Flore und Blanscheflur

Ein episches Gedicht in zwölf Gesängen.

Fünfter Gesang.

[Gedichte]

Die Frau schwieg still und wendet ihre Blicke
Dem Ritter zu, des Herze ganz versunken,
Beherrscht von zweier Liebenden Geschicke;
Wie hat mein Ohr nicht jeden Ton getrunken,
So rief er aus, nun wendet sich ihr Glücke,
Und dämmern seh' ich schon der Hoffnung Funken;
O Liebe, leih' dem Knaben deine Schwingen,
Daß sie ihn sanft zu seiner Freundin bringen.

Wie rührt mich nicht dies Wort aus eurem Munde
So spricht die Frau, ein grünes Lorbeer-Reis
War euer Ziel in mancher heißen Stunde,
Wenn ihr geworben um der Ehre Preis,
Und jetzt schmerzt euch der Kinder Liebes-Wunde,
So fühlt das Herz der Minne sanft Geheiß,
Daß ich in eurem Auge sehe Thränen
Erglänzen um zwei holder Kinder Sehnen.

Erst für den Herrn, so streiten unsre Waffen,
Muß liebend ihr der Ritter Antwort geben;
Im hohen Dienste müßten wir erschlaffen,
Die Ehre selbst würd' unserm Haupt entschweben,
Doch süße Blicke, die uns liebend trafen,
Das Herz mit Kraft zur kühnsten That erheben:
Drum neigt ein Ritter willig Herz und Sinne
Zum Dienst der Frauen und um Lohn der Minne.

Ihr redet recht, antwortet ihm die Frau,
In jedem Herzen muß die Liebe thronen
Das sie ernährt mit süßem Himmelsthau,
Wir würden nur in öden Wüsten wohnen,
Uns trübte sich des Himmels leuchtend Blau,
Wenn Liebe nicht mehr liebend dürfte lohnen;
Vergeblich ist's die Herzen zu bewahren
Die Minne lockt, selbst lieblich in Gefahren.

Der Ritter sprach, die Liebe und die Waffen,
Sind nicht den edlen Herzen zu verbergen.
Wie Parzival zum Ritterthum erschaffen,
Auch ländlich, einsam wohnte in den Bergen;
Seit den Gemahl der Feinde Lanzen trafen
Wollte den Sohn Herzeloide bergen,
Und in dem Kind' den Adel eh' vernichten
Als ihn vom Streit und Waffen unterrichten.

So schweift einst bäurisch durch den Wald der Held,
Und sieht im grünen Schatten Goldesflimmer,
Sein staunend Auge auf zwei Ritter fällt,
Die hellumleuchtet von der Waffen Schimmer;
Es denkt das Kind: Bewohner dieser Welt
Sind diese lichte Glanzgestalten nimmer;
Einfältig kniet er, beugend tief sein Haupt,
Weil er zwei Engel zu begrüßen glaubt.

Daß er mit Rittern sprach hat er erfahren;
Nun lebt Begier in ihm nach Kampf und Streit.
Die Mutter kann den Sohn nicht mehr bewahren,
Sein kühnes Herz erringt ein Waffenkleid.
Mit tapfrer Brust begegnend den Gefahren,
Beglückt ihn bald der Minne Süßigkeit;
In treuer Liebe ewig ohne Wanken
Fesselt Conduiramur Herz und Gedanken.

Und Herz'loidens traurig einsam Klagen,
So sprach die Frau, erfüllt mein Herz mit Leiden;
Die Kön'gin muß im gleichen Jammer zagen,
Es will der Sohn von ihrem Herzen scheiden.
Der König hieß herbei die Schätze tragen
Gold, Silber, edle Stein und farb'ge Seiden:
Dieß haben wir für Blanscheflur genommen,
Sprach er, doch dreimal mehr sollst du bekommen.

Von diesem Schatz bewahr' die goldne Schale,
Worauf des Helden Paris Lieb ergraben.
Zieh'st über Berge du durch ferne Thale,
Mag stets der Wein aus diesem Gold dich laben;
Doch wenn er glänzend funkelt bei dem Mahle
Mußt du für dieses Kleinod Sorge haben.
Sein Anblick reizet so der Menschen Sinne,
Daß jeder trachtet wie er es gewinne.

