Flore und Blanscheflur

Ein episches Gedicht in zwölf Gesängen.

Sechster Gesang.

Es traf das Ohr so wundersüßes Singen
Von einem Vögelein, daß alle schweigen
Und lächelnd schauen, wie mit sanftem Springen
Die Vögel nahen, auf den schlanken Zweigen
Die Köpfe wiegend bei dem holden Klingen,
Und endlich sie wie halb entschlummert neigen;
So tief versunken in dem Wunderklang,
Daß sie vergessen eigenen Gesang.

Nun regt der Trieb sich zu melod'schen Kriegen,
Sie fühlen auch in ihrer Brust die Klänge,
Wie sie gelind die zarten Flüglein wiegen
Jauchzen in Luft sie wirbelnde Gesänge,
Daß sich entzückt so Laub wie Blume biegen.
Ein Ton wird dann der Töne süß Gedränge;
So schmelzend süß, als wären alle Wonnen
In diesen einen Liebeshauch zerronnen.

Wer liebt, und fühlt nicht diese süßen Peinen?
So spricht der Ritter inniglich gerührt;
Was zwang dies Vöglein zum harmon'schen Weinen?
Das Herz der Welt aus ihm die Sprache führt;
Wie muß der Liebende die zarten Kleinen
Beneiden, wenn solch Lied sein Herz berührt.
O! wär uns doch des Zaubers Kraft verliehn
Der Liebesweh' aushaucht in Melodien.

Und ist uns nicht ein größ'rer Zauber eigen?
So spricht die Frau mit lachend süßem Munde;
Wenn selbst der Töne Melodien schweigen
Giebt unser Auge von der Minne Kunde,
Wenn wir das Herz der Liebesherrschaft neigen
Erspäht das Aug' in unserm Freund die Wunde,
Und sagt mit Blicken, gleich den süßen Tönen:
Ich will dein Herz mit höchster Wonne krönen.

Ist nicht so holdes Vöglein unser Auge,
Das seine Flügel, gold'ne Wimpern, regt,
Und unserm Freund, was ihm zum Troste tauge,
In Tönen ungehört zum Herzen trägt?
Dann spricht es auch: aus meinen Tiefen sauge,
Was nur dein Herz zur inn'gen Lust bewegt;
Und wie durch Zauber wandelt sich's zum Bronnen,
Der in der Tiefe hegt die ew'gen Wonnen.

Doch nicht will ich der Liebe Zauber lehren,
Ich will ihn euch erzählend nur berichten.
Bald wird die Liebe glänzend sich verklären,
In jeder Brust, in Worten und Gedichten,
Jedwedes Herz zum Dienst der Minne kehren,
Und jeder wird der alten Zeit Geschichten
Vernehmen gern, mit innigem Verlangen,
Als ächte Liebesreime süß erklangen.

Und wieder müssen junge Herzen fühlen
Den holden Klageton aus blüh'nder Linde,
Wie flüsternd, rauschend in den Blättern wühlen
Mit Liebeseifer alle sanften Winde,
Mit ihrem Kuß das Aug', den Mund zu kühlen
Des zarten Fräuleins, das hier klagt so linde.
Ach, nimmer drang so wonn'ger Schmerzesschall
Durch Baumes Laub von keiner Nachtigall,

Als hier im Wipfel thronend gleich der Taube
Sygune ausströmt durch den Waldesgrund,
In grüner Dämm'rung dicht gewölbt zur Laube
Hält sie den Freund, durch Zaubereien wund.
Es hofft in Liebe noch ihr frommer Glaube,
Lebendig küssen könne ihn ihr Mund;
Doch bleibt er todt, nun läßt sie Klagen tönen,
Die sie, die Welt, und ihren Schmerz verschönen.

Es kann mein Wort die Glut so süß nicht schildern,
Die stillgeflammt, das innige Verlangen
In beiden Kindern, holden Blumenbildern,
Die selbst ihr Leid in manchen Weisen sangen.
Der Knabe hofft durch Eil sein Weh zu mildern,
Drum als kaum matt des Tages Lichter prangen,
Ruft er den schlafenden Gefährten zu:
Erwacht! zu lang' schon pflegten wir der Ruh.

