Dr. Faust in Auerbachs Keller

Damals studierten in Wittenberg einige polnische Herren von Adel, welche mit Doktor Faust viel verkehrten und gute Freundschaft hielten. Nun war gerade die Leipziger Messe und sie verlangten sehr, dieselbe einmal zu besuchen, teils weil sie von ihr so viel gehört hatten, teils weil etliche gedachten, allda von ihren Landsleuten Geld zu erheben. Sie baten daher den Doktor, er möge sie durch seine Kunst, mit der er schon so manches zuwege gebracht habe, so schnell wie möglich dahin führen.

Doktor Faust wollte sie keine Fehlbitte tun lassen und bewirkte, dass des andern Tags vor der Stadt ein mit vier Pferden bespannter Reisewagen stand, in welchen sie sich getrost setzten, worauf sie in schnellem Laufe davonfuhren.

Kaum aber hatten sie eine Viertelstunde Wegs hinter sich, da bemerkten sie zu ihrer großen Verwunderung die Türme Leipzigs – und während sie sich noch erstaunt darüber unterhielten, fuhren sie schon in die Tore der Stadt ein.

Folgenden Tages besahen sie die Stadt, verwunderten sich über die Kostbarkeiten der Kaufmannschaft, besorgten ihre Geschäfte, und als sie wieder nach ihrem Wirtshause gingen, sahen sie, wie nahe am Markte mehrere Wein- und Bierschröter ein Fass Wein, sieben oder acht Eimer enthaltend, aus einem Weinkeller, der noch heutzutage als »Auerbachs Keller« allbekannt ist, herausbringen wollten. Die vermochten es aber nicht zu heben, wie sehr sie sich auch bemühten – und eine große Menge Volks hatte sich versammelt, um der Sache zuzusehen. Auch Doktor Faust und seine Gesellen standen still.

Da rief Faust, der auch hier durch seine Kunst bekannt werden wollte, fast höhnisch den Schrötern zu: »Wie stellt ihr euch doch so ungeschickt an! Ihr seid euer so viel und könnt ein solches Fass nicht zwingen? Ich meine, dass es einer allein verrichten könnte, wenn er sich recht dazu schicken wollte.« Die Schröter waren über solche Rede sehr ungehalten, warfen, weil sie ihn nicht kannten, mit herben Worten um sich und riefen unter andrem, wenn es er besser verstünde als sie, ein solches Fass zu heben und aus dem Keller zu bringen, so solle er es in des Teufels Namen tun.

Während sie aber so miteinander streiten, kommt der Herr des Weinkellers herbei, vernimmt die Sache, und dass der eine gesagt, es könne das Fass wohl einer allein aus dem Keller bringen. Da geriet dieser in hellen Zorn und sprach zu Faust und seinen Begleitern: »Wohlan, weil ihr denn so starke Riesen seid, so verspreche ich hiermit, dass der von euch, welcher das Fass allein herauf und aus dem Keller schafft, es mitsamt dem Inhalte behalten soll.«

Doktor Faust aber war nicht faul – und weil eben noch etliche Studenten dazugekommen waren, rief er diese zu Zeugen dessen an, was der Weinherr versprochen hatte. Ging dann hinab in den Keller, setzte sich recht breit auf das Fass, wie auf einen Bock, und ritt sozusagen dasselbe zu jedermanns Verwundern herauf. Am meisten aber erschrak der Weinherr darüber und obgleich er vorgab, dass dies nicht natürlich zuginge, musste er doch sein Versprechen halten.

Also überließ er das Fass mit dem Weine dem Doktor Faust, der es nunmehr seinen Gesellen sowie den Studenten, die ihm als Zeugen gedient hatten, zum Besten gab. Diese ließen es in das Wirtshaus schaffen, luden noch mehr gute Freunde dazu und machten sich etliche Tage davon lustig, so lange, bis kein Tropfen Wein mehr darinnen war.


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