Gedichte

von Iwan Andrejewitsch Krylow

Fischsuppe bei Demjan

»Mein guter Nachbar, hochgeschätzter Gast,
Nun greif doch zu, ich bitte dich!«
»Unmöglich, Lieber, ich bin satt.« - »Na na! Was faßt
Ein Tellerchen denn schon? Hat sies denn nicht in sich,
Die Suppe?« - »Ebendrum!« - »Schlag mirs nicht aus!«
Ach hab doch schon dreimal!« - »Mein Freund, du mußt
Mir noch die Ehre tun! Glaub mir, die Lust
Kommt mit dem Essen. Tu ganz wie zu Haus!
Sie ist doch pures Gold, die Suppe. Schau:
Als wär sie ganz von Bernstein überdeckt!
Ein Götterschmaus, der Tote auferweckt!
Iß, lieber Freund! - Ermuntre du ihn, Frau!
Erzähl ihm, daß du Hecht genommen hast
Und Sterlet, Brachsen - alles für den Gast!«
So setzt Demjan dem Nachbarn Phoka zu
Und läßt ihn keinen Atemzug in Ruh.
Längst bricht aus Phokas Stirn in Strömen Schweiß.
Doch nimmt er noch einmal, weil er ja weiß,
Was sich gehört. Er ächzt, kann längst nicht mehr
Und stöhnt, und endlich ist der Teller leer.
»So lob ich mir den Freund!« ruft nun Demjan,
»Wer so frei zugreift, ja, der ist mein Mann.
Und weil die Hand schon mal fünf Finger hat -
Nimm noch: das fünfte Tellerchen macht satt!«
Ob so viel fürchterlicher Huld
Reißt Phoka endlich die Geduld.
Er greift nach seinem Hut voll Grimm,
Und stumm, als hab er seine Stimm
Verschluckt, enteilt er ohne Gruß.
In Demjans Haus setzt nie er wieder einen Fuß.


Letzte Änderung der Seite: 27. 09. 2021 - 03:09