Anton Friedrich Justus Thibaut
* 04.01.1772 in Hameln
† 28.03.1840 in Heidelberg
Anton Friedrich Justus Thibaut wurde am 04.01.1772 in Hameln geboren. Der Vater Friedrich Wilhelm Thibaut, Offizier in der Armee des Königreichs Hannover, entstammte einer französischen Hugenottenfamilie. Mutter war Antoinette Friederike Grupen. Bernhard Friedrich Thibaut, Mathematiker in Göttingen, war sein jüngerer Bruder.
Nach dem Schulbesuch in Hameln und Hannover beabsichtigte der junge Mann zunächst Förster zu werden. So verließ er für eine entsprechende Ausbildung die Schule und kehrte nach zwei Jahren jedoch an die Hannoveraner Schule zurück. Er setzte nun seine schulische Ausbildung fort und studierte im Anschluss vom 24.10.1791 bis zum 31.05.1793 Jura in Göttingen. Ob der musikbegeisterte Student Thibaut die Gelegenheit nutzte um bei Johann Nikolaus Forkel Musikunterricht zu nehmen ist nicht belegt.
Einen Aufenthalt in Königsberg, wo er auch Vorlesungen bei Immanuel Kant besuchte, bezeichnete er später als »philosophische Lustreise«. Im Anschluss seines Königsberger Aufenthalts begab er sich nach Kiel. Hier lernte er Barthold Georg Niebuhr kennen, der zur gleichen Zeit dort studierte. Ende November 1795 promovierte der junge Akademiker und habilitierte Anfang des folgenden Jahres zum Doktor der Rechte.
Thibaut trat Ende 1796 in Kiel eine Stelle als Adjunkt an der Juristischen Fakultät an und wurde bereits im Jahre 1798 zum außerordentlichen Professor für Zivilrecht berufen. Noch im gleichen Jahr veröffentlichte er unter dem Titel »Versuche über einzelne Theile der Theorie des Rechts« eine Sammlung seiner rechtswissenschaftlichen Essays. Im folgenden Jahr publizierte er »Theorien der logischen Auslegung des römischen Rechts«, welches eines seiner Schlüsselwerke darstellte. Im Jahre 1802 erschien aus seiner Feder eine kritische Beurteilung von Feuerbachs Kriminalrecht. Im Jahre 1801 erfolgte bereits seine Berufung zum ordentlichen Professor der Juristischen Fakultät zu Kiel.
Im Jahre 1802 erfolgte Thibauts Berufung nach Jena. In dieser Stadt schloss er Freundschaft mit Goethe, Friedrich von Schiller und Johann Heinrich Voß. In Schillers Gartenhaus verfasste er seine Hauptschrift »System des Pandektenrechts«, welchem zahlreiche Auflagen beschieden waren.
Nach seinem Aufenthalt in Jena, der gerade einmal 3 Jahre dauerte, trat er im Jahre 1805 eine Stelle als Professor für römisches Recht in Heidelberg an. Im seinem ersten Jahr wurde er gleich zum Rektor der Universität gewählt. In den Jahren 1807 und 1821 wurde er ebenfalls in das Amt des Rektors gewählt. Im Jahre 1819 vertrat er die Universität in der Kammer der Badischen Ständeversammlung.
Seit dem Jahre 1808 gehörte er der Redaktion der »Heidelberger Jahrbücher« an. Er betreute den Bereich Jurispondenz und Staatswissenschaften. Erst als im Jahre 1822 eine Umbildung der Redaktion anstand schied er aus diesem Amte aus. Er wurde nun Mitherausgeber des »Archivs für die civilistische Praxis«. Berufungen an die Universitäten Göttingen im Jahre 1828 und München im folgenden Jahr lehnte Professor Thibaut aus »moralischen Gesinnungen für Heidelberg« immer ab.
Am 10. Und 11.02.1829 wurden Professor Anton Friedrich August Thibaut große Ehren zuteil. Der Stadtmagistrat von Heidelberg berief ihn zum Ehrenbürger und am folgenden Tag zum Ehrenmitglied des Stadtmagistrats. Im Mai des folgenden Jahres überreichte sein ehemaliger Schüler Großherzog Leopold von Baden ihm das Kommandeurskreuz des Zähringer Ordens mit Eichenlaub.
Er erregte im Jahre 1814 großes Aufsehen mit seiner Schrift »Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland«. In dieser Schrift forderte der Jurist in einem leicht lesbaren und schwungvollen sprachlichen Stil die Einführung einer einheitlichen Kodifikation des deutschen – nicht nur des einzelstaatlichen – Rechts plädierte. Der Berliner Jurist Savigny griff ihn in seinem Werk »Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft« heftig an. Professor Thibauts sympathisierte in seinem Wunsche nach einer einheitlichen nationalen Kodifikation des deutschen Rechts mit dem durch die Befreiungskriege gestärkten Nationalempfinden, dass sich jenseits der regierenden Herrscher im deutschen Bunde ausbreitete und einen deutschen Nationalstaat herbeisehnte. Auf der anderen Seite empfand er als Jurist auch für das französische Rechtssystem unter Napoléon große Sympathien, so schwebte ihm mit dem von ihm gewünschten deutschen Recht gleiches vor. Auch wenn Savigny und seine historische Schule zunächst durchsetzen konnten, findet man Thibauts Appell im Artikel 64 der Paulskirchenverfassung von 1848 wieder. So erklärte die Versammlung eines gemeinsamen Zivilgesetzbuches für eine Aufgabe des Reiches. Im Jahre 1900 trat das Bürgerliche Gesetzbuch für Deutschland in Kraft, dass heute noch seine Gültigkeit hat.