Die Diener sind dem Prinzen gleich bereit,
Aus Liebe willig folgend den Befehlen
Zieh'n sie von dannen wie sein Wort gebeut.
Er seufzt, wie nun die Sehnsucht mich mag quälen,
Verbergen muß mein Herz die Traurigkeit,
Und ach! aus List die Freude selbst verhelen,
Die zum Verrath mich wider Willen zwingt,
Wenn Blanscheflurens süßer Nam' erklingt.

In dunkler Nacht ward Herberg erst genommen;
Es sah den Wirth der Knabe forschend an,
Schwer ward sein Herz in inn'rer Brust beklommen,
Weil niemand hier von Blanscheflur begann.
Kaum war des Tages erster Strahl entglommen
Vor dem noch kaum die Dunkelheit zerrann,
Da zieht das Kind durch Thal, Berg, Wälder fort,
Sein großes Leid nicht lindernd durch ein Wort.

Am Abend hat er Balsam erst gefunden,
Damit zu lindern seiner Seele Pein,
Der in des kranken Jünglings Herzenswunden,
Sich tröstend flößt als süße Rede ein.
Ein Bürger ließ ihn ruh'n die nächt'gen Stunden
In seinem Haus, und gab ihm Himmelswein,
Weil er die holde Blanscheflur ihm nannte,
Ihr Liebesleid und ihre Trauer kannte.

Er setzte fort sein mühevolles Reisen
Durch Wälder bald, bald über grüne Flur,
Oft will kein Schimmer sich dem Jüngling weisen,
Der liebend schmachtet nach der holden Spur;
Dann wieder dankbar muß sein Glück er preisen,
Ihm tönt der süße Nahme Blanscheflur;
Dann glaubt den Himmel mild er sich gewogen,
So fürchtend, hoffend ist er fortgezogen.

Mit seiner Schaar kommt einer Stadt er nah,
Die jenseits eines breiten Wassers liegt;
Flor' an dem Ufer stehend traurig sah
Wie sanft bewegt sich Well' in Welle schmiegt.
O weh! sprach er, dem Ziele nun so nah,
Hat uns zuletzt das Unglück noch besiegt;
Kein Schiff regt sich auf diesem Wasserspiegel,
Den Vögeln neid' ich ihre leichten Flügel.

Zum Trost erblicken sie an Baumes Zweigen,
Befestigt stark ein tönend Horn von Erz,
Und Flore ließ die bangen Klagen schweigen,
Ein neuer Muth belebt sein zagend Herz,
Die lauten Töne läßt er schmetternd steigen,
Ein brüllend Echo trägt sie felsenwärts:
Da sehn sie Schiffe durch die Wasser gleiten,
Die ems'ge Führer zu dem Ufer leiten.

Der Fährmann nahte bald mit zweien Schiffen,
Und ladet Flore auf sein Fahrzeug ein,
Die Rosse wurden bei dem Zaum ergriffen,
Man führt behutsam zu dem Schiff sie ein.
Dann eilte man die Fluten zu durchschiffen,
Die bebend funkeln in der Sonne Schein.
Still sah der Schiffer lang den Jüngling an,
Bis endlich freundlich fragend er begann:

Was konnt' euch, junger Herr, doch wohl bewegen,
Daß ihr die zarte Jugend bringt in Noth,
Arbeit bekämpft, auf mühevollen Wegen
Gefahr nicht achtet, die dem Wand'rer droht?
Welch heft'ger Wunsch reizt euch, daß ihr verwegen
Auf Land und Meer getrotzt, so jung, dem Tod?
Und Flore sprach: da ich ein Kaufmann bin,
Führt mein Geschäft nach Babilon mich hin.

