Briefe aus den Befreiungskriegen
Heinrich Dietrich von Grolman an seinen Sohn Karl Wilhelm von Grolman
IV.
vom 17.09.1807.
Mein lieber Sohn! Wir haben in so langer Zeit keine Nachricht von Dir erhalten, dass wir recht besorgt um Dich sind. Nach dem geschlossenen Waffenstillstand haben wir gehofft, dass der Postenlauf wieder hergestellt werde, aber wir hören nichts von Dir; ich bin selbst ungewiss, ob der jetzige Brief zu Dir gelangen werde. Aber ich muss ihn wohl auf's Geratewohl schreiben, da es wichtig ist, dass Du von unserer Lage, vor Deiner Herkunft Nachricht erhältst. In meinem Hause ist alles wohl. Karoline hat sich mit ihrem Mann, ihrer Schwiegermutter, ihrem Knaben aus Posen entfernen müssen, alle haben ihre Zuflucht in mein Haus genommen. Sie ist gestern von einer Tochter glücklich entbunden, und Mutter und Kind befinden sich wohl. Nicht so gut geht es in dem Gerlach'schen Hause, den ganzen Winter über ist bald der eine, bald der andre krank gewesen. Sophie hat sich seit Deiner Abreise beständig nicht wohl befunden. Von Zeit zu Zeit zeigte sich Besserung, wir hofften immer, aber unsre Hoffnung ist getäuscht. Heute vor acht Tagen, am 3ten Juli hat sie uns verlassen, und ist in jene bessere Welt wonach sie seit Deiner Abwesenheit immer verlangte, übergegangen. Heim hat die Ursache ihrer Krankheit immer im Unterleibe gesucht, und solche als ein altes Übel für unheilbar gehalten. Dazu ist aber noch die Auszehrung gekommen. Die letzten 6 Wochen hat sie einen Durchfall gehabt, der nicht gehoben werden konnte, dazu ist endlich der kalte Brand im Unterleib gekommen, der ihrem Leben ein Ende gemacht hat. Du verlierst viel, erstaunend viel. Aber Du wirst dies Unglück als ein Mann ertragen. Größe, Stärke des Geistes kann man nie besser als im Unglück zeigen. Dies muss Dir jetzt leicht sein, da Du seit neun Monaten nichts als Unglück gesehen hast, und Dich gegen dasselbe hast abhärten können. Deine Tochter nimmt sehr zu, sie befindet sich sehr wohl, ihr musst Du Dich erhalten, ihr nicht bloß Vater sondern auch Mutter sein.
Bei den Aussichten zum Frieden hoffen wir, Dich bald bei uns zu sehen. Das Vaterland hat viel gelitten, wird schwerlich zu seiner vorigen Größe wieder zu erheben sein, aber man muss nicht verzweifeln. Jeder muss alle seine Kräfte aufbieten, ihm wieder aufzuhelfen. Du wirst vielleicht sagen, Du und ich, was können wir dazu beitragen? Wenn aber alle so dächten, so würde nichts. Tut ein jeder in der Lage, worin er sich befindet, immer seine Pflicht, so wird dies notwendig auf das ganze wirken und Besserung hervorbringen. Wir beide wollen wenigstens an Andere uns nicht kehren, sondern mit doppelten Kräften alles tun, was in der Lage, worin wir uns befinden, möglich ist. Meine Laufbahn ist vollendet, von mir ist nicht mehr viel zu erwarten. Du hingegen stehst im Anfang derselben, Du hast die Aussicht, Posten zu erreichen, worauf anjetzt leider nur Schurken gestanden haben. Alsdann kannst Du mit mehr Kraft dem Übel abhelfen, das bist Du deinem Vaterlande, das bist Du mir schuldig.
Unterlass nicht, mir, wenn irgend möglich ist, zu schreiben. Melde mir vorzüglich aber von Deinem Schicksal. Wie Du Dich bei dem Verlust Deiner Equipage mit Geld hast helfen können etc. Zwar kann ich Dir in der jetzigen Lage der Dinge nicht beistehen, zumal mein Gehalt mir nicht bezahlt wird, und die anderen Einkünfte auch nicht richtig eingehen. Aber fürs Nötigste werde ich doch das Mögliche tun, und Dir zeigen, dass ich nie aufhören werde zu sein.
Berlin d. 10 Juli 1807.
Dein treuer Vater.
v. Grolman