Maria Kunigunde von Sachsen

* 10.11.1740 in Warschau
† 08.04.1826 in Dresden

Maria Kunigunde von Sachsen war das jüngste Kind des polnischen Königs und sächsischen Kurfürsten Friedrich August II. und seiner Frau Maria Josepha von Österreich. Der Vater, der einen großen Familiensinn hatte und sich auch mit anderen künstlerischen Tätigkeiten beschäftigte, vernachlässigte hingegen die Regierungsgeschäfte und überließ sie seinen Ministern Brühl und Sulkowski.

Ihre Eltern sorgten für eine gute Erziehung der polnisch-sächsischen Prinzessin. Sie lernte Latein, Französisch, Polnisch und wurde in Philosophie, Religion unterrichtet. Sie erlernte auch Zeichnen, Musik und Tanz. So wirkte sie bereits als junges Mädchen am Dresdener Hof in Opernaufführungen und Singspielen mit. Sie sang sogar die Hauptrolle in der von Johann Adolph Hasse verfassten Oper »Leucippo«.

Maria Kunigunde von Sachsen sollte, wie alle Kinder regierender europäischer Fürstenhäuser, durch eine Heirat die politischen Beziehungen der Wettiner stärken. Als absehbar war, dass Isabella von Habsburg, die erste Gemahlin des Kaisersohnes Joseph, ihre schwere Krankheit nicht überleben werde, begann man am sächsischen Hof kam sie als erste Brautkandidatin ins Gespräch. Doch nach dem Tod der Erzherzogin traten auch weitere europäischen Fürstenhäuser auf und boten Prinzessinnen als potentielle Bräute auf. Schließlich konkurrierten 5 Prinzessinnen um den jungen Witwer.

Als Joseph, seit dem 03.04.1764 zum römisch-deutschen König gewählt, im August 1764 die Zustimmung zu einer neuen Eheschließung gab, hatten sich die Chancen für die sächsische Prinzessin gravierend verschlechtert. Neben der offiziellen Politik setzten zogen auch die Hofchargen in der Wiener Hofburg ihre Fäden. So handelten gegen die sächsische Prinzessin und für die kurbayerische Prinzessin Maria Josepha ergriffen eine Gräfin von Sternberg, eine Fürstin von Fürstenberg sowie eine junge Fürstin von Auersberg und der Fürst und die Fürstin von Liechtenstein Partei.

Doch auch der sächsische Gesandte am Kaiserhof, Graf Petzold, verhielt sich nicht besonders geschickt. So ignorierte er die konkurrierenden Prinzessinnen von Beginn an und hielt sie für chancenlos. Er sah auch keine Gefahr als bereits im Januar 1765 Gerüchte über die sächsische Prinzessin und ihren Bruder Clemens Wenzeslaus die Runde machten und Erzherzog Joseph die Bedingung, dass er vor der Eheschließung die zukünftige Braut zunächst selbst in Augenschein nehmen wolle. Was im Übrigen nicht den Gepflogenheiten europäischer Heiratspolitik des 18. Jahrhunderts entsprach.

Trotz der Warnungen des sächsischen Hofes in Dresden war Petzold sich immer noch seiner Sache sicher. Man vereinbarte ein Treffen für den 10. und 11.10.1765 im Kurort Teplitz an der Südseite des Erzgebirges statt. Am 02.11.1765 fand ein in Straubing ein Treffen zwischen Joseph und Maria Josepha von Bayern statt.

Die Wahl des Königs fiel letztlich auf die bayerische Prinzessin, jedoch war nicht das persönliche Treffen der Brautkandidaten ausschlaggebend, sondern dynastische Aspekte. Bei der Wahl Josephs am 27.03.1764 war die Stimme Bayerns unbedingt erforderlich, jedoch noch nicht sicher. Auch der Wiener Hofstaat, der pro-bayerisch eingestellt war, sorgte sich um seine böhmischen Besitzungen, auf die der bayerische Kurfürst Ansprüche erhob. Schließlich fand man einen Kompromiss, der jedoch auf Kosten von Prinzessin Maria Kunigunde geschlossen wurde. Joseph geht die Ehe mit der bayerischen Prinzessin ein und seine Schwester Erzherzogin Christine heiratet Prinz Albert von Sachsen. Somit war der Ruf der sächsischen Prinzessin letztlich an den europäischen Fürstenhöfen verbrannt und sie fiel als potentielle Braut aus.

Maria Theresia war ebenso wie der Dresdener Hof bemüht die Angelegenheit vergessen zu lassen. Sie bot die Kaiserin-Witwe an, dass Maria Kunigunde das Kloster auf dem Hradschin, wo eine ihrer Töchter Äbtissin war, mit großzügigen Einkünften zu überlassen. Doch lehnte der Dresdener Hof dieses Angebot ab und forderte stattdessen die höchste Würde bei einer »angesehenen immediaten Reichs-Fürstlichen Abtei eines teutchen Damenstifts […], womöglich die von Essen«.