Daß um Gewinn so weite Reis' ihr wagt,
Erwiedert ihm der Fährmann, glaubt' ich nicht,
Hätt' es ein andrer als ihr selbst gesagt;
Denn wenn eu'r Mund auch nicht von Leiden spricht,
So scheint mir doch, daß eure Seele klagt,
Und täuschen will eu'r freundlich Angesicht:
So schmerzlich lächelt euer schöner Mund,
Als wär' eur' Herz in heißer Liebe wund.

Wie nun die Ruder krause Wellen rühren
Und ich eu'r spielend dunkles Auge schau,
Denk' ich, die gleiche Sehnsucht mag euch führen,
Wie einst Leandern, zur geliebten Frau,
Der fühlt sein Herz von Amors Pfeil berühren,
Bei Liebesfesten, auf beblümter Au,
Und Hero gab, die schöne Priesterin,
Im Dienst der Liebe sich der Liebe hin.

Citheres Fest zerrann, und einsam wohnt
In Sestos Hero; in der Minne Glut
Klagt sie ihr Leid am dunkeln Hellespont:
Ach! seufzt sie tief, es braust die Silberflut
Und trennt die Liebe, dort vom Strahl umsonnt
Des holden Phöbus; klagt im trüben Muth
An Asiens Ufer wohl mein Freund in Thränen,
Muß sich, wie ich, nach Gruß der Liebe sehnen.

Leander steht, und hört es wie die Wellen
Das Ufer rühren, und ihm scheinen Stimmen
Dem rauschenden Gewässer zu entquellen,
Ihn freundlich ladend, durch die Flut zu schwimmen;
Von Sehnsucht fühlt er seinen Busen schwellen,
Ihn trägt das Meer, er wagt's hinauf zu klimmen
Zum Ufer, und an Hero's treuer Brust
Entflieht das Leid, winkt Lieb' ihm nur und Lust.

Und jede Nacht erneut Gefahr und Wonnen,
Man sieht am Thurm schon Hero's Fackel leuchten,
Wenn kaum erbleicht der letzte Strahl der Sonnen,
Die leiten soll den Freund auf seiner feuchten
Und wilden Bahn, in dunkler Nacht begonnen,
Die Phöbus nicht, nicht Luna darf erleuchten;
Und Freude blinkt der hellen Fackel Schimmer
In's kühne Herz, dem liebedurst'gen Schwimmer.

So wagt die Jugend um der Minne Lohn
Das kühne Herz, in der sehnsücht'gen Glut
Spricht es den Leiden, den Gefahren Hohn.
Doch dünkt's mich seltsam, daß so junges Blut
Auf Gold gerichtet die Gedanken schon,
Daß um Gewinn ihr übt so kühnen Muth,
So daß vor Sturm und Wetter euch nicht graut,
Ihr sorglos euch dem wilden Meer vertraut.

So weise barg der Jüngling seine Pein,
Daß er den Mund freundlich zu lächeln zwang,
Holdseelig sprach: fällt euch Leander ein,
Des Herz in glühnder Liebessehnsucht krank
Ihn so beherrscht, daß er beim Dämmerschein
Der fernen Fackel mit den Wogen rang,
Mit kräft'gem Arm die Wellen seitwärts schlug,
Wenn ihn das Meer zu der Geliebten trug;

Dann sollet ihr auch weisen Sinns betrachten
Sein traurig Loos, das mich erfüllt mit Grausen,
Wie finst're Wolken Todesnoth ihm brachten,
Wie er des fernen Sturmes drohend Sausen,
In Liebessehnsucht wagte zu verachten,
Hinüber will trotz aller Winde Brausen;
Da löscht der Sturm der fernen Fackel Schimmer
Und dunkle Flut verschlingt den kühnen Schwimmer.

Und, Hero, ach! die in der dunklen Nacht
Gezagt, geweint, gebetet für den Freund,
Die langen Stunden qualvoll so durchwacht,
Als endlich nun der Sturm ermattet scheint,
Der gold'ne Morgen freundlich tröstend lacht,
Und Welle sich mit Welle friedlich eint,
Da sieht sie, weh! mein Mund spricht es mit Beben
Den todten Freund auf sanften Wogen schweben.

