Eulogius Schneider's ehemaligen Professors in Bonn etc. Schicksale in Frankreich.
von Christoph Friedrich Cotta
36.
Indessen wurde von Saint-Just und Lebas aller Orten die bisherige öffentlichte Religionsübung gänzlich verboten. Die Revolutionscommissarien hatten sämtlich die Anweisung, alles Kirchengeräthe in den Gemeinden zu übernehmen, und ins Departement nach Strasburg zu liefern. Alle Bilder, Bücher, und andre auf den Strassen und an Häusern angebrachte Zeichen einer Religion wurden mit Gewalt hinweggeschaft und größtentheils verbrannt, die Altäre abgebrochen und die Kirchen geschlossen, mit der Anweisung, daß sie nur alle Dekadentage sollten geöffnet, und dann zur Ehre der Vernunft mit Liedern der Freiheit und Ablesung der Dekrete etc. etc. etc. gefeiert werden. – Am 27sten Brumaire im November kamen die sämtlichen Herren Propagandisten samt Anhang im Münster zu Strasburg zusammen, und probirten einstweilen die Komödie, die sie am 30sten Brumaire öffentlich zur Ehre der Göttin Vernunft, oder, wie die Stasburger sagten, Unvernunft, dem Volke zu geben gedachten. Schon vorher hatte man mit großen Kosten alle Altäre, Bilder etc. im Münster hinwegschaffen und an die Stelle des Hochaltars ein auf etliche Bretter gekleckstes Bildnis hinpostiren lassen. Zu oberst auf diesen Brettern stand auf dem Berge die Göttin Freiheit, und zu ihren Füßen verschiedene Abbildungen der Religionen, z.B. ein Schwein mit einem katholischen Priesterkragen und Kreuz am Halse, Bischofshuth etc. etc. etc. – Man gab erst den sämmtlichen Geistlichen so von ferne zu verstehen, sie mögten ihre Aemter freiwillig und öffentlich niederlegen, wenn sie sich nicht den größten Züchtigungen und Strafen aussetzen wollten. Am ersten Versammlungstage legten also wirklich mehrere von allen Religionen ihre bisherigen Kirchenstellen nieder, mit der Versicherung, nie mehr sich damit abzugeben. Sie wurden deshalb mit größtem Beifall begrüßet. Monet ließ hierüber ein Protokoll aufsetzen, und den Inhalt dann drucken, und den Bürgern, welche in der Hütte am Gemeindhause ihre Bürgerkayten holten, austheilen. In diesen Blättern war besonders dies merkwürdig, daß ein Propagandist sich auf die Kanzel schwung, und den, natürlich schon vorher abgekarterten, Vorschlag an die Priester that:sie mögen ihren fanatischen Wesen entsagen, und ein Geschäft, das so unehrlich wäre, öffentlich abschwören, da ohnedies nun das Reich des Christenthums zu Ende wäre, und nichts als die Göttin Vernunft ferner mehr in Frankreich öffentliche Tempel und Verehrer haben würde u.s.w. – Mehrere andere Propagandisten unterstützten den gemachten Vorschlag, und nun trat der Maire Monet auf die Bühne, und sagte das gegenwärtige Volk laut: Ob es zufrieden wäre, wenn seine bisherigen Priester ihren Aemtern öffentlich entsagten? Das Volk mußte wohl in den Umständen, in denen es sich befand, Ja sagen. Nun traten denn mehrere Priester auf die kanzel, und unter diesen auch Schneider, und entsagten öffentlich ihren Kirchenämtern und den Priesterwesen. – Nachdem die sämmtlichen, in dieser coram patribus gehaltenen Versammlung gegenwärtigen Priester ihr Bekenntnis abgelegt hatten, trat Monet abermal auf die Kanzel, und fragte das Volk, ob es zufrieden sey, daß es nun nie mehr Priester haben, und daß von nun an nur der Vernunft allein Tempel und Altäre erreichtet werden sollten? – Im Verbalprozeß steht: »Das Volk schwieg.