Ein selt'nes Roß geb' ich dir noch zu eigen,
Man soll es her vor deine Augen bringen.
Als kaum des Königs letzte Worte schweigen,
Hört Flore schon die gold'nen Schellen klingen;
Ein Wunder will sich seinen Blicken zeigen
Im Tanze naht mit zierlich leichtem Springen
Das stolze Roß, mit Glanz und wildem Leben,
Scheint es im Takte der Musik zu schweben.

Klug blickt es um sich als es vorgeführt,
Klein war sein Haupt, kräftig die breite Brust,
Flüchtig sein Huf der kaum den Boden rührt,
Das Auge leuchtend wie in hoher Lust,
Und wie es selbst sein edles Feuer spürt,
So ists auch seiner Schönheit sich bewußt;
Wirft stolz sein Haupt, daß kühn die Mähnen fliegen,
Die glänzend rein das Weiß des Schnees besiegen.

Den Sattel man auf seinem Rücken schaute
Erleuchtend roth, wie dunkler Rosen Glut,
Die Sattelbogen worauf man ihn baute
Gewann einst eines kühnen Ritters Muth
Von einem Meeresfisch, den er zerhaute,
Den Sieg errang, ob eines Thieres Wuth.
Als er das Ungeheu'r hat zerspalten,
Hat er die Knochen als Trophä'n behalten.

Vom Pferd' herab floß schimmerndes Gewand,
So reich gewürkt, daß es die Augen blendet,
Ein breiter Borten um die Brust sich wand,
Woran die Kunst den höchsten Fleiß gewendet,
Aus feinstem Gold sinnreich gewürkt dies Band,
Mit edlen Steinen ist die Pracht vollendet
An gold'nen Glöckchen, die beim kleinsten Regen
Melodisch gleich sich zur Musik bewegen.

Der Meister hat zu diesem Schmuck genommen
Nur Silber, Gold, die edelsten Gesteine,
Die ferne aus Egypten Lande kommen,
Und auch arab'sche Seid' im farb'gen Scheine.
Der König sprach, schwer war sein Herz beklommen:
Daß ich, wie ich dich liebe, dir bescheine,
Empfang dies Roß, mein Sohn, aus meiner Hand,
Das einst, mich ehrend, Zauberer gesandt.

Schwer seufzend sprach im Schmerz die Königinne:
Da wir des Himmels Fügung müssen leiden,
Und du willst ziehen in dem Dienst der Minne,
Dein Haus, dein Land und deine Aeltern meiden,
Und mich bedrängt, verwirrt die bangen Sinne,
Das Herzensweh, zu jammervolles Scheiden,
So nimm, mein Sohn, von meiner Hand die Gabe,
Das edelste von deiner Mutter Habe.

Nimm diesen Ring, bewahr' dies Kleinod gut,
Mit ihm darfst du in keiner Noth verzagen,
Weil Zauberkraft im dunkeln Steine ruht.
Und willst du auch die kühnste Bitte wagen,
So wirkt der Zauber durch des Steines Glut,
Das rauh'ste Herz wird niemals, nein, dir sagen;
Auch wenn Gefahr dein junges Haupt bedroht,
Schirmt dich der Ring vor jeder Todesnoth.

Wie zärtlich dankte Flore nun mit Thränen,
Dann, sprach er, laßt mit eurer Huld mich fort,
Mich reißt hinweg unwiderstehlich Sehnen.
Die für sich sprach: du strebst nach fernem Ort,
Ich einsam jammernd muß nun trostlos wähnen,
Nie grüßt dich mehr der Mutter zärtlich Wort.
Der König will noch Abschiedsworte sagen,
Die inn'rer Schmerz und Thränen ihm versagen.

Als nun der Jüngling leicht sein Roß bestiegen,
Die Schaar ihm naht zu seinem Dienst erkohren,
Da wähnt dem Schmerz der König zu erliegen.
Die Kön'gin klagt um ihn, den sie geboren;
Doch Flore sprach: mein Weh' muß ich besiegen,
Ihr Freunde wißt, wie ich mein Heil verloren,
Drum woll't mir alle euren Rath nun schenken,
Wohin wir suchend uns're Reise lenken.

Die Diener sagten: ziehn wir, Herr, dahin,
Wo man zuerst verkaufet hat die Fraue: —
Ihr rathet gut, und klug ist euer Sinn
Sprach Flore; auf des Himmels Huld ich baue,
Sie führe mich zum herrlichsten Gewinn.
Sie zogen fort, durch Felder, Flur und Aue
Bis endlich zu dem Thor der Stadt sie kamen,
Worin die erste Nachtherberg sie nahmen.