Nun scheints, das Wasser liebkos't seine Glieder,
So trägt ihn Wog' um Woge, und am Rand
Des Ufers legt die letzte sanft ihn nieder.
Als Hero nun ihr grauses Weh erkannt,
Stürzt sie vom Thurme sich verzweifelnd nieder
Zu ihm, mit dem die Minne sie verband.
So endete ihr zärtlich Liebeswerben,
So mußten beid' um süße Minne sterben.

Tief seufzte Flor als er dies Wort vollbracht.
Der Fährmann sprach: verzeiht mir die Beschwerde,
Die, wie es scheint, Leanders Tod euch macht;
Ich dacht' an ihn, weil ich erinnert werde
Durch euren Anblick, wie durch Zaubermacht,
An eine Frau, die schönste war's der Erde:
Tief traurend schien der Schmerz sie zu verzehren,
Und Himmels Reiz im Schmerz sie zu verklären.

Dies Schifflein hat das schöne Kind getragen,
Wie euch, gelinde über diese Flut;
Bei mir hat sie geseufzt die Herzensklagen,
Im meinem Hause eine Nacht geruht.
Ich hörte sie die Minne streng verklagen,
Die ihr geweckt der Seele heiße Glut,
Das Herz durchbohrt mit Jammer, Pein und Leider
Weil man sie durfte vom Geliebten scheiden.

Wie Himmelsthau so flossen ihre Thränen;
Bis ich den Tod zu meinem Heil gewinne,
Rief sie, werd' ich nach meinem Freund mich sehnen —
Ihr wär't ihr Freund, und treu der holden Minne,
Mußt ich bethört bei eurem Anblick wähnen.
So sehr beherrscht der Jüngling seine Sinne,
Daß er nur fragt, wie auch sein Herz beklommen:
Wißt ihr, wohin die schöne Frau gekommen?

Die Antwort war: nach Babilon, sagt man,
Ward sie verkauft, nebst vielen andern Schönen,
Wo sie die Huld des Amerals gewann,
Daß er sie will als seine Gattin krönen.
Doch wird ihr Fürst und Land auch unterthan
Wird sie doch nie sich ihrem Loos versöhnen.
Flore fragt nun: herbergt ihr uns die Nacht,
Nachdem ihr uns zum Ufer hingebracht?

Der Schiffmann sprach: ich thue, Herr, es gern,
Ihr seid so schön, so höflich eure Sitten,
Eu'r Auge leuchtet wie ein Himmelsstern,
Ich kann nicht weigern was ihr auch mögt bitten.
Ihr kommt aus fremden Landen, die uns fern,
Nach der Beschwer auf weitem Weg erlitten,
Nach Müh' und Arbeit mögt ihr fröhlich nun
In meinem Hause ohne Sorgen ruhn.

Sie landeten: Gleich nahe bei dem Hafen
War seine Wohnung; alle gingen ein,
Und Florens Diener waren bald entschlafen,
Nur er allein klagt in der Herzens-Pein.
Es liegt auf ihm wie schwere Buß' und Strafen,
Daß Blanscheflur's nicht mehr gedacht soll seyn,
Er sie nicht nennen darf aus bangen Sorgen;
Dies Leid erhält ihn wachend bis zum Morgen.

Und kaum ertönt der Lerche Morgensang,
Der Sonne erster Strahl hat kaum geschienen,
Der, bleiches Gold, zu Florens Lager drang,
Rief er: stets treu will ich der Minne dienen;
Und mit dem Wort vom Lager er aufsprang,
Die zu erwecken, welche ihn bedienen.
Die Rosse hieß er eilig sie bereiten,
In kurzer Frist nach Babilon zu reiten.

Nun eilt er Dank dem Wirthe noch zu sagen
Für Fahrt und Herberg höflich ihm gewährt,
Lohnt beides reichlich, sprach: gern möcht' ich fragen,
Wenn meine Dreistigkeit euch nicht beschwert!
Könnt ihr von einem treuen Mann mir sagen,
Dess' Wort in Babilon mich recht belehrt,
So daß ich könnt' auf seine Weisheit bauen,
Dem ich mich dürfte kühnlich anvertrauen?

