16.07.1789 wurde Jean-Sylvain Bailly, nachdem Unruhen die nach der Erstürmung der Bastille in Paris ausbrachen, zum Bürgermeister von Paris sowie zum »Commandant géneral de la milice parisienne« gewählt. In dieser Funktion empfing er am folgenden Tag König Louis XVI. (1754-1793) und überreichte ihn in einer historischen Geste die Stadtschlüssel von Paris.
»Henri IV avait conquis son peuple, ici c´est le peuple qui a reconquis son roi:«
Er reichte Louis XVI. die Corcarde Tricolore, die eine Vereinigung des Volkes mit dem Monarchen symbolisierte.
Auch am 06.10.1789, als der Zug der »Fischweiber«, die königliche Familie vom Hofe in Versailles nach Paris holte, empfing Bürgermeister Bailly König Louis XVI. und seine Familie im Pariser Rathaus.
In der Folgezeit widmete er sich vor allem der Verbesserung von Krankenhäusern, jedoch schwand sein revolutionärer Eifer in der Folgezeit. So hatte er Schwierigkeiten zwischen Revolutionären und Aufrührern zu unterscheiden und so konnten seine sporadischen und unpräzisen Handlungen eine Eskalation der Pariser Ereignisse nicht verhindern.
Der »Held des Ballhauses« wurde innerhalb weniger Monate zur Zielscheibe patriotischer Journalisten, wie z.B. Marat (1744-1793). Nach der gescheiterten Flucht der königlichen Familie setze Bailly zusammen mit La Fayette (1757-1834) auf Repressionsmaßnahmen. Am 17.07.1791 gab er an La Fayettes Nationalgarde den Befehl, eine Versammlung auf dem Marsfeld gewaltsam aufzulösen, die die Absetzung des Königs forderte. Dieses Blutbad fügte dem Ansehen des Bürgermeisters großen Schaden zu, besonders da sich unter den Demonstranten zahlreiche einflussreiche Persönlichkeiten, wie z.B. Desmoulins (1760-1794), Santerre (1752-1809), Marat und Danton (1759-1794) befanden, denen nun die Verhaftung drohte. Für Bailly war damit das Ende seiner politischen Karriere eingetreten, obwohl durch das Loi Martiale vom 21.10.1789 eine juristische Rechtfertigung für seine Handlungsweise gegeben war.
Am 17.08.1791 legte der nunmehr in den Reihen der Bevölkerung und der Revolutionäre gleichsam verhasste Pariser Bürgermeister sein Amt zugunsten seines Nachfolgers Pétion de Villeneuve (1756-1794) nieder. Dieser konnte sich in einer Wahl gegen La Fayette durchsetzen, der vom Hofe unterstützt wurde.
Bailly zog sich nach Nantes ins Privatleben zurück. Er widmete sich in den folgenden Jahren der Abfassung seiner Memoarien »Memoires d´um témoin«. Sie wurden in den Jahren 1821/22 in 3 Bänden veröffentlicht. Dieses Werk stellte eine unvollkommene Darstellung seines politischen Wirkens dar.
Im Juli 1793, durch die Ereignisse in der Vendée gezwungen, zieht er zu seinem Freund und Akademie-Kollegen Laplace (1749-1824) nach Melun bei Paris. Ordnungsgemäß meldete er den Behörden seine neue Anschrift und am 08.09.1793 erfolgte seine Verhaftung im Auftrag des »Comité de Sureté générale«. Er sollte zunächst im Prozess gegen Marie Antoinette aussgagen, weigerte sich doch standhaft. Bis zu seinem Prozessbeginn am 10.11.1793 wurde Bailly in Paris inhaftiert. Am gleichen Tag wurde er als »Königsfreund und gewalttätiger Unterdrücker der Volksfreiheit« und Hauptverantwortlicher des Massakers auf dem Marsfeld zum Tode durch die Guillotine verurteilt.
Seine Hinrichtung vollzog sich unter besonders grausamen Umständen. Zunächst sollte er auf dem Marsfeld hingerichtet werden. Als er schon die Stufen des Blutgerichts erreicht hatte, wurde die Guillotine abgebaut. Angeblich wollte man das Marsfeld nicht mit seinem Blut besudeln. Die Hinrichtungsstätte wurde an das Ufer der Seine verlegt. Während der Wartezeit, die Bailly im strömenden Regen verbringen musste, wurde er von einem der Umstehenden spöttisch angerufen »He, du zitterst ja, Bailly!« -»Ja«, erwiderte der Gelehrte »jedoch nur vor Kälte«.
Werke:
- Essay sur la théorie des satellites de Jupiter, Paris 1766
- Aloges, Paris 1770 und 1790.
- Sur les inégralités de la lumière des satellites de Jupiter, Paris 1771
- Histoire de l’astronomie ancienne, Paris 1775
- Histoire de l’astrononie moderne, Paris 1779-1782
- Lettres sur l’origine des sciences, Paris 1777
- Lettres sur l’Atlantide de Platon, Paris 1777
- Lettres sur l'astronomie indienne et orientale, Paris 1787
- Memoires d´um témoin, Paris 1821/22 [3 Bände]