Der Prinz befahl nun seinem Kämmerer:
Geh' such die beste Herberg' uns geschwind.
Dem Treuen fügt es so das Ohngefähr,
Daß sie die Nacht in selbem Hause sind,
Wo tief betrübt, recht aus dem Herzen schwer
Geseufzet hatte das holdsel'ge Kind,
Wo Blanscheflur geweinet eine Nacht,
Eh' sie die Kaufherrn auf ihr Schiff gebracht.

Man bot dem Prinzen freundlichen Willkommen;
Der schickt die Diener eilig in die Stadt,
Um süßen Wein und Speisen zu bekommen.
Sie gehn zum Markt, und manche Frage that
Das Volk, wer sie doch sey'n? woher gekommen?
Den Bürgern sagten sie durch weisen Rath,
Sie wären Kaufleut' fahrend um Gewinn,
Mit reichen Stoffen über Meer dahin.

Die Tische stehn bereitet und das Essen,
Der Wein lacht funkelnd alle Gäste an,
Einladend, froh die Sorgen zu vergessen;
Nur Flore seufzt, der nicht beherrschen kann
Sein innig Leid, wie er am Tisch gesessen;
Und neben ihm der Wirth ein kluger Mann,
Vor dessen Augen gern der junge Gast
Verborgen hätte seines Herzens Last.

Doch war's, daß Klag' und Seufzer ihn umschwebte,
Die Blanscheflur hier ausgehaucht in Pein?
Vor seinem Blick ihr holdes Bild sich webte,
Es lacht ihn an der klaren Augen Schein,
Daß er versenkt in süßen Träumen lebte,
Kaum Speise rührte, kaum genoß den Wein;
Kein Wort vernimmt, auf jede Frage schweigt,
Verwundert sich zum Wirth die Wirthin neigt.

Wie mag es doch dem Jüngling seyn ergangen?
Sprach heimlich sie, mich rührt sein bitt'rer Schmerz,
Der diese Kindesseele hält umfangen,
Daß nach Gewinn er zieht, ist wohl nur Scherz,
Ich glaub' ihn zieht ein brünstiger Verlangen;
Der Minne Band bemeistert wohl sein Herz.
Es sprach der Wirth: die Ursach seiner Klagen,
Will ich mit kluger Rede wohl erfragen.

Mit Freundlichkeit ließ er die Augen ruhn
Auf Flor' und sprach: ich frag' euch, Herr, durch Güte,
Drum möget ihr bescheidentlich geruhn
Zu sagen, wie in eurer Jugend Blüte,
Des Kummers Dornen euch so wehe thun.
So lang ich euch mit meinen Augen hüte,
Seitdem zum Mahl bereit die Tische stunden,
Hat euer Herz nur bittre Pein empfunden.

Quält sich so junges Blut denn schon mit Sorgen,
Wie eure Fahrt sich wende zum Gewinn?
Hier war bei mir ein Jungfräulein verborgen
Die anders wohl gerichtet ihren Sinn,
Die klagte, weinte, seufzte bis zum Morgen,
Als man sie führte nach dem Meere hin.
In Trauer lieblich, weinend minniglich,
Holdseelig schmachtend, liebend inniglich.

Ach, daß so heiß mir Schmerz im Busen brennt,
Sprach sie im Weh': das duld' ich um die Minne;
Doch wird das Liebesband drum nicht getrennt,
Mir thront im Herzen, es beherrscht die Sinne
Der süße Freund, der sich mein eigen nennt,
Der liebend mich erkohren zur Freundinne.
Sie war getauft und er vom Stamm der Heiden,
Drum, glaub' ich, wollte man die Liebe scheiden.

Ach, rief sie schmerzlich, wie würd' es ihn kränken
Säh' er mich schweben auf den Meereswellen,
Verzweiflungsvoll muß ich nun sein gedenken,
Da sich zur Reise schon die Segel schwellen,
Dürfte den Schritt die freie Willkühr lenken,
Durch blum'ge Wiesen und vorbei den Quellen,
Gleich Byblis einst im Schatten dunkler Buchen,
Der Seele liebsten Bruder aufzusuchen.