Zum treusten Mann will ich in Lieb' euch senden,
Sprach drauf der Wirth, den ich auf Erden weiß,
Nehmt diesen Ring willig aus meinen Händen,
Und achtet auf den gold'nen Reif mit Fleiß;
Denn eh' ihr mögt die Tagereis' vollenden
Erblickt ihr ihn, der aller Treue Preis,
Dem huld'gen werden eures Herzens Triebe,
Weil er mit Weisheit eint die reinste Liebe.

Nun reitet fort; und eh noch wird ermatten
Der Tag, seht ihr schon Babiloniens Zinnen
Und vor der Stadt durch smaragdgrüne Matten
Hell wie Cristall ein schäumend Wasser rinnen,
Ein großer Baum giebt an der Brücke Schatten,
Bei der die Bürger reichen Zoll gewinnen.
Mein Oheim, dessen Rath euch nützen soll,
Empfängt bei dieser Brücke selbst den Zoll.

Den gold'nen Reif gebt dann in seine Hand,
Dies Kleinod wird dem werthen Manne zeigen,
Daß ich es bin, der euch zu ihm gesandt,
Und Dienst und Rath wird er euch gern erzeigen.
Wie sehr der Jüngling diese Mild' erkannt,
Sah wohl der Wirth; denn lange muß er schweigen,
Eh' er den Dank in Worten kann ergießen,
Weil Thränen hemmend aus den Augen fließen.

Dann zieht er fort durch Wälder und durch Auen,
Bis er zum grünen Ufer hingekommen,
Wo seine Augen Baum und Brücke schauen.
Am Wasser stehend seufzt das Kind beklommen:
So nahe nun der vielgeliebten Frauen
Würd' ich doch nun dem bangem Weh' entnommen,
Wüßt' ich doch nun recht höflich, recht mit süßen
Worten den Pförtner lieblich zu begrüßen.

Der hält das Thor der Brücke freundlich offen
Und redet zu dem Knaben minniglich,
Bei seinem Anblick wird der Prinz betroffen,
Denn sein Gewand ist reich und adelich.
Doch wagt sein Herz mit Schüchternheit zu hoffen,
Des Greises Wort klingt mild und väterlich,
Obwohl das Haupt, die Braunen und der Bart
Vom Alter ihm gebleicht wie Silber ward.

Der Greis fragt freundlich nach des Jünglings Reise,
Als dieser ihm den Zoll hat abgetragen:
Lieblich strebt nun nach seiner Hofes-Weise
Der Prinz auf alles Antwort ihm zu sagen.
Indem ich euren Neffen würdig preise,
Sprach er zuletzt, will ich mein Heil nun wagen:
Gab mit dem Wort hin in des Greises Hand
Den Ring und sagt, weshalb er ward gesandt.

Mild sprach der Greis: Wohl, alles was ich kann
Will ich euch, holder Jüngling, gern gewähren,
Nehmt diesen Ring von meinen Händen an,
Es soll die That euch, was ich sprach bewähren;
Daß nie mein Haus noch liebern Gast gewann,
So wird dies Kleinod auch mein Weib belehren.
Gebt ihr den Reif, den ich sonst stets getragen
Und sie wird freundlich euch Willkommen sagen.

Mein Amt heißt mich am Ufer noch verweilen,
Doch ist der Tag in Purpur erst verglommen,
Werd' ich sogleich nach meinem Hause eilen
Bezeugend wie mir solcher Gast willkommen.
Die Nachricht mögt' ihr meinem Weib ertheilen,
Daß ihr von unserm Neffen seid gekommen.
Ihr find't mein Haus leicht, zu der Gattin Freude,
Nah' bei dem Thurm ein prächtiges Gebäude.

Wie höflich nun begann sich Flore neigen
Bis er des würd'gen Greises Blick entschwand,
Von seinem Rosse muß er balde steigen,
Weil er sich an des Hauses Thor befand.
Ein Diener eilt die Herrin ihm zu zeigen,
Die trug so kostbar schimmerndes Gewand,
Daß es ihn blendet, er verwirrt im Muth,
Des Greises Wort nur schüchtern kund ihr thut.

