Jodocus Temme

* 22.10.1798 in Lette/Westfalen
† 14.11..1881 in Zurüch

Jodocus Deodateus Hubertus Tenne wurde am 22.10.1798 im westfälischen Lette als ältestes von acht Kindern des Carl Bernhard Joseph Temme Anwalts und Amtsmanns des Stifts Clarholz geboren. Seine Mutter war Marie Elisabeth Ferrier aus Beelen.

Zunächst wurde der junge Temme durch Hauslehrer ausgebildet, ehe er im Alter von 15 Jahren ans Paderborner Gymnasium wechselte und die Prima besuchte. Im folgenden Jahre konnte er mit dem Zeugnis der Reife das Gymnasium verlassen und an der Universität zu Münster ein Studium der Rechtswissenschaften aufnehmen. Nach kurzer Zeit wechselte der angehende Jurist an die Universität zu Göttingen um dort seine Studien abzuschließen. In jenen Jahren schloss er sich den studentischen Burschenschaften – hier dem Corps Guestphalia Göttingen – an.

Nun folgte seine praktische Ausbildung am Oberlandesgericht in Paderborn, wo er zunächst im Jahre 1817 die Auskulatorenprüfung erfolgreich absolvierte. Zwei Jahre später bestand er seine Prüfung als Referendar und wechselte nach bestandenen Assessoren-Examen im Jahre 1821 an das Füstlich Bentheimische Land- und Stadtgericht in Limburg.

Zwischen 1822 und 1824 wurde der Jurist Temme als Begleiter und Erzieher des Prinzen Franz zu Bentheim-Tecklenburg berufen. Er begleitete seinen Zögling bei dessen Studien an den Universitäten Heidelberg, Bonn und Marburg. Im Bonn schloss sich der Prinzenerzieher den Renonce des Corps Guestphalia Bonn an. Im Jahre 1824 gelangte er wieder zurück nach Limburg.

Im Jahre 1827 ging er die Ehe mit Juliane Wilhelmine Plücker aus Elberfeld bei Wuppertal ein. Um sich und seine Ehefrau versorgen zu können, begann er unter dem Pseudonym Heinrich Stahl für mehrere westfälische Zeitungen und Zeitschriften zu arbeiten.

Nachdem er im Jahre 1832 erfolgreich die dritte juristische Staatsprüfung absolvierte erfolgte seine Versetzung an das Hofgericht, welches seinen Sitz in Arnsberg hatte. Im folgenden Jahr erfolgte seine Ernennung zum Kreisjustizrat. Die Beförderung bedeutete zugleich für den Juristen, seine westfälische Heimat zu verlassen und sein neues Amt in Ragnit im Preußisch-Litauen anzutreten. Seine dortige Arbeit nutzte er als Basis für zahlreiche seiner Kriminalnovellen. Eine weitere Versetzung erfolgte im Jahre 1836 als er als Kriminaldirektor nach Stendal in die Altmark versetzt wurde. Weitere zwei Jahre später wurde Temme erfolgte seine Versetzung an das Hofgericht nach Greifswald. Im Jahre 1839 wurde er als Kriminalrat an an das neu eingerichtete Kriminalgericht nach Berlin berufen, wo er auch die Stelle des Vizepräsidenten für fast sechs Jahre wahrnahm.

Als Friedrich Wilhelm IV. ein neues Ehegesetz erlassen wollte, dass die Ehescheidungen erschweren sollte, bezog der aus Westfalen stammende Jurist dagegen Stellung. Er bekämpfte dieses Gesetz des neuen Monarchen dermaßen heftig, dass man es im Jahre 1844 für angeraten hielt, ihn aus der preußischen Hauptstadt zu entfernen.

Auf Befehl Friedrich Wilhelm IV. wurde er zum Direktor des Land- und Stadtgerichts in Tilsit »verbannt«. Auf diese Weise entledigte sich der preußische Monarch eines kritischen Kopfes, indem er diesen weit von der preußischen Hauptstadt Berlin eine neue Stellung übertrug.

