An den Vater Christian Gottlieb Körner

vom 10.03.1813.

Wien, den 10. März 1813.

Liebster Vater! Ich schreibe Dir diesmal in einer Angelegenheit, die, wie ich das feste Vertrauen zu Dir habe, Dich weder befremden noch erschrecken wird. Neulich schon gab ich Dir einen Wink über mein Vorhaben, was jetzt zur Reife gediehen ist. — Deutschland steht auf; der preußische Adler erweckt in allen treuen Herzen durch seine kühnen Flügelschläge die große Hoffnung, einer deutschen, wenigstens norddeutschen Freiheit. Meine Kunst seufzt nach ihrem Vaterlande — laß mich ihr würdiger Jünger sein! — Ich, liebster Vater, ich will Soldat werden, will das hier gewonnene, glückliche und sorgenfreie Leben mit Freuden hinwerfen, um, sei’s auch mit meinem Blute, mit ein Vaterland zu erkämpfen. — Nenn’s nicht Übermut, Leichtsinn, Wildheit! — Vor zwei Jahren hätte ich es so nennen lassen, jetzt da alle Sterne meines Glücks in schöner Milde auf mich niederleuchten, jetzt ist es, bei Gott! ein würdiges Gefühl, das mich treibt, jetzt ist es die mächtige Überzeugung, daß kein Opfer zu groß sei für das schönste menschliche Gut, für seines Volkes Freiheit. Vielleicht sagt Dein bestochenes, väterliches Herz: Theodor ist zu größern Zwecken da, er hätte auf einem andern Felde Wichtigeres und Bedeutendes leisten können, er ist der Menschheit noch ein großes Pfund zu berechnen schuldig. Aber, Vater, meine Meinung ist die: Zum Opfertode für die Freiheit und für die Ehre seiner Nation ist keiner zu gut, wohl aber sind viele zu schlecht dazu! — Hat mir Gott wirklich etwas mehr als gewöhnlichen Geist eingehaucht, der unter Deiner Pflege denken lernte, wo ist der Augenblick, wo ich ihn mehr geltend machen kann? — Eine große Zeit will große Herzen, und ich fühle die Kraft in mir, eine Klippe sein zu können in dieser Völkerbrandung, ich muß hinaus und dem Wogensturme die mutige Brust entgegendrücken. Soll ich in feiger Begeisterung meinen siegenden Brüdern meinen Jubel nachleiern? — Soll ich Komödien schreiben auf dem Spottheater, wenn ich den Mut und die Kraft mir zutraue, auf den Theater des Ernstes mizusprechen? — Ich weiß, Du wirst manche Unruhe erleiden müssen, die Mutter wird weinen! Gott tröste sie! Ich kann’s Euch nicht ersparen. Des Glückes Schoßkind rühmte ich mich bis jetzt, es wird mich jetzo nicht verlassen. — Das ich mein Leben wage, das gilt nicht viel; daß aber dies Leben mit allen Blütenkränzen der Liebe, der Freundschaft, der Freude geschmückt ist, und daß ich es doch wage, daß ich die süße Empfindung hinwerfe, die mir in der Überzeugung lebte, Euch keine Unruhe, keine Angst zu bereiten, das ist ein Opfer, dem nur ein solcher Preis entgegengestellt werden darf. — Sonnabends oder Montags reise ich von hier ab, wahrscheinlich in freundlicher Gesellschaft, vielleicht schickt mich auch H. als Kurier In Breslau, als dem Sammelplatze , treffe ich zu den freien Söhnen Preußens, die in schöner Begeisterung sich zu den Fahnen ihres Königs gesammelt haben. Ob zu Fuß oder zu Pferde, darüber bin ich noch nicht entschieden, und kommt einzig auf die Summe Geldes an, die ich zusammenbringe. Toni hat mir auch bei dieser Gelegenheit ihre große, edle Seele bewiesen. Sie weint wohl, aber der geendigte Feldzug wird ihre Tränen schon trocken. — Die Mutter soll mir ihrem Schmerz vergeben; wer mich liebt, soll mich nicht verkennen, und Du wirst mich Deiner würdig finden.

Dein Theodor

Quelle:
Zoozmann, Richard: Aus großer Zeit. Zur hundertjährigen Erinnerung an die Deutschen Befreiungskriege 1813-1815, Berlin o.J.


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