Doch als die Frau des Gatten Ring gesehen
Beginnt den Gast sie minniglich zu grüßen
Und spricht: Was kann zu eurem Dienst geschehen?
Um euch die Müh' der Reise zu versüßen
Sollt alles ihr in Eil bereiten sehen.
Sie ruft die Diener, welche balde müssen
Erfüllen alles was die Herrin sprach,
Die sorgt, daß nichts dem werthen Gast gebrach.

Sprach dann zum Jüngling: ich laß euch allein
Auf kurze Zeit, bald wird der Hausherr kommen,
Dann woll'n wir beide euch Gesellschaft seyn.
Als sie hinweg, seufzt Flore, nicht genommen
Ist noch von meiner Brust die große Pein;
Obwohl ich bin nach Babilon gekommen,
Zeigt wohl kein Rath sich mein Gespiel zu sehen,
Und ich muß sterben an den Herzenswehen.

Kaum hat die Zagheit seine Brust berührt
So flüstert ihm die Weisheit leise zu:
Ein übler Wahn hat dich hieher geführt
In Thoren Weise handelst kindisch du;
Von Wahnsinn wird dein junges Herz regiert,
Du fliehst dein Land, die Eltern, süße Ruh',
Und eiltst hieher wo alles fremd dir ist,
Wo niemand lebt, bezeugend wer du bist.

Und darfst du wohl dem Greise dich vertrauen,
Darfst du ihm klagen deines Herzens Pein?
Nur darauf kannst mit Sicherheit du bauen
Es bricht Verderben auf dein Haupt herein.
Du kannst es ja mit deinen Augen schauen,
Daß er muß reich selbst wie ein König seyn.
Die Hoffnung laß auf seinen Dienst entschweben,
Was könntest du ihm zu gewinnen geben?

Den Tod find'st du hier in den fremden Landen!
Dich rührten nicht der lieben Mutter Klagen,
Als ihre Arme dich zuletzt umwanden
Da fühltest du des bangen Herzens Schlagen,
Und rissest dennoch wild der Liebe Banden;
Du konntest freudig Lebewohl ihr sagen,
Dich mit Gewalt aus Mutterarmen winden
Um Elend hier und sichern Tod zu finden.

Und willst du denn verzagen? sprach die Minne,
Von Blanscheflur dich schnöd' in Feigheit wenden,
Herrscht sie nicht stets als Königin der Sinne,
Muß nicht dein Leben ohne Liebe enden?
Ach nur der Weisheit kaltem Rath entrinne,
Sie will hinweg von deinem Heil dich senden;
Nie wird dann mehr der holde Blick dich grüßen
Nie darfst du mehr die Purpurlippen küssen.

Schwurst du nicht kühn, dich in Gefahr zu wagen
Als Meere, weite Länder euch getrennt,
Und lehrt dich Weisheit feige nun verzagen
Weil sie gefahrvoll deine Bahn erkennt?
Willst du wie feige Knechte nur dich schlagen,
Von denen jeder zu den Waffen rennt,
Wenn noch der Feind in weiter Ferne steht,
Doch schnell entflieht, wenn ihn der Blick erspäht.

Wie anders that ein Weib; als durch ihr Fehlen
Der holden Psyche Gatte war entflohn,
In grimmen Schmerzen, die das Herz ihr quälen
Spricht sie dem Trost, und jeder Hoffnung Hohn.
Voll Jammer will sie selber sich entseelen,
Sich selber gebend ihres Frevels Lohn,
Und stürzt verzweifelnd sich in Fluten nieder,
Die sanft umschmeicheln ihre zarten Glieder.

Sie sind mit ihr zum Ufer hingelitten,
Wo sie den alten Gott der Hirten fand,
Der tönend Rohr zu Flöten sich geschnitten,
Und weise nun melodisch es verband.
Als der vernahm den Schmerz so sie erlitten
Da sich der Gott aus ihren Armen wand,
Da sprach er tröstend zu der holden Schönen,
Dein Dienen kann den Liebesgott versöhnen.

