Pauline Christine Wilhelmine zur Lippe

* 23.02.1769 in Ballenstedt
† 29.12.1820 in Detmold

Pauline Christine Wilhelmine zur Lippe wurde am 23.02.1769 als Tochter des Fürsten Friedrich von Anhalt-Bernburg und seiner Gemahlin Luise von Holstein-Plön, die kurz nach der Geburt der Tochter an den Masern verstarb, geboren. Sie erblickte auf Schloss Ballenstedt. Alexius Friedrich Christian, der 1807 regierende Fürst von Anhalt-Bernburg wurde, war ihr älterer Bruder.

Friedrich von Anhalt-Bernburg übernahm persönlich die Erziehung des aufgeweckten Mädchens und ihres Bruders. Früh lernte sie Französisch und Latein, Geschichte und  allgemeine Staatswissenschaften. Sie wurde in christlicher Ethik und der Tradition der Aufklärung erzogen.

Bereits im Alter von 13 Jahren übernahm sie die Korrespondenz des Vaters in französischer Sprache und später auch die Post aus dem Schloss Ballenstedt an Regierungsstellungen in Bernburg.

Am 02.01.1796 ging Pauline von Anhalt-Bernburg die Ehe mit dem Fürsten Leopold I. zur Lippe in Ballenstedt ein. Der Fürst warb mehrere Jahre um die junge Frau, doch diese lehnte seine Avancen mehrfach ab. Ursache für die Ablehnung war auch der Geisteszustand, der zu einer temporären Entmündigung führte.

An ihren Vetter Friedrich Christian schrieb sie über ihren Gatten:

Nie habe ich einen Schritt mit mehrerer Überlegung gethan als diesen, nie kaltblütiger mich entschlossen, denn Liebe hielt mir wahrlich kein Vergrößerungsglas vor […], daß mein Herz bei näherer Bekanntschaft zu meiner Vernunft übertritt. Der Fürst ist gut, edel und rechtschaffen, er liebt und schätzt mich und hat weit mehr innern Wert als äußeren Schein.

Am 21.01.1796 kehrte das frisch verheiratete Paar nach Lippe zurück, wo es begeistert empfangen wurde. So war auf den Moltkeberg eine Begrüßungsfeier organisiert worden:

In der Nähe einer Eiche war auf der Höhe des Berges ein Tempel errichtet. Er war in der Form einer Rotunde erbauet und hielt im Durchmesser 58 Fuß. Die Seitenwände waren 12 Meter hoch. Sie waren oben mit 12 bemoosten Statuen geschmückt, welche teils die Freude, teils die Gewerbe des Amtes bezeichneten ... Alle diese Gruppen waren lebendige Kinder, mit Moos bekleidet. Am Ein- und Ausgang der Rotunde, durch welche der Weg ging, standen zwei hohe grüne Pyramiden. [...] An jeder Seitenwand befand sich eine Bank von Rasen, worauf acht Greise des Amtes saßen... Bei der Einfahrt des hohen Paares standen sie auf und entblößten ihre silberweißen Häupter... In der Mitte der Rotunde waren zwei Altäre, am rechten standen zwei Mädchen, am linken zwei Knaben. Sie waren weiß gekleidet, mit Kränzen geziert und opferten Weihrauch auf den Altären ...

Aus der Ehe stammten die Kinder Leopold, der Erbprinz, und sein um ein Jahr jüngerer Bruder Friedrich. Die Tochter Louise starb kurz nach ihrer Geburt am 18.07.1800.

Das Eheglück dauerte nicht lang, da am 04.04.1802 starb Leopold I. zur Lippe nach sechs gemeinsamen Jahren verstarb.

Fürstin Pauline übernahm am 18.05.1802 die Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn Leopold. Bereits im Ehevertrag von 1795 wurde bestimmt, dass Pauline sowohl die Vormundschaft als auch Regentschaft für ihre minderjährigen Kinder übernehmen werde. Hiergegen sprachen sich zunächst die lippischen Landstände aus, doch hatte die Regentin bereits bei ihrem Vater bewiesen, dass sie der Aufgabe gewachsen sei.

