Halle im October 1806

Anonym 1808

16. October

Immer mehr und mehr concentrirte sich das Korps des Herzogs von Würtemberg in der Stadt und der umliegenden Gegend, alle Häuser waren voll Soldaten vollgepfropft; der Herzog ließ daher zur Erleichterung der Stadt auf der Ebene, welche sich vom Galgthore nach Dieskau hin erstreckt, ein Lager abstecken.

Die Truppen unter seinem Befehle, bestanden meist aus Westpreußischen Regimentern, dem Kerne der Preußischen Armee, nämlich den Regimentern Kalkreuth, Natzmer, Jung-Larisch, Treskow, Kaufberg, den Grenadierbataillons Vieregg und Crety, einigen Füsilierbataillonen und einem starken Train Artillerie.

Wahrhaft muthvoll war die Stimmung dieser braven Krieger, so wenig sie auch seit einem Jahre Ursache hatten, mit ihrem Schicksale zufrieden zu seyn. Der Mißhelligkeiten mit Rußland wegen mußten sie den Marsch gegen die Rußischen Grenzen antreten; Alexan- der erschien in Berlin, und diese Truppen kehrten um, und gingen nach Sachsen; noch ehe sie hier anlangten, ließ der Presburger Friede sie in ihre Garnisonen zurückkehren. Die Armee blieb auf dem Feldetat. Unzähliche Mahle wurden die Beurlaubten aus ihrer Heimath in die Garnison berufen, und hier durch eine neuere, den ersten Befehl wiederrufende Ordre wieder entlassen. Endlich brach die Armee auf und jene Regimenter wurden dazu bestimmt, unter dem Commando des Herzogs Eugen von Würtemberg die Reserve der Preußischen Armee zu formieren. Der Sammlungsort war Cüstrin. Kaum waren sie hier angelangt, so mußten sie schnell nach Magdeburg abmarschieren, und noch ehe sie hier beysammen waren, berief ein Befehl sie nach Halle, um diese Stadt zu decken, und der Hauptarmee näher zu seyn. Hier langte sie in einzelnen Bataillonen seit dem 13ten October an, um wahrscheinlich, wenn sie alle versammelt wären, weiter vorzurücken.

Es waren die schönsten Truppen, welche man sehen kann, sie schienen die Stärke und die Macht des Feindes besser zu kennen, als ihre Vorgänger die jetzt schon mit ihren Gegnern sich gemessen hatten, doch im Vertrauen auf ihre Führer und ihren König und für das Vaterland dachten sie, zu fechten und zu siegen.

Und doch sah man in Halle ein Beyspiel, wie schändlich der Soldat vom Officier behandelt wurde und wie sehr dieser den Besitz der Compagnie nur als eine fette Pfründe anzusehen gewohnt war, welche man den Zeitumständen gemäß, auf die möglichst ergiebigste Art benutzen müsse. Zwey Compagien Grenadiere warfen als sie auf dem Markte aufmarschiert waren, ihre Gewehre fort, und begingen Thätlichkeiten gegen ihre Officiere. Seit sieben Monaten hatten diese ihnen das vom Könige ihnen bestimmte Fleischgeld vorenthalten. Jetzt, wo entfernt von ihrer Heimath auf dem langen Wege der ersparte oder von den Eltern dem Sohne auf den Marsch mitgegebene Zehrpfennig ausgegeben war, hier wo sie schon den Donner der Schlacht gehört hatten, wo vielleicht der nächste Augenblick sie selbst zur Schlacht und zum Tode rief, hier verlangten sie endlich das ihnen gebührende Geld; sie murrten, doch ohne Erfolg; sie vergriffen sich an ihren Officieren, ein Beyspiel ohne Beyspiel in der Preußischen Armee, zumahl bey dem Kern derselben, den Grenadieren, doch auch jetzt ohne Wirkung. Die auf der Hauptwache befindlichen Soldaten arretierten sogleich, von ihren Officieren dazu gezwungen, zwanzig der Unruhigsten, die übrigen kehrten ohne Widerspruch zu ihrer Pflicht zurück.

Nachmittags fingen die Truppen an das Lager zu beziehen. Das Grenadierbataillon Crety blieb mit dem Postamte und der Kriegscasse des Korps in der Stadt. Das Regiment Herzberg Dragoner lag jenseit der Saale in den Dörfern Passendorf, Schlettau u.a. im Westen der Stadt, das Husarenregiment Usedom lag auf dem Wege nach Leipzig und Merseburg. Noch um neun Uhr Abends langte aus der Gegend von Leipzig ein Füsilierbataillon an, und wurde in die Stadt einquartiert.


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