Halle im October 1806

Anonym 1808

Den 14. October

Schon von sechs Uhr Morgens an, vernahm man in der Gegend von Halle, besonders auf den Hügeln im Süden von Glaucha, deutlich den Kanonendonner einer entfernten Schlacht. Öfters schwieg das Getöse einige Minuten hindurch um bald mit vermehrter Stärke wieder anzufangen. Man sagte, daß das in der Gegend von Leipzig bemerkte Korps von den Preußen verfolgt, bey Schaafstedt oder Lauchstedt eingeschlossen wäre, und sich nur mit Mühe vertheidige. Auch schien die Stärke des Kanonendonners diese geringe Entfernung des Kampfplatzes zu bestätigen, denn man glaubte jeden einzelnen Schuß unterscheiden zu können, ungeachtet der Wind ziemlich lebhaft der Gegen zu wehete, von welcher der Schall kam. Die ganze Besatzung der Stadt, welche schon bis auf mehrere Regimenter angewachsen war, stand deshalb lange Zeit in den Straßen unter Gewehr. In Giebichenstein langte ein Trupp Sächsischer Dragoner und Husaren an, welche auf dem Wege, Remontepferde zur Armee zu führen, in der Gegend von Schaafstedt von Franzosen attaquirt worden. Ohne Pulver und Bley blieb ihnen nichts als eine schnelle Flucht übrig.

Mittags wurde der Französische Sprachlehrer Renault arretirt. Dieser Mann, ein treuer Anhänger seiner Nation, äußerte laut gegen jemand auf dem Markte: Napoleon werde den König von Preußen dethronisieren. Ein Student, welcher sich der Sache annahm, verhaftete ihn.

Nachmittags wurde die Kanonade schwächer und schien sich zu entfernen, woraus man schließen zu können glaubte, daß die Preußen die Sieger wären, indem sie die gegen Halle vordringenden Feinde geschlagen hätten und jetzt wahrscheinlich verfolgten.

Zwey Feldjäger, welche am Abende durch Halle gingen, verbreiteten die Nachricht, daß sie die Bothschaft des heute errungenen Sieges nach Berlin überbrächten. Dies bewog einige patriotische Musensöhne, dem Könige von Preußen ein VIVAT, den Franzosen ein Pereat anzustimmen. Auch das am 9ten October publicirte Kriegsmanifest kam heute nach Halle, und wurde, so wie die Ordre an die Armee, von demselben Dato, auf dem Markte, dem zahlreich versammelten Volke vorgelesen, und mit allen Zeichen der Zufriedenheit mit diesem Kriege, und der Erbitterung gegen den Feind, aufgenommen.


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