« Aber man nahm sein Stillschwiegen für sein abgefordertes Jawort an, und um es auf der Stelle recht von der Wahrheit der Richtigkeit und Schädlichkeit der bisherigen Religionsübungen, von der Betrügerei der Priester etc. zu überzeugen, bestiegen mehrere Propagandisten die Kanzel, fochten mit Händen und Füssen, und schrieen in französischer Sprache, die die wenigsten unter dem Volke verstanden, über Pfaffthum, Katholiken, Christenthum, Jesus, den Delatre einen großen Charlatan nannte, aus allen ihren Leibeskräften. Und dies war denn alle Dekadenfeste immer die nämliche Leier; und das Volk blieb verstockt auf seinen alten Meinungen, und wollte sogar am Ende nichts mehr von dem Vernumfttemeplwesel und seinen Priestern hören, weil eben diese neuen Priester und Erzfanatiker alle Menschlichkeitsgefühle abgelegt zu haben schienen, und ewig nur von Blutvergießen und Kerkerstrafen predigten gegen andre stille und ruhige christliche Fanatiker, die niemanden zu schaden gedachten. –
Am 30sten Brumaire, als am ersten Dekadenfeste, das man in Strasburg feierte, gieng es auf die nämliche Weise her, wie am 27sten des nämlichen Monats; nur daß man, um den Tag recht merkwürdig zu machen, hinter dem Münster ein großes Gebäude von Meßbüchern, Bildern der heiligen, Priesterkleidern, großenStößen von alten Schriften etc. aufschlichtete, und dann anzündete. Dies Feuer, zur Ehre der Vernunft bestimmt, wurde durch beständiges Herbeiführen ganzer Wagen voll Papiere untherhalten. Für etliche 20.000 Livres Karten und Kalender, die man den Eigenthümern derselben gewaltsam abgenommen hatte, und die noch nach dem alten System eingerichtet, folglich Aristokraten, und die Kalender, die zum Theil gany nach der alten Form, zum Theil auch zwar nach der neuen scharfsinnigen Erfindung, aber durch die Beisetzung der alten Wochentage verketzert waren, wurden mit verbrannt. Die beraubten Eigenthümer dieser Karten und Kalender haben nie einigen Erfolg erhalten können, so groß auch der Verlust war, den sie durch diese fanatische und ungerechte Hinwegnahme ihres Eigenthums erlitten hatten.
Schneider soll das nie gut geheißen und eigentlich nie vernünftig gefunden haben.
Die Sache scheint mir der Mühe werth zu seyn, daß man auch andrer Leute Erzählung von der ersten Dekaden oder Vernunftfestivität zu Strasburg vernehme. Im Argos kommt ein aufsatz hierüber von F - - B – vor, der seit einiger Zeit statt Schneider denselben besorgte.
Der große Vorbereitungstag
SEptibi den 27sten Brumaire (im Nov.) ward der Gemeinderath zu Strasburg durch daß Läuten der großen Glocke zusammen berufen. Es war Nachmittags um vier Uhr, als er sich in dem prächtigen Saal des Gemeindehauses versammelte. Ein Fest sollte gefeiert werden, wie noch keines zu Strasburg gesehen worden. Die Vernunft sollte in ihre Rechte eingesetzt und der Fanatismus verjagt werden. Aus entfernten Volksgesellschaften, aus Chalons für- Saone, aus Metz, aus Besançon u.s.w.[1] hätten sich ächte Bergmänner hieher gedrängt, um durch das Feuer ihrer Rede alle Zuhörer zu jener großen Schöpfung anzuflammen, welche in ihrem Innern beginnen sollte. Wir zogen Arm in Arm aus dem Gemeindehause in das ehemalige Münster; feierliches Dunkel herrschte schon unter seinen Säulen, sparsame Lichter erhellten die schauerliche Finsterniß. Alles sang nun mit Gefühl und Ueberzeugung das rührende
Amour farcé de la patrie,
Conduis, foutiens nos bras vengeurs,
Liberté, liberté Cherie,
Combats avec tes detenieurs,
Sous ton drapeau que la victoire,
Accoure à tes males accens.
Que tes ennemis expirans
Voient ton triomphe et notre gloire.
Courage caira, le fort e nest jetté
Il faut vivre ou mourir pour notre liberté.