Und fänd' ich dann wie Byblis nicht die Spur,
Mit heißen Klagen, in dem irren Wähnen,
So sänk' ich nieder auf die grüne Flur,
Den Himmel rührte wohl mein innig Sehnen,
Gleich Byblis wandelte er Blanscheflur,
Und eine Silberquelle ew'ger Thränen
Von Liebe warm, müßte durch Blumen fließen,
Die duftend gern am Borde würden sprießen.

Ein liebend Herz wär' dann im Quell begraben,
Die kleinen Wellen flüsterten von Liebe,
Und würden tröstend Liebedurst'ge laben,
Die Sehnsucht hin zu ihrem Ufer triebe.
Nun möge sie des Himmels Tröstung haben!
Ihr junges Herz war mild umströmt von Liebe,
Das sehnsuchtsvoll den einz'gen Freund begehrt;
Wohl ist ihr Herz des besten Freundes werth.

Mit Grausamkeit ward sie hinweggeführt,
Es nannten sie die Kaufherrn Blanscheflur,
Von hier ward sie nach Babylon geführt,
(Die Schiffer sprachen so) weil einzig nur
Der reiche Ameral, wie sich's gebührt
Vergelten kann die schöne Kreatur.
Sie schied hinweg mit inn'ger Herzens Pein
Und mochte wohl in eurem Alter seyn.

Als Flore diese Rede hat vernommen,
Erzittert ihm vor Liebe Herz und Mund,
In sel'ger Freude war sein Herz entglommen,
Daß so ihm ward die Bahn der Freundin kund,
Nach welchem Land sie auf der Flut geschwommen.
Vertieft in Träumen saß sehnsüchtig wund,
Sich unbewußt er, denkend sie allein,
Und schüttet um den Becher süßen Wein.

Als er so stumm will keine Antwort sagen,
Da sieht der Wirth wohl welch' ein Leid ihn beugt,
Und als er träumend in den inn'ren Plagen
Sein schönes Haupt wie eine Rose neigt,
Da sprach der Wirth: ich seh' den Grund der Klagen,
Und weiß warum ihr jetzt süß träumend schweigt;
Daß ihr auf Kaufmannschaft die Sinne richtet,
Habt ihr zum Schein nur, junger Herr, erdichtet.

Und Flor' erschrak, mit Lächeln sprach er dann:
Mit Gnade, Herr, sag' ich ohn' arge List,
Wovon mein Herz so bittres Leid gewann,
Weil kundig euch der Minne Zauber ist;
Hört denn, ich war ein freudeloser Mann,
Ihr labtet mich nach traurig langer Frist.
Getrennt bin ich von Blanscheflur ohn' Schulden,
Und muß der Minne sehnend Weh' erdulden.

Doch ihr habt nun mein leidend Herz erfreut,
Ich weiß wohin ich meine Fahrt soll wenden,
Die Hoffnung ist in meiner Brust erneut,
Mein Kummer mag in Freuden bald sich enden.
Wie Flore nun dem Kämmerer gebeut,
Empfängt er bald aus dessen treuen Händen
Von Golde einen Becher leuchtend rein,
Er selber gießt hinein den klaren Wein.

Herr Wirth, sprach er, laßt höflich mich vergelten,
Daß ich verschüttet euren edlen Wein,
Ihr möchtet unbescheiden sonst mich schelten,
So mied' auch ich gern böser Sitten Schein.
Wie erst die Sorgen meinen Busen schwellten,
Zu Tisch mir folgten bitt're Qual und Pein,
So habt ihr süßen Honig mir gegeben,
Der mehr als Speis' und Trank erfrischt mein Leben.

Weiß ich doch nun wohin ich mich soll kehren,
Stets bleibt mein Herz für den Bericht euch hold,
Weil euer Wort getrocknet meine Zähren,
Empfangt den Becher als der Liebe Sold.
Es sprach der Wirth, als Denkmal euch zu ehren
Empfang ich willig dieses reine Gold,
Und fleh' die Götter hülfreich euch zu seyn,
Daß bald sich lind're eures Busens Pein.

Der süßen Rede freut der Jüngling sich
Anblickend nun die treuen Reis'gefährten,
Mit Mund und Augen lachend minniglich,
Sprach er, die Schmerzen, die mein Herz versehrten,
So daß mein Leben düstern Träumen glich,
So lange wir der Hoffnung Strahl entbehrten,
Entweichen nun; drum woll't an ird'schen Gaben
An Speis' und Trank, ihr Freund', euch freud'ger laben.