Durch Thäler, Berge, Wälder sie nun schweift,
Ihn suchend in Litäres Pallast dringt,
Die sie um Schönheit hassend, schnell ergreift,
Das holde Kind zu Sclavendiensten zwingt,
Gefahren ihr, Unmöglichkeiten häuft;
Das schwerste Werk durch Amors Macht gelingt,
Der heimlich seiner Gattin Hülfe beut
Die sich ihm ganz mit inn'ger Liebe weiht.

Sein Wort befiehlt, und Würmer sind ihr Hülfe,
Gemischte Körner scheiden sie beginnen,
Und eine Stimme flüstert aus dem Schilfe
Wie leicht die gold'ne Welle zu gewinnen;
Selbst Jovis starker Adler naht zur Hülfe,
Eilt zu den Quellen, welche lieblich rinnen,
Schöpft die cristall'nen Wogen, obgleich Drachen
Den klaren Wunderbrunnen wild bewachen.

Ein Thurm muß weise rathend, mild sich zeigen,
Als Psyche auf der grauenvollsten Bahn,
Als sie hinunter soll zum Orkus steigen,
Venus aus Neid und eifersücht'gem Wahn,
Will sie verderben, Nacht und ew'ges Schweigen,
Hofft sie, wird nun die holde Schön' empfahn.
Doch die entgeht den hinterlistgen Schlingen,
Ob sie zur Unterwelt auch mußte dringen.

Der alte Charon führt sie willig über
Die murr'nde Flut des Styx und Cerberus,
Befriedigt läßt die holde Frau vorüber,
Die von der Schattenkönigin empfangen muß,
Den gift'gen Balsam, und nun scheint vorüber
Ihr Leben; da erweckt sie Liebesgruß
Zur seel'gen Wonne, zur Unsterblichkeit,
Die Jovis Wort auf Amors Flehn verleiht.

So rang ein Weib, den Liebsten zu gewinnen,
Und du vergißt der Minne holdes Grüßen!
Ist denn entrückt den kindisch schwachen Sinnen
Wie wonniglich die süßen Lippen küssen!
Gedenkst du nicht, daß alle Quellen rinnen,
Die Bäume säuseln, Felsen hallen müssen
Im Dienst der Liebe! Gieb dich ihr zu eigen,
Und Liebesmacht wird kräft'ge Hülf' erzeigen.

So muß der Arme inn'ren Streit erleiden,
Doch bald erringt die Lieb' im Kampf die Krone,
Ihm dünkt es sanfter bittern Tod zu leiden,
Als daß er in Hispania glorreich throne
Und müßte ohne sie von hinnen scheiden.
O süße Minne, fleht er nun, belohne
Den treuen Dienst, steh' du mir bei, mein Leben
Will ich ja gerne deinem Dienst ergeben.

Nun sinnt er nur, wie er wohl Hülfe fände,
Sinkt auf die Knie, und faltet minniglich,
In Lieb' und Andacht zum Gebet die Hände,
Zu Gott dem Herrn, und fleht dann inniglich:
An deine Huld ich mich voll Zutrau'n wende,
Erbarme du dich meiner gnädiglich,
Oft flehte Blanscheflur zu dir mit Liebe
Nun wend' ich mich an dich aus gleichem Triebe.

Der Abend senkt sich auf die Flur hernieder,
Die Purpurschimmer sind beinah verblaßt,
Der Schlummer wiegt das leichte Waldgefieder
Und noch drückt Floren seines Kummers Last.
Doch endlich kehrt der würd'ge Hausherr wieder
Und grüßt mit Liebe seinen werthen Gast:
Er sieht wie lang der Prinz in Trauer zagt,
Ob auch der Mund nicht eine Sylbe wagt.