Nach der Märzrevolution des Jahres 1848 wurde Temme als Staatsanwalt nach Berlin zurückgeholt. Doch blieb er nur wenige Wochen auf diesem Amte, weil er im Mai desselben Jahres ein Mandat als Abgeordneter für die Preußische Nationalversammlung übertragen bekam. Zusammen mit Jacoby, Waldeck, Ziegler und anderen entwickelte er sich zu einem Gegner der preußischen Regierung und beteiligte sich sowohl an der Steuerverweigerung als auch am Widerstand gegen die Auflösung des Parlaments im November desselben Jahres. Der Versuche ihm das Amt eines Oberlandesdirektors in Münster anzutragen, scheiterten und er blieb zunächst in Berlin.

Am 27.12.1848 wurde Temme in Münster wegen Hochverrats, da er als Steuerverweigerer galt, und Aufruhrs verhaftet und am 27.01.1849 wieder aus der Untersuchungshaft entlassen. Um seine Entlassung zu erzwingen wurde er im Kreis Neuss in die Frankfurter Paulskirchenversammlung nachgewählt.

Auch als Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung zählte der preußische Jurist zu den gemäßigten Linken der Fraktion Westendhall. Da er der preußischen Abberufungs-Ordre nicht folgte, ging er mit dem Rumpfparlament nach Stuttgart, wo er erst nach gewaltsamer Auflösung desselben nach Münster zurückkehrte. Wegen seiner Beteiligung an den »Stuttgarter Beschlüssen« wurde er erneut wegen »fortgesetzter demokratischer Anschauungen« und Hochverrats vor dem Münsteraner Schwurgericht angeklagt. Nach neun Monaten wurde er durch das Gericht, unter großem Jubel der Bevölkerung der Stadt Münster, am 06.04.1850 durch die Geschworenen freigesprochen.

In Berlin wurde der Jurist erneut in einen Prozess, diesmal wurde ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet, verwickelt. Auf Grund einer Verordnung vom 10.07.1849, die für ihn erst rückwirkend in Kraft gesetzt werden musste, verurteilte das Obertribunal in seiner Funktion als Disziplinargericht ihm im Februar 1851 zur Amtsentsetzung und verwehrte ihm zugleich auch seine Pensionsansprüche.

Im Jahre 1851 musste der Jurist sich vollständig auf seine schriftstellerischen Tätigkeiten konzentrierten. So wurde er zum leitenden Redakteur der »Neuen Oderzeitung«, einem oppositionellen Sammelbecken, in Breslau. Doch da er und auch seine Familie ständig durch die preußische Polizei überwacht und schikaniert wurden, entschloss er sich im den Ruf als Professor für Kriminalrechts an die Universität Zürich zu folgen. Dieses nicht besoldete Amt übte er bis zum Jahre 1861 aus.

Seit etwa Mitte der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts intensivierte der ehemalige preußische Beamte seine belletristische Schöpfung, die für gut 20 Jahre anhalten sollte. So verfasste er zahlreiche Krimininalromane. Eine sehr umfassende Anzahl seiner Texte erschien in der seinerzeit sehr beliebten Zeitschrift »Die Gartenlaube«. Mi diesen Novellen gab Tenne zahlreiche Anstöße für die Entwicklung des deutschen Kriminalliteratur des 19. Jahrhunderts.

1863/64 ging Temme als Mitglied des Abgeordnetenhauses des Preußischen Landtags in seine preußische Heimat zurück. Im Jahre 1878 zog er mit seiner Ehefrau nach Tilsit, wo sie jedoch nach wenige Monaten starb.

Jodocus Temme entschloss sich wieder nach Zürich zurückzugehen, wo er am 14.11.1881 starb. Seine letzte Ruhestätte fand er in Aussersihl bei Zürich.

Friedrich Wilhelm IV.

