Kaspar der Kutscher
oder: Wie gewonnen, so zerronnen
Kaspar, der Kutscher, trat eines Morgens in das Zimmer seines Herrn, des Grafen, und sagte, er bitte Seine Gnaden auf ein Jahr um Urlaub. Auf die Frage des Grafen: »Warum und wohin?« antwortete Kaspar: »Euer Gnaden müssen wissen, dass ich in der Lotterie 20.000 Gulden gewonnen habe. Und da ist's mir denn in den Sinn gekommen, ich möchte auch einmal einen großen Herrn spielen. Und so will ich mir denn vorerst eine Kutsche kaufen, mit einem Paar Rappen und einen Kutscher dingen, der mich und die Rosse bediene – und dann nach Wien in Österreich fahren und dort vollauf leben, solange der Beutel reicht. Und wenn's aus und gar ist, dann komm ich aber wieder und werde Euer Gnaden bitten, dass mich Euer Gnaden wieder in Ihren Dienst an- und aufnehmen.«
Der Graf schüttelte verwundert den Kopf und er wollte ihm seinen törichten Entschluss ausreden und ihn dazu bewegen, er solle Lieber das Geld auf Zinsen anlegen und sich sein Leben bequemer machen und für sein Alter sorgen. Aber Kaspar blieb fest bei seinem Entschluss und sagte, er sei einmal lang genug auf dem Bock gesessen. Er wolle es nun einmal versuchen, wie es sich sitze in der Kutsche selbst. Und der Herr Graf solle es ihm nicht für ungut nehmen.
Der Graf, als er sah, dass Kaspar sich nicht anders bereden lasse, gab ihm Urlaub – und da er ihn als eine ehrliche Haut kannte und ihn auch sonst wohl leiden mochte, so setzte er gnädig hinzu: Wenn er über Jahr und Tag wieder komme, so wolle er ihn wider in seinen Dienst nehmen.
Also fuhr nach einigen Tagen Kaspar, der Kutscher, in seinem eigenen Wagen ab und gen Wien zu. Als er dort angekommen, mietete er sich in einem der vornehmsten Gasthäuser ein, wo nur Grafen und Barone und reiche Kaufleute wohnen. Da hieß es denn immer: »Was schaffen Euer Gnaden?« – »Beliebt es Euer Gnaden?« – »Befehlen Euer Gnaden?« Und so meinte denn Kaspar zuletzt wirklich, er sei ein gemachter, vornehmer Herr und er aß und trank und lebte auch wie ein vornehmer Herr.
Die Bedienten im Hause aber merkten bald, wen sie vor sich hatten und sie mischten darnach ihr Spiel: »Euer Gnaden«, sagten sie, »sollten doch auch Partien machen, Gesellschaften geben, auf großem Fuße leben.« Das ließ sich Kaspar, der sich geschmeichelt fand, nicht zweimal sagen. Und es aßen und tranken und lebten nun zwanzig Menschen, wie vornehme Herren, auf seine Kosten in Hülle und Fülle.
Noch war nicht ein halbes Jahr verflossen, als schon die Hälfte des gewonnenen Geldes verprasst und verlumpt war. Das vornehme Leben war ihm ohnehin schon halb und halb verleidet. Kaspar fing nun an, über sich und seine Lage nachzudenken und beschloss, sich ein wenig einzuschränken, damit er nach Verlauf eines Jahres doch noch ein kleines Sümmchen übrig behielte für seine alten Tage.
Aber die lockeren Gesellen hatten ihn schon zu sehr in ihrem Netze gefangen, dass er ihnen nimmer so leicht auskommen konnte. Und da er selbst nicht mehr Haare lassen wollte, so kamen sie darauf, ihm auf andere Weise die Federn auszurupfen. Einmal wurden Seine Gnaden gebeten, Sie möchten dem und dem aus großer Not helfen und Geld borgen; was denn auch Seine Gnaden in der Milde Ihres Herzens taten.
Ein andermal wurden Seine Gnaden auch gelegentlich bestohlen; und da dies Seine Gnaden gar übel aufnahmen und Lärm machten und seinen Bedienten gar als Dieb bezeichneten, so wurde mit einer Klage gedroht, der er sich nur durch eine freiwillige Gabe einer nicht unbedeutenden Summe entzog. Und die Zechen selbst wurden mit jedem Monate in dem Maße größer, als sein Essen und Trinken und sein Appetit geringer wurde.
Endlich am Ende des elften Monats, da er sah, dass es mit seinem Gelde auf die Neige gehe, beschloss er, Wien zu verlassen und mit dem kleinen Reste seines Vermögens gemächlich und auf Umwegen in die Heimat zurückzukehren. Aber am Morgen, der zu seiner abreise bestimmt war, wurden ihm noch von seinem Kutscher, der ein Spitzbub war und er's mit den Übrigen gehalten hatte, eine Menge Scheine von angeblich nicht bezahlten Trinkgelagen außer dem Hause, falsche Rechnungen von Sattlern, Schmieden, Schneidern, Schustern und Kaufleuten gebracht, so dass er, um diese Schulden zu tilgen und um nicht, womit man ihm drohte, in Unannehmlichkeiten zu kommen, seinen Wagen und seine Rosse verkaufen musste. Der Erlös war so gering, dass er kaum so viel Gulden übrig behielt, als er Tausende gehabt hatte. Also trat er zu Fuß seine Rückreise an.
Nachdem er in der Stadt angekommen, wo sein Herr, der Graf, wohnte, ging er sogleich des andern Tags zu ihm hin, fröhlichen Mutes und in der sicheren Hoffnung, dass er werde bei demselben wieder einstehen dürfen. »Da bin ich wieder, Euer Gnaden«, sagte er beim Eintritt ins Zimmer, »ich, Kaspar, der Kutscher; und ich bitte nun Euer Gnaden, dass mich Euer Gnaden wiederum in Dienst an- und aufnehmen.«
»Nun, Kaspar, weil Er Wort gehalten, so will ich das meine auch halten. Nun aber sage Er mir vorerst, wie ist's Ihm ergangen? Und wie hat Ihm das Herrenleben gefallen?« Kaspar antwortete: »Das Herrenleben, Euer Gnaden, ist eben kein herrliches Leben. Ich hab's nun auch probiert und es reut mich just nicht. Aber zum Zweiten Male möchte' ich es nicht mehr versuchen. Denn was kriegt man zuletzt davon, als Finnen im Gesicht, Säure im Magen und einen halben Schalk im Herzen. Das wird sich aber alles wieder machen, wenn ich erst wieder in die Ordnung komme und zu den Rossen und auf den Bock.«
Der Graf lachte und er sagte, er solle nur an seine Arbeit gehen, wie vordem und seine Sache gut verrichten. Das tat er denn auch, und er blieb bis an sein hohes Alter, wo ihm sein Herr eine gute Versorgung ausgeworfen, Kaspar, der Kutscher.