Obwohl im Hafen manche Schiffe lagen
Nach Babylon, muß doch das arme Kind,
Mit Schmerz und Weh' die lange Zög'rung klagen.
Denn auf dem Meere tobt ein wilder Wind,
Kein Schiff darf sich jetzt aus dem Hafen wagen.
Doch endlich wird das Wetter klar und lind;
Ein günst'ger Wind macht sich im Westen auf,
Flügelt ihr Schiff zum allerschnellsten Lauf.

Nun hörte man Trompeten laut erschallen
Und Flore rief den Seinen zu in Eile:
Hört ihr die Töne von den Schiffen hallen,
Sie mahnen uns, daß keiner länger weile.
Hastig ward nun die Stadt geräumt von allen;
Die Schiffe ungeduldig an dem Seile
Der Anker, warten nicht mehr, sprach das Kind,
Jetzt sind der Liebe freundlich Meer und Wind.

Er redet höflich mit des Schiffes Herrn
Wie er von seinem Wirth den Rath empfangen,
Und sagte dreist, ich wär' in Babel gern,
Eh' noch beginnt der reichen Feste Prangen;
Dort sammeln Fürsten sich von nah' und fern,
Um Handel möcht' ich früher hin gelangen.
Der Schiffer sprach: wird Wind uns günstig seyn.
Treft ihr noch vor dem Fest in Babel ein.

Nun wurden schnell die Segel aufgezogen,
Da zeigt der Wind gefällig sich genug;
Ein Pfeil, so schnitt das Schiff hin durch die Wogen,
Ein Vogel schien es Flore, dessen Flug
So eilig, weil er zärtlich ihm gewogen,
Ihn liebend zur barbarschen Küste trug,
Wo Blanscheflur sein harrt; die Meereswellen
Sieht er zum Liebesdienst sich eilig schwellen.

Und wie die Wasser in einander schweben,
Bei stiller Nacht die Sterne drinnen blinken,
Sieht er ihr Bild in jeder Welle beben;
Die gold'nen Stern' ihm wie ihr Auge winken,
Der Minne Sehnen muß die Brust ihm heben,
Der reiche Strom noch seine Thränen trinken;
Recht innig fühlt er seines Herzens Wunde,
Nach Küssen schmachtend von der Freundin Munde.

In solchen Träumen ist er hingefahren,
Viel Tag' und Nächte über See geschwommen
Und ahndet nicht wie viel sie erst Gefahren
Bekämpft, eh' sie vor Baldach angekommen.
Als nun am Lande alle fröhlich waren
Hat reichen Sold der Schiffsherr noch bekommen,
Daß er mit Dank sprach: stets will ich euch preisen,
So viel gewann ich nie auf meinen Reisen.

In Freuden gab so reich des Jünglings Hand,
Weil er sich näher der Geliebten weiß;
Weil ihn und sie nun hegt dasselbe Land,
Das ihn umgiebt wie ein befreundter Kreis.
Doch ach, wie bald des Jünglings Freud' entschwand;
Nicht sagt er mehr den hohen Göttern Preis,
Als man auf seine Frag' ihm angezeigt:
Babel wird kaum in zwanzig Tag erreicht.

Ein Bürger nahm als Gäste freundlich auf,
Die erst entkommen nun der wilden Flut;
Vom Schiffe trug man Florens Schätz' herauf.
Der Zöllner sprach: von diesem reichen Gut,
Gebt nun den Zoll, und wißt, der Tod steht drauf,
Wenn ihr aus Geiz so großen Frevel thut,
Und mich vom Werth wollt fälschlich unterrichten,
Den zehnten Theil müßt ihr als Zoll entrichten.

Und Flore gab von seinem Schatz dahin
Den zehnten Theil und nahm es kaum in Acht;
Es rang sein Herz nach anderem Gewinn,
Und andre Noth hat Sorgen ihm gebracht.
Wie fröhlich zieh'n zum Wirth die Diener hin,
Der hält bereit ein Mahl mit großer Pracht,
Wo jeden labt so Speis', als edlen Wein,
Nur Floren nicht, der sitzt in stummer Pein.