Werke:

  • Der Bluthund., Quedlinburg, o.J. [mit Alfred von Tabouillot]
  • Adele, oder das grausame Verhängnis. Vom Verfasser des Bluthundes., Quedlinburg 1823
  • Die Kinder der Sünde. Roman., Leipzig 1827
  • Otto Schütz und der Auskultator Ewald. Historisch-romantische Erzählung., Leipzig 1828
  • Erzählungen von H. Stahl, Verfasser der »Kinder der Sünde«., Leipzig 1828
  • Die Familie Hachenburg [Novelle], Leipzig 1828
  • Die Ideale [Roman]., Leipzig 1829
  • Novellen und Erzählungen., Hamm 1829
  • Novellen., Leipzig 1831
  • Das Rosenfest zu Valency [Roman], Leipzig 1831
  • Die geheimnißvolle Familie [Novelle], Leipzig 1834
  • Commentar über die wichtigeren Paragraphen der Preussischen Criminalordnung: zunächst für preussische Inquirien., Berlin 1838
  • Die Lehre von der Tödtung, nach preußischem Rechte., Leipzig 1839
  • Der Proceß Lafarge beleuchtet nach Preußischem Strafrechte., Berlin 1841
  • Das preußische Vormundschaftsrecht., Berlin 1847
  • Rechtliches Bedenken über die Verlegung und Vertagung der preußischen Nationalversammlung., Berlin 1848
  • Über die Rechtmäßigkeit der Einberufung von Stellvertretern nach Brandenburg., Berlin 1848
  • Zur Kritik des Entwurfs des Strafgesetzbuches für die preußischen Staaten., Berlin 1848
  • Grundzüge eines deutschen Strafverfahrens., Arnsberg 1850
  • Neue deutsche Zeitbilder. Bd. 1: Anna Hammer. Ein Roman der Gegenwart., Eisleben 1850; Bd. 2: Josephe Münsterberg. Roman aus der Gegenwart., Eisleben 1850; Bd. 3: Elisabeth Neumann [Roman]., Bremen 1852
  • Kritische Bemerkungen zu dem Entwurf eines Strafgesetzbuches für den Canton Bern., Zürich 1853
  • Glossen zum Strafgesetzbuche für die preußischen Staaten., Breslau 1853
  • Lehrbuch des preußischen Strafrechts. Berlin 1853
  • Schloß Wolkenstein. 2 Bde. Leipzig 1854
  • Die schwarze Mare. Bilder aus Litthauen. [3 Bde.], Leipzig: 1854
  • Die Verbrecher [Roman]. [5 Bde.], Leipzig 1855
  • Lehrbuch des schweizerischen Strafrechts nach den Strafgesetzbüchern der Schweiz., Aarau 1855
  • Anleitung zur Civilprozeß-Praxis., Schaffhausen 1855
  • Anna Jogszis. [4 Bde.], Leipzig 1856
  • Berliner Polizei- und Kriminalgeschichten in humoristischer Färbung. Mit 36 Illustr. von L. Löffler., Berlin 1858
  • Die Gesellschafterin., Leipzig 1858
  • Deutsche Criminalgeschichten. [4 Bde.], Leipzig 1858f.
  • Deutsche Kriminalgeschichten., Leipzig 1858
  • Vergessene Geschichten., Berlin 1859
  • Der alte Hauptmann [Roman]. [3 Bde.]. Leipzig 1859
  • Vergessene Geschichte. Aus dem Actenstoße eines alten Juristen. Illustr. von L. Löffler., Berlin 1859
  • Adel [Roman]. [2 Bde], Golgau 1860
  • Criminal-Novellen., Berlin 1860-1864
  • Criminal-Novellen. 10 Bde. Berlin 1860-64
  • Der Domherr. Historischer Roman. [4 Bde.], o.O. 1862
  • Dunkle Wege. Schilderungen aus der Wirklichkeit. [3 Bde.], Berlin 1861
  • Schwarzort [Roman]. [3 Bde.], Berlin 1863