Neben den Hochstift Essen kamen noch die reichsunmittelbaren Damenstifte in Münsterbilsen und Thorn in als mögliche Entschädigungen in Frage. Trotz aller Bemühungen des österreichischen und sächsischen Hofes scheiterte die Berufung der Prinzessin in Münsterbilsen am Widerstand des Stiftskapitels. So bestand es auf die Einhaltung aller Regeln des klösterlichen Lebens. Hierzu gehörte die Vorlage einer von zwei Kurfürsten, Fürsten oder Reichsgrafen bestätigte Adelsprobe, was der sächsische Hof als Affront betrachtete, auch die strikte Residenzpflicht. Erst nachdem ein päpstlicher Dispens von der Residenzpflicht und Kaiser Joseph II. die Münsterbilsener Klostergüter arrestierte, beugte sich das Stiftskapitel und nahm Maria Kunigunde als Stiftsdame auf. Zwischenzeitlich ging es nicht mehr darum, die sächsische Prinzessin zur Äbtissin dieses Klosters zu machen, sondern eher um die Gesichtswahrung des Kaiserhofs.

Im Jahre 1775 wurde Prinzessin Maria Kunigunde offiziell als Koadjutorin gewählt. Mit ihrer Wahl erhielt sie auch das Recht die Nachfolge der noch lebenden Äbtissin Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach antreten zu können. Nachdem zuvor 45.000 Gulden von Wiener und Dresdener Hof an die wahlberechtigten Stiftsdamen und Kanoniker in Essen und Thorn gezahlt wurden, erfolgte die Wahl einstimmig. Sie konnte am 16.07.1776 das Amt der Äbtissin in Essen und Thorn antreten, da ihre Vorgängerin im Alter von 80 Jahren verstarb. Als Fürstäbtissin in Essen und Thorn hatte sie neben ihren geistlichen Rechten auch alle Rechte eines Reichsfürsten. Somit hatte sie Sitz und Stimme im Reichsrat. Darüber hinaus oblag ihr die niedere Gerichtsbarkeit, das Steuer- und Münzrecht, sie durfte innerhalb des Hochstifts Gesetze erlassen und war für das Heerwesen verantwortlich. Darüber hinaus besaß sie gegenüber der weltlichen Macht Immunität.

Das Stift Essen war zwar ein angesehener Besitz, dennoch entsprach es nicht annähernd den Ansprüchen der Dresdener Hofhaltung oder ihres Bruders Clemens Wenzeslaus, der in Koblenz residierte. So waren die Essener Abteigebäude feucht, die Stadt war sehr provinziell und die Straßenverhältnisse waren katastrophal. Auch existierte kein Kulturleben in der Stadt. So ist verständlich, dass Maria Kunigunde erst am 08.10.1777 prunkvoll in Essen einzog. Doch hielt es sie nur eine Nacht in ihren neuen Besitztümern.

Sie lebte bereits seit dem Jahre 1769 überwiegend am Hofe ihres Bruders Clemens Wenzeslaus, wo sie einen großen Einfluss an den Entscheidungen ihres Bruders hatte. Sie kümmerte sich auch aus der Ferne stets um die Angelegenheiten Ihres Stiftes in Essen. Bei ihrer Amtsführung wurde sie vom Regierungsdirektor Johann Jakob Schmitz unterstützt, der aus dem Stiftsgebiet einen absolutistisch-aufgeklärten Staat schaffen wollte. Zunächst konnte eine Justizreform im Jahre 1781 noch reibungslos umgesetzt werden Doch spätestens mit der Schaffung einer »Hochfürstlichen Forst- und Jagd-Verordnung« auf den heftigen Widerstand der Stände traf. Der erste Stand, bestehend aus den Stiftsdamen, reichten auf Grund des Vorgehens der Fürstabtissin beim Reichskammergericht Klage ein, obwohl beide Parteien sich bewusst waren, dass der Prozess keine endgültige Klärung des Konflikts herbeiführen würde. Erst nachdem Schmitz im Jahre 1792 Essen verließ und einer Berufung als Professor an die Universität Bonn folgte, konnten sich Vertreter der Stände und der Fürstin auf einen Kompromiss einigen, der schließlich am 17.09.1794 in den Landesgrundvergleich mündete und die Kompetenzen von Äbtissin und Landesständen festlegt und gegeneinander abgrenzt. Somit hatte man erstmals in der mehr als 900 Jahren bestehenden Abtei eine geschriebene Verfassung und verbesserte in den letzten Jahren des Bestehens des reichsunmittelbaren Hochstifts Essen das Verhältnis zwischen Maria Kunigunde und ihrem Domkapitel deutlich.