Er beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit den Pandekten. Die Pandekten-Forschung bemühte sich das eher fallspezifische römische Recht (Gewohnheitsrecht) in abstrakte Rechtssätze und Rechtsbegriffe umzuwandeln. Im wissenschaftlichen Disput ob es sinnvoll sei das Zivilrecht in Deutschland zu kodifizieren - den sogenannten Kodifizierungsstreit - stand Thibaut als Befürworter im Widerspruch zu dem angesehenen Rechtsgelehrten Friedrich Carl von Savigny. Er vertrat die Auffassung, dass die Zeit noch nicht reif für ein solches Gesetzbuch sei. Es gab bereit sin Preußen seit 1794 das »Allgemeine preußische Landrecht«, das eine Vereinheitlichung des preußischen Rechts realisieren sollte.
Schon in seiner frühesten Jugend entdeckte der junge Thibaut sein Talent für Musik und beschäftigte sich bis zu seinem Lebensende sowohl theoretisch als auch praktisch mit den musischen Künsten. Schon im Jahre 1814 gründete Thibaut einen Singkreis mit dem er bis zum Jahre 1833 regelmäßig donnerstags probte. Für diesen Zweck legte er sich eine Sammlung von alten Vokalsymphonien des 16. bis 18. Jahrhunderts zu. Noten erhielt er unter anderem von Zelter, Goethe, Poelschau, August Kestner sowie seines alten Studienfreundes Niebuhr. Seine umfangreiche Sammlung begründete sich mit seiner Ansicht, dass ein umfangreiches Programm für die Proben zur Verfügung stehen müsse.
Bereits seit dem Jahre 1817 gehörte der Maler Christian Philipp Koester, der gut Klaiver spielte, diesem Singkreis an. Nach dem Tode des Juristen übernahm er dessen Leitung.
Im Jahre 1824 wandte er sich in seinem Werk »Über die Reinheit der Tonkunst« gegen - aus seiner Sicht - Missbräuche der Kirchenmusik. Er forderte die Rückkehr zu den klassischen Komponisten wie den Italiener Giovanni Pierlugi da Palestrina (1514-1594), den Spanier Tomás Luis de Victoria (1548-1611) und den Niederländer Orlando di Lasso (1532-1594). Dieses Werk fand bei seinen Zeitgenossen große Zustimmung und leitete zugleich den Cäcilianismus ein. Es handelte sich dabei um eine kirchenmusikalische Restauration zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
Aus seiner Kieler Zeit dürfte noch Rechtsgelehrte Johann Christian Hasse (1779-1830) als Schüler zu nennen sein.
Christian Gerhard Overbeck (1784-1846) hörte bei Thibaut in Jena juristische Vorlesungen. Als sein Lehrer 1805 nach Heidelberg ging, folgte er diesem.
Die Brüder Joseph (1788-1857), später Lyriker, und Wilhelm von Eichendorff (1786-1849), später Jurist und Staatsbeamter in Österreich, studierten in den Anfangsjahren Thibautsin Heidelberg. Auch der spätere Rechtsgelehrte Leopold August Warnkönig gehörte zu seinen Schülern.
Zu seinen Schülern in Heidelberg gehörte unter anderem der spätere badische Revolutionsführer Friedrich Hecker (1811-1881), der später den nach ihn benannten Aufstand anführte und der während des Amerikanischen Bürgerkrieges weitere Berühmtheit erlangte. Auch der Heimatschriftsteller und Volksliedersammler Anton Wilhelm von Zuccalmaglio (1803-1869) und dessen jüngerer Bruder Vinzenz Jakob Zuccalmaglio (1806-1876) hörten Vorlesungen bei Thibaut. Der spätere erste jüdische Obergerichtsrat Gabriel Reisser (1806-1863) studierte ebenfalls bei den Heidelberger Juristen.
Professor Friedrich Anton Justus Thibaut starb am 28.03.1840 in Heidelberg. Er wurde zunächst auf den St. Anna Kirchhof beigesetzt. Im Jahre 1875 wurde er feierlich auf den Heidelberger Bergfriedhof umgebettet.
Werke:
- Versuche über einzelne Theile der Theorie des Rechts, 1798
- Theorie der logischen Auslegung des römischen Rechts, 1799
- Über Besitz und Verjährung, 1803
- System des Pandektenrechts, 1803
- Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts in Deutschland, 1814
- Über Reinheit der Tonkunst, 1824
- Ueber Reinheit der Tonkunst. Zweyte, vermehrte Ausgabe., 1826.
- Erörterungen über das Römische Recht, 1838