Und sprach drum mild: Mög' es euch doch gefallen
Zu sagen, was euch Leides ist gescheh'n?
Da Thränen, Perlen gleich, vom Aug' euch fallen
Verrathet ihr des innren Herzens Wehn.
Vertraut euch mir, von euren Freunden allen
Werd't ihr in mir den treusten immer sehn;
Und wollt ihr mir Vertrauen erst gewähren,
Kann Leid vielleicht in Freud' ich euch verkehren.

Der Jüngling sprach: was gütig ihr wollt fragen
Vertrau' ich gern: es zwingt mich Herzensleid,
Ich muß in Trauer den Verlust beklagen
Von eines Schatzes Wunderherrlichkeit;
Ihn hat ein Schiff nach Babilon getragen,
Er zieht mich nach sich, und dem Gram geweiht
Fürcht' ich den Himmelsglanz nicht mehr zu finden,
Drum seht ihr so mich Schmerzen überwinden.

Ach! wenn ein Freund mir Liebe möchte hegen,
Daß er in Weisheit wollte Rath mir sagen,
Könnte mein Leid ein treues Herz bewegen,
Daß Mitleid fänden meine inn'gen Klagen:
Dann würde Hoffnung sich im Herzen regen,
Dann würf' ich ab mein kummervolles Zagen,
Und spräche gern: mein Gold magst du empfangen,
Hilf den verlornen Schatz mir nur erlangen.

Er mußte schweigen, denn die Frau trat ein.
Die Kerzen leuchten herrlich schon im Dunkeln,
Und geben in dem Golde Wiederschein,
Worin die Speisen auf dem Tische funkeln.
In gold'nen Schalen blinkt der gold'ne Wein,
Und sucht den Glanz der Becher zu verdunkeln,
Nun soll sich Flor' nach langer Reise letzen,
Zu Tisch sich zwischen Wirth und Wirthin setzen.

Es sind die Speisen würzereich und gut,
Anmuthig schimmernd lockt der lautre Trank,
Doch Flore ist so hoch betrübt im Muth,
Daß er den Wein gemischt mit Thränen trank.
Und bald erbleicht der Wangen Rosenglut,
Des dunkeln Auges Schein wird matt und krank;
Denn vor ihm steht, und regt ihm Sehnsuchtsqual,
Voll süßen Weins sein goldener Pokal.

Wen sollte wohl der Jüngling nicht erbarmen?
Wie er sich will aus seinem Becher laben
Fühlt er sein Herz von doppler Glut erwarmen.
Paris scheint ihm lebend'gen Hauch zu haben,
Die Schöne ruht beglückt in seinen Armen,
Als künstlich Bildwerk ein dem Gold' gegraben;
Die Hände zittern ihm bei inn'ren Schmerzen,
So dringt verstärkt die Sehnsucht ihm zu Herzen.

Ach! dacht' er: Gott, durch deine große Güte
Laß mich es nur ein armes Mal erlangen,
Laß mich die holde süße Lilienblüte
Mit meinen Armen nur ein Mal umfangen,
Daß sich der Schmerz der lang im Herzen glühte
Nur einmal kühlen darf an ihren Wangen;
Dann ist mein Weh' auf lange wohl gestillt,
Das jetzt so brennend in der Brust mir quillt.

Mein Leben, Herr, befehl' ich deinen Händen
Und fleh' um Beistand inniglich zu dir,
Ich will mich dreist an diesen Mann hier wenden
O! lenke du sein treues Herz zu mir.
Durch seinen Rath kann wohl mein Kummer enden.
Doch muß ich unbeglückt auch sterben hier,
Verlischt doch auch mit meines Lebens Schein,
In meiner Brust der Lieb' und Sehnsucht Pein.

Entschlossen waren so des Jünglings Sinne
Sein Heil und Leben kühnlich hier zu wagen.
Wie er geboren ward zum Dienst der Minne,
Will er dem würd'gen Greise treulich sagen,
Ihm, daß er Huld und Mitleid sich gewinne,
Die tiefsten Schmerzen seiner Seele klagen,
Will zeigen wie er Blanscheflur muß lieben;
Bis nach dem Mahl die Rede nur verschieben.


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