Die Äbtissin setzte sich für eine Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung ihrer Untertanen ein. So erließ sie ein Abtreibungsverbot und regelte in einer Verordnung die Tätigkeit der Wundärzte und Hebammen. Sie führte die Schulpflicht ein und begründete eine Mädchenschule für höhere Töchter. Da ihre Vorgängerin verschwenderisch wirtschaftete traf sie nun auf Widerstand des Domkapitels bei Ausgaben. So scheiterten ihre Pläne zum Ausbau des Schlosses Borbeck ebenso wie Pläne für die den Bau einer Chaussee, die die preußische Mark mit dem ebenfalls preußischen Wesel verbinden sollte am Widerstand des Domkapitels. So ließ sie die Chaussee, die auch die Verkehrssituation in Essen verbesserte letztlich auf eigene Kosten errichten. In der Folge übernahm sie auch den Betrieb der Straße und erhob Gebühren für die Straßennutzung, was ihrer privaten Kasse jährlich Einnahmen in Höhe von rund 1.700 Reichstalern bescherte. Da sie die Chaussee als Privatunternehmerin betrieb sollte diese Straße später auch nicht Bestandteil der preußischen Inbesitznahme werden. Die Äbtissin verkaufte die Straße im Jahre 1803 für 45.000 Reichstaler an den preußischen Staat. Preußen hatte großes wirtschaftliches Interesse die Hauptverkehrsader ihrer neu erworbenen Gebiete an Niederrhein selbst zu besitzen.

Auch beteiligte sich die Adelige an der aufkommenden Industrialisierung des späteren Ruhrgebietes. So beteiligte sie sich aus ihrem Privatvermögen auch an mehreren Hütten in Essen und Umgebung. So bildete sich unter Beteiligung ihrer Hofkammer eine Gesellschaft zur Verhüttung Eisensteins. Am 23.01.1791 erhielt diese Gesellschaft die Erlaubnis eine Eisenhütte unter dem Namen »Neu Essen« zu errichten. Im Jahre 1787 hatte sie sich bereits an der Eisenhütte »Gute Hoffnung« beteiligt und im Jahre 1796 erwarb sie noch die Hütte »St. Antony«. Sie holte sich den Hüttenvorsteher Gottlob Jacobi aus Koblenz an die Ruhr, der im Jahre 1799 auch Miteigentümer der Hütten wurde. Da auch die Eisenhütten der Äbtissin aus Mitteln ihres Privatvermögens erworben wurden, gehörten sie nicht zum zu säkularisierenden Eigentum. Am 24.05.1805 erwarben die Brüder Franz und Georg Haniel ihre Anteile an den Hütten für 23.500 Reichstaler. Über ihren Schwager Heinrich Arnold Huyssen erwarben die Brüder Haniel auch die Hütte »Gute Hoffnung«, was letztlich den Grundstein für die spätere Gutehoffnungshütte legen sollte.

Mit der Besetzung des Stifts und der Stadt Thorn durch französische Revolutionstruppen wurde auch die mehr als 800 Jahre lange Herrschaft der Stiftsdamen beendet. Die Abteigebäude des Stiftes, die um das Jahr 1800 niedergerissen wurde, verwendetenten die Thorner Bürger zum Umbau ihrer Häuser, da die Franzosen eine Fenstersteuer erhoben. Diese war abhängig von der Fenstergröße in den Häusern. Um die unterschiedlich großen Steine zu kaschieren tünchte man die Fassaenen in weißen Kalk. Diess brachte der Stadt den Beinamen »Die Weiße Stadt« ein.

Am 03.08.1802 nahm Preußen das hochstift Essen in Besitz. Die Grundlage für die Säkularisation des Hochstiftes bot der im Februar 1803 geschlossene Reichsdeputationshauptschluß. Maria Kunigunde von Sachsen verlor mit der Inbesitznahme durch Preußen ihre politisch-weltlichen Funktionen. Sie blieb jedoch bis zu ihrem Tode im Besitz ihrer geistlichen Hoheitsrechte. Der preußische Staat gewährte ihr die Überschüsse aus der Abtei bis an ihr Lebensende als Entschädigungszahlung, was in Essen rund 6.500 Reichstaler entsprach.

Nach der Aufhebung des Stiftes Essen lebte Maria Kunigunde meistens zusammen mit ihrem Bruder Clemens Wenzeslaus von Sachsen im bayerischen Obersdorf. Ihr Bruder hatte als ehemaliger Fürstbischof von Augsburg hatte er im Schloss Marktoberdorf noch ein Wohnrecht. Nachdem ihr Bruder im Jahre 1812 verstarb verließ sie Obersdorf in Richtung Dresden, wo sie bei ihrem Neffen Friedrich August I. lebte.

Im Jahre 1821 verfasste sie ihr Testament und vergaß hierbei auch nicht ihre ehemaligen Bediensteten mit Vermächtnissen »in gutem Gelde« auszuzahlen verpflichtet wurde.
Maria Kunigunde von Sachsen starb am 08.04.1826 in Dresden. Sie fand ihre letzte Ruhestätte drei Tage später in der katholischen Hofkirche, wo sie in der neuen Gruft beigesetzt wurde.

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