Halle im October 1806
Anonym 1808
Einleitung
Es stürmt! des Meeres Wogen rasen;
Weh dem Nachen, den dieser Sturm
ergreift.
Die Garden des Königs von Preußen waren durch Halle der Armee nach Sachsen gefolgt. In der Gegend des Thüringer Waldes zog sich das Ungewitter, welches Deutschland bedrohete, zusammen; die Welt harrte in banger Ahndung des ersten Schlages.
Auf des Königs Angesicht ruhte, bey seiner Anwesenheit in Halle, eine heitere, fast fröhliche Miene, wie man sie sonst nicht an ihm zu sehen gewohnt war. Dem Patrioten war dies ein Unterpfand für das Gelingen des angefangenen Werks. Wie kann der König, meynte das für den Krieg eingenommene Volk, so heiter seyn, wenn er nicht auf die kräftigste Unterstützung von Seiten seiner Alliierten rechnen darf
Und wenn er nicht schon jetzt, im Vertrauen auf dieselbe und durch die Vereinigung aller Mittel, welche ihm zu Gebote stehen, einen glücklichen Erfolg herbey zu führen denkt. Man wähnte die Russen in Schlesien, vielleicht schon in Sachsen und glaubte, dass die erste für Preußen siegreich ausfallende Schlacht, das Signal des Aufbruchs der Österreicher gegen Frankreich seyn werde. Bayern und die übrigen Deutschen Verbündeten Frankreichs würden bald überwältigt, oder von dem siegenden Heere bedroht, sich zu Preußens Fahnen schlagen; man sah schon die Franzosen überall zurückgedrängt, mit Mühe über den Rhein entkommen, auf ihrem heimischen Boden angegriffen und geschlagen werden.
Und wofür schlug man sich? Für die gerechteste Sache von der Welt. Man sah in Frankreich nur den Bedrücker Deutschlands, man wollte Deutschlands Fesseln zerbrechen und Napoleons glorreicher Feldzug in Süddeutschland, statt die Norddeutschen von jedem Versuche, es mit ihm aufnehmen zu wollen, abzuschrecken, entflammte dieselben nur noch mehr, das hohe Ziel zu erreichen, ihn, den Unüberwundenen, jetzt zu besiegen.
Die Stimmung des Soldaten, war für ihre Führer, so gut als man sie nur wünschen könnte. Vom alten Grolle entbrannt, rückte die Armee im Herbste 1805 aus; die Schlacht bei Austerlitz hieß sie zurückmarschieren. Sie blieb auf dem Feldetat. Der ewigen Neckereyen dieser Lage müde, wünschte der Soldat das Signal zum Aufbruch. Es wurde gegeben und man führte das Heer mit Schneckenschritten in die Gegend, die man mit hoher Weisheit sich zum Schlagen ausersehen hatte. Sich besser als der Österreicher angeführt dünkend, dachte der Preuße die Schmach, welche Österreich bei Ulm erlitten, den Siegern vom vorigen Jahre, in der Nähe von Rossbachs Gefilden vergelten zu können, er träumte nur von Plünderung und Sieg, pochte auf seine körperliche Stärke, und brachte öfters diese seine ausschweifenden Ideen, an Sachsens schuldlosen Landbewohnern zur Wirklichkeit.
Die Officiere vom Adelstolze aufgebläht, glaubten bald mit einer Armee, die von Bürgerlichen angeführt, nie einem Feinde ihres Gleichen sich gegenüber gesehen hätte, fertig zu werden. Noch nie, meynten sie, wären Preußens Heere in offener Feldschlacht Frankreichs Kriegern gewichen und wahre Taktik herrsche nur bey ihnen. Sie verließen sich auf ihr geputztes Heer, und die auf dem Revueplatz gewonnenen Schlachten und gemachten Märsche, sie deckten die Blöße mit den Lorbeeren, welche ihre Großväter sich errungen hatten und dachten nur an Triumphe, Adlerorden, Avancements und die goldene Ruhe nach dem Siege. Die wenigen in Friedrichs Schule gebildeten Generale waren alt, ergraut, und seit langer Zeit unthätig; sie kämpften nie gegen Frankreich, seit Napoleons Geist es lenkt, und freuten sich im Geiste schon des Siegs, welcher den Österreichern, wie sehr sie ihnen auch zu ihren Plänen nützen könnten, das Übergewicht der Preußischen Taktik bemerkbar machen würde.
Man druckte Kriegslieder, welche die Soldaten nicht sangen, erlaubte auf Theatern und in Schriften Ausfälle gegen Frankreich und seine Alliierte, und suchte Anekdötchen und die Geschichte des siebenjährigen Kriegs und des Feldzugs am Rhein hervor, um seinen Muth zu stählen, und die Franzosen als furchtsam und leicht überwindlich zu schildern. Die Russen marschierten – den Zeitungen nach – durch Pohlen und Schlesien, während ihre Avantgarde noch nicht einmahl die Grenze der Preußischen Staaten berührt hatte.
Mit unglaublicher Schnelligkeit, zog sich dagegen das Französische Heer zusammen und rückte gegen die Grenzen des Feindes an. Die Garden legten in drey Wochen den Weg von Paris nach Bamberg zurück. Die Verbündeten, schon im vorigen Jahre in Süddeutschland geprüft, beseelte derselbe Geist.
Im Vertrauen auf seine Siege, in vier Welttheilen errungen, auf seine Führer, seit fünfzehn Jahren im immer- Währenden Kriege gebildet, auf seine Taktik, jedem Terrain anpassend, im Vertrauen auf Napoleon, der ihn nach Wien führte, überließ sich der Französische Krieger, mit jedem Bedürfnisse reichlich versehen, ohne Sorge den Ausbrüchen seines feurigen Temperaments und den Freuden des Soldatenlebens. Er sehnte sich nach dem Augenblicke, welcher ihn zur Schlacht rief, um die Beschimpfung zu rächen, welche Preußen ihm anthat, als es den Französischen Heeren, Deutschland innerhalb sechs Wochen zu räumen, befahl.
Täglich gingen Nachrichten von dem Vorrücken beyder Armeen ein, aus denen sich ergab, dass die Preußen die Ankunft des Feindes diesseit des Thüringer Waldes abwarten wollten, während die Franzosen durch Eilmärsche ihnen in diesem wichtigen Posten zuvorzukommen suchten, um sich in Sachsen festzusetzen, welches vorzügliches Interesse für sie haben musste. Napoleon erschien bey der Armee, die Rollen wurden vertheilt, die Anführer begaben sich auf ihre Posten, die Vorbereitungen zum großen Trauerspiele, das man geben wollte, fingen an, der neunte October erschien, der Krieg wurde erklärt, die Feindseligkeiten begannen.