Dann trat Bürger Monet, der Maire von Strasburg, auf die Kanzel, und kündigte den Tod des Pfaffthums[2] und das neue kräftige Leben der Vernunft und Freiheit an, (ei! ei!) Er las ferner die Beglaubigungsschreiben der Deputirten aus dem Volksgesellschaften ab, (wer schickte sie, wer berief sie nach Strasburg?) wovon bald darauf einer nach dem anderen sein - - Apostelamt mit Feuer und Geist und überströmender - - Wahrheit (ei!) und unter - - Freudenthränen des versammelten Volks begann (wovon ich schon gesagt haben werden an dem Orte, wo der Maire dem Volke so schön begreiflich zu machen wußte, daß es besser thäte, keine Pfaffen mehr zu haben).
Auf nächsten Dekadi ward das große Fest der Vernunft angekündigt, wo Strasburg sich in seiner ganzen Menschenwürde zeigen – wird, (ja wohl!) um allen Prunk des Aberglaubens und der Seelenblindheitzu zermalmen. Unzähliche Zuhörer beschuren diesen heiligen Vorsatz, und die Gewölbe des uralten Münsters erklangen zum erstenmale von der Stimme reiner vernunft. Dann gieng der Zug in die Volksgesellschaft, wo eine Bürgerin nach der andern sich an das Bureau des Präsidenten drängte, um ein Geschenk auf den Altar des Vaterlands zu legen. Sie gaben ihr Gold und Silber mit Freuden her, denn sie wollten inskünftige als ächte Republikanerinnen nur mit Tugend und Patriotismus prangen[3]. Auch ehrwürdige Matronen mit weißen Haaren stammelten dieses neue Glaubensbekenntnis, und ein Kind von sechs Jahren sprach: »Ich bin klein, aber ich liebe mein Vaterland, mein Arm ist noch schwach, aber das wird schon kommen; ich möchte gern ein Geschenk auf den Altar des Vaterlandes legen, allein ich habe nichts als meine arme kleine Sparbüchse, hier ist sie: Es lebe die Republik! -»O Volk, wie glücklich bist du schon, weil solche Scenen sich täglich unter dir erneuern! Die Brüder aus den entfernten Volksgesellschaften traten auch hier nieder auf die Tribüne und goßen Feuer und Wahrheit auf die Zuhörer herab. Es war ein Drängen und Leben um sie her[4]. Freude strahlte in allen Gesichtern, und die Kraft der Vernunft erschütterte alle Herzen. - - - ebo iam fatis est.
[1] Zu Chalons, Metz und Besançon; war also die wichtige Arbeit der Einsetzung der Vernunft in ihre Rechte, und der Verbannung des Fanatismus, wohl schon damals vollendet, sonst hätte man die Vertheidiger der Vernunftsache nicht so leicht selbst entbehren und ihre Dienste andern überlassen können. Ich zweifle auch nicht daran, daß man allwärts mit diesem so großen Stück Arbeit längst fertig war; besonders an einem Orte, wie Basançon, wo bekanntlich, die Vernunft der Rosenkranzbeter und dergleichen Leutchen der ganzen Gegend sehr viel Ruhm schon gebracht hat. Nicht umsonst hat auch Conde’s Siegesheer den Klugen Plan gefaßt, nur durch jene Gegend von Besançon in Frankreich einzufallen.
[2] Auf welche Art er das gethan habe, hat der Leser schon gehört. Uebrigens kündigte er nicht sowohl den Tod des Pfaffenthums an, als er vielmehr ein andres, noch weit gehäßigeres, ketzermacherisches neben jenem aufstellte, als je eines war.
[3] Das heißt: statt der silbernen oder goldenen Schneppenhauben rothe wollene Kappen tragen.
Der Herausg.
[4] Versteht sich, denn die Herren waren durch ihr Aeusseres schon über die Maßen anziehend! Ihre rothen Mützen auf dem Kopfe, der fürchterliche Schnurrbart und der lange Säbel über den langen weiten Ueberrock geschnallt, und dann die furchtbare Gabe, während des Sprechens, welches natürlich französisch, sogleich dem wenigsten unterm Volke verständlich war – mit beiden Armen so gewaltsm die Luft immer zu durchhauen, alles das mußte sie dem Volke wichtig machen.