  • Im rothen Krug [Kriminalnovelle]., Berlin 1863
  • Ein Maskenball [Kriminalgesch.]., Berlin 1864
  • Die Freiherrn von Falkenburg [Kriminalgesch.]., Berlin o.J.
  • Pfeifenhannes [Kriminalgesch.]., Berlin 1865
  • Zum Tode verurtheilt [Erz.]., Berlin 1866
  • Verkuppelt [Erzählung]., Berlin o.J.
  • Der Domherr [Roman]., [4 Bde.], Leipzig 1867
  • Criminal-Bibliothek. Merkwürdige Criminal-Prozesse aller Nationen. Begr. von T[emme]. Lfg. 1-28., Hamburg 1867-1874; Lfg. 29-65. Berlin 1872-1874
  • Die Heimath. Ein Schweizer Roman. [3 Bde], Leipzig 1868
  • Erzählungen. [6 Bde.], Leipzig 1868
  • Die Erbgrafen. [4 Bde.], Leipzig 1869
  • Ein Gottvertrauen [Kriminalgesch.]., Berlin 1869
  • Gesammelte Criminal-Novellen. [22 Lfgen.] Illustr. Volksausg., Löbau 1868-1870 [Inhalt: 1. Zwei Kalifornier; 2. Der verfolgte Dieb; 3. Des Kaufmanns Ehrenschild; 4. Das Kreuz sowie viele Nachdr.]
  • Dunkle Thaten. Neue gesammelte Criminal-Novellen und Erzählungen. Illustr. Volksausg. 4 Lfgen., Löbau 1869
  • Die Frau des Rebellen. Roman. [2 Bde], Leipzig 1870
  • Zwei Revolutionsgeschichten. Eine Silbergroschen-Bibliothek., Berlin 1870-1872
  • Das Recht auf Erden [Roman]. [2 Bde.], Leipzig 1871
  • Ein Verworfener [Roman]. [2 Bde.], Berlin 1871.
  • Bankerott [Roman]. [2 Bde.], Berlin 1871
  • Zwei Revolutionsgeschichten. Der Quälgeist auf dem Weißenstein., Berlin 1871
  • An der Memel [Roman]. [2 Bde.], Berlin
  • Der Pole [Kriminalgesch.]., Leipzig 1872
  • Der gute Herr [Kriminalgesch.]., Berlin 1872
  • Der Studentenmord in Zürich [Kriminalgesch.]., Leipzig o.J.
  • Die Universitätsfreunde [Roman]. [4 Bde.], Leipzig 1873
  • Die Weddinger. Berlin 1873
  • Der Freiherr auf Ullosen. Roman von der russischen Grenze. [2 Bde.], Prag 1873
  • Criminal-Novellen. [3 Bde.], Berlin 1873
  • Schwurgericht und Schöffengericht. Ein Flugblatt an das deutsche Volk., Berlin 1874
  • Zur linken Hand., Berlin 1874
  • Schloß Lohburg [Roman]. [2 Bde.], Berlin 1873
  • Ein verlorener Thron [Roman]. [3 Bde.], Prag 1874
  • In der Ballus [Kriminalgesch.]., Leipzig 1874
  • Das goldene Herz [Kriminalgesch.]., Leipzig 1874
  • Im Franciscanerthurm [Erz.]., Leipzig o.J.
  • Aus grauer Haide [Kriminalgesch.]. [2 Bde.], Berlin 1875
  • Ein Verlobungsfest. Berlin 1875
  • Allerlei Reisegesellschaft [Novelle]., Leipzig 1875
  • Im Amthause zu Sinningen [Roman]., Leipzig 1876
  • Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts., Stuttgart 1876
  • Der Studentenmord in Zürich [Kriminalgesch.]., Leipzig o.J.
  • Die Präsidentin [Kriminalgesch.],. Leipzig 1877
  • Die Generalin [Roman]. [4 Bde.], Leipzig: Günther 1877
  • Nach Jahren [Kriminalgesch.]., Berlin 1877
  • Ein Erbprinz [Roman]., [2 Bde.], Leipzig 1878
  • Ein Gottvertrauen [Kriminalgesch.]. Volksausg., Berlin 1878
  • Die Tochter des Pfarrers., Berlin 1879

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