Da sprach der Wirth zu ihm: mein werther Gast,
Wie seid ihr doch so aller Freude bloß?
Ich wähn' ich kenne eures Kummers Last,
Des Amerales Zoll ist euch zu groß?
Doch wenn ihr drum dem Gram euch überlaßt,
So daß euer Mund nicht Speis' und Wein genoß,
So tröstet euch, was hier euch muß zerrinnen,
Könnt dreifach ihr in Babylon gewinnen.

Doch wenn mein Blick auf eu'rem Antlitz ruht
Und ich es seh' wie ihr in Träumen lebt,
Durch Schmerz gemindert eures Auges Glut,
An dessen Wimper eine Thräne bebt,
Ihr stumm versinkt in eurem trüben Muth,
Ein tiefer Seufzer euren Busen hebt,
Und ihr so schön seyd in der Traurigkeit:
So denk' ich wohl, daß ihr kein Kaufmann seyd.

Wie ihr da sitzt, und lichte Mondesstrahlen
Euch um die Stirn und lock'gen Haare spielen,
Scheint ihr Endymion, und Liebesqualen
Mag wiederum die keusche Luna fühlen.
Wenn diese Wangen purpurroth sich malen,
Und Thränen nicht die sanfte Glut mehr kühlen,
Kann euch kein Herz zu widerstreben wagen,
Göttinnen müssen eu're Fesseln tragen.

Schweift ihr als Jäger dann durch Waldesgrüne,
Und flüstert euch in Schlummer rauschend Laub,
Wird wohl das Herz der Himmelsjungfrau kühne,
Und sie begeht auf's neu den schönsten Raub;
Der dunkle Grund erhöh't zu Amors Bühne,
Macht euer Ohr dem Waldgefieder taub;
Wenn tausend auch von tausend Zweigen klingen,
Die euer Glück in trunk'nen Liedern singen.

Vergebt den Scherz und laßt die Augen schauen,
Die Wimpern bergen doch nicht eure Thränen,
Bei eurem Schmerz gedenk' ich einer Frauen,
Der hold wie ihr, verzehrt von Leid und Sehnen
Ich Tropfen sah' aus blauen Augen thauen
Auf lichte Wänglein, daß mir kam ein Wähnen,
Ich sähe Himmelsthau auf Lilien scheinen,
So lieblich war des holden Fräuleins Weinen.

Kaufleute brachten sie mit meinen Schiffen,
Sie war erhandelt auf Hispaniens Flur.
Ihr Klagen tönte: ach! dies Leid ergriffen
Hat einzig doch mich um die Minne nur,
Die leider früh mein kindisch Herz ergriffen.
Im Weinen schied die holde Blanscheflur:
Ihr Abschied mußte Felsenherzen rühren,
Ich sah hinweg nach Babylon sie führen.

Als Flore nur von seiner Freundin hört,
Fühlt er sein Herz in solcher Glut entzünden,
Daß sich sein Blut wie zum Verrath empört.
Es konnte leicht der schlaue Wirth ergründen,
Warum der Knab' ihn wie bezaubert hört,
Der braunen Augen Lichter sich entzünden,
Er lächelnd sitzt, und Mund und Wang' ihm glüht,
Daß eine Ros' er scheint am Stamm erblüht.

Der Wirth errieth die zärtlichen Gedanken
Die so beherrschen seines Gastes Sinne,
Drum schmeichelt er das Herz des Liebekranken,
Daß er die Huld des Jünglings sich gewinne;
Und Flore muß dem schlauen Manne danken,
Der kosend spricht von Blanscheflurens Minne,
Ihm lieblich malt des holden Fräuleins Klagen,
Bis daß der Jüngling liebevoll muß sagen:

Seht diesen Mantel, Herr, von Hermelin,
Empfanget ihn um Blanscheflur zu ehren,
Und selber hing er um die Schultern ihn.
Als so der Wirth sich sah vom Gaste ehren
Rief er entzückt: Nun Seegen und Gewinn,
Mag huldvoll euch der Himmel stets gewähren!
Daß ihr die führt mit Freuden aus dem Land,
Um die ihr schenkt ein also reich Gewand.

Der Wirth sprach tröstend noch zum holden Kinde,
Und fesselt Florens Blick an seinem Munde;
Schlau macht des Jünglings Schmerzen er gelinde,
Von Blanscheflur spricht er wohl manche Stunde.
Die Nacht brach ein, für Floren zu geschwinde,
Der hörte gern noch von der Freundin Kunde;
Der Wirth kann länger nicht die Holde preisen,
Und muß zur Ruh die müden Gäste weisen.


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