Briefe auf einer Reise durch Deutschland und der Schweiz im Sommer 1808.

von Charlotte von Ahlefeld.

Sechzehnter Brief

Neufchatel, den 27. Juli.

Wir besahen gestern noch verschiedene Kunstwerke der Uhrmacher in chaux de Fond, die wirklich Erstaunen und Bewunderung erregen. Sehr niedlich fand ich die musikalischen Taschenuhren, die ohne größer zu seyn, wie die gewöhnlichen, mit der größten Präcision kleine, allerliebste Lieder spielten. Ihre Töne waren zart gedämpft, wie ein leiser Harfenklang. Verschiedene zeigten auh Automaten auf ihrer Oberfläche, aber mir gefielen die weit besser, die ganz anspruchslos leichte, gefällige Melodien herspielten, ohne daß kleine Figuren sie hervor zu bringen schienen.

Eine große Tischuhr in der Gestalt eines Felsens bewegte eine Menge künstlich angebrachter Krystallperlen, die sehr täuschend einen Wasserfall vorstellten, indeß das innere Werk verschiedene  Arien aus der Zauberflöte spielte. Die neuesten Arten von Taschenuhren waren unbegreiflich flach und à jour gearbeitet. In allen Häusern, wo man uns herum führte, zeigte man mit der größten Gefälligkeit alles, was vorräthig war. Bei dem einen Uhrmacher sah ich einen großen Schrank, der ein dumpfes Getöse von sich gab. Als er ihn öffnete, wurden die verworrenen Töne deutlicher, aber so betäubend für mich, daß ich es gewiß keine Viertelstunde dabei ausgehalten hätte. Es kam von ohngefähr hundert aufgezogenen Taschenuhren her, welche da hiengen, und wie das Geflüster eines starken Regens, nur tausendmal piquanter, sich hören ließen, so daß mir, selbst bei den gesunden Nerven, die mir der Himmel gegeben hat, der Angstschweiß ausbrach.

Eine herrliche, wild romantische Gegend führte uns durch Ballengin nach Neufchatel zurück. Oft, als die Pferde mühsam mit uns den ersten Berg herauf krochen, blickte ich zurück in das grüne, mit hübschen Häuserchen besäete Thal, wo Fleiß, Genie und Zufriedenheit in schöner Eintracht wohnen, und verflocht es in die Lieblingsträume, mit denen ich zuweilen mein Innerstes einwiege.

Gegen Abend giengen wir hier in Neufchatel spazieren und besahen das Schloß, das herrliche Aussichten auf den See, und die dahinter liegende Bergkette hat, über die sich weiß und schimmernd in weiter Ferne die Schneegebirge erheben. Das Rathhaus ist sehr schön, und muß den Neufchatelern besonders theuer seyn, da es, so wie manche andere Verschönerung der Stadt, ein Wekr des Patriotismus von einem ihrer ehemaligen Mitbürger ist.

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Fortsetzung.
Yverdün, Nachmittgs.

Ueber Granson, wo Karl der Kühne die berühmte Schlacht und seine Edelsteine verlohr, sind wir glücklich hier angekommen. Yverdün liegt noch am Ende des Neufchateler Sees, an einem Theil des Jura, der hier aber Chasseron genannt wird. Ueberall breiten sich die angenehmsten Sparziergänge aus - daß heißt, die Kunst hat wenig gethan; aber man vermißt ihren Einfluß nicht im Schooße einer so reichen Natur.

Wir besuchten auch das berühmte Pestalozzische Institut und hörten in verschiedenen Klassen den Unterricht der Zöglinge mit an. Pestalozzi XE "Pestalozzi, Johann Heinrich"  ist ein freundlicher, ältlicher Mann, dessen Aeußeres Zutrauen und Wohlwohllen einflößt. Die Kinder scheinen ihn sehr zu lieben. Sie empfiengen ihn überall, wo er sich sehen ließ, mit Innigkeit und unverstellter Freude. Auch sahen sie alle froh und glücklich aus, was mich immer sehr an Kindern freut. Du wirst Dir leicht denken, daß ich mir über das Ganze kein Urtheil erlaube.


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