Die Jahre ihrer Regentschaft waren jedoch von zahlreichen politischen Umbrüche während der napoleonischen Zeit geprägt.

Mit den Brüdern Johann Friedrich Wippermann (1761-1811) und August (1773-1854) holte sich die Regentin zwei fähige Beamten in die Verwaltung. Es entstand ein vertrauensvolles und freundschaftlichen Verhältnis zwischen ihnen.

So vertraute sie Johann Friedrich Wippermann wichtige außenpolitische Verhandlungen an. So drohte das kleine Fürstentum sowohl Opfer französischer aber auch hessischer oder preußischer Expansionspolitik zu werden. Sie versuchte durch den Abschluss von Verträgen mit ihren Nachbarn die Unabhängigkeit des kleinen Fürstentums zu sichern.

Es kamen im Jahre 1804 Pläne auf, die süd- und südwestdeutschen Staaten zu einem Verbund zusammenzuschließen. Dies führte 1806 zur Schaffung des Rheinbundes unter französischer Herrschaft und der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation am 06.08.1806. Der französische Kaiser Napoléon ratifizierte am 18.04.1807 den Beitritt des kleinen Fürstentums zum Rheinbund.

Am 27.10.1807 traf die Repräsentanten eines nordwestdeutschen Kleinstaats in Fontainebleau auf den französischen Kaiser Napoléon und bedankte sich für die Aufnahme Lippes in den Rheinbund und drei Wochen später wurde ihr eine offizielle Audienz gewährt. Die französische Kaiserin Josephine ergriff für Paulines Anliegen Partei und beide Frauen verband eine gegenseitige Achtung. Es gelang ihr auch die Souveränität ihres kleinen Fürstentums zu sichern.

Zum Erhalt der Unabhängigkeit verpflichtete sich die Fürstin ein Kontingent von 500 Mann zu stellen, dass in den Reihen der französischen Armee auf den europäischen Kriegsschauplätzen zum Einsatz kam. So kam es zu Widerstand unter ihren Untertanen. Sie entzogen sich der Rekrutierung oder desertierten während der Feldzüge. Als Verehrerin Napoléons, dem sie für den Erhalt Lippes dankbar war, ließ sie die Deserteure strafrechtlich verfolgen und verurteilen.

Bereits seit dem Jahre 1805 war das Verhältnis zwischen den lippischen Landständen und Pauline entzweit. Grund war die Ablehnung einer von ihr geforderten Branntweinsteuer zur Finanzierung der Heilanstalt für Geisteskranke. Nach dem Beitritt zum Rheinbund setzte sie die Rechte des Landtages aus, ohne ihn jedoch aufzulösen.

Am 27.12.1808 unterzeichnete Fürst-Regentin Pauline zur Lippe ein Dekret zur Aufhebung der Leibeigenschaft. Dieses Vorhaben traf nicht auf die Zustimmung der seit 1805 entmachtet Landstände. In der Präambel beschrieb sie die Beweggründe:

Ueberzeugt, dass die Leibeigenschaft, wenn sie gleich so gemäßigt ist, wie sie bisher im Lande war, doch immer nachteiligen Einfluss auf die Moralität, den Erwerbsfleiß und den Kredit der Eigenhörigen hat, finden Wir Uns zur Beförderung des Wohlstandes auch dieser Klasse getreuer Untertanen Landesmütterlich bewogen, nach dem Vorgang anderer Bundesstaaten solches Verhältnis aufzugeben […]

Die Proklamation wurde von den Kanzeln, durch Anschläge und im Lippischen Intelligenzblatt veröffentlicht. Durch diese Verordnung wurde der Weinkauf und Sterbfall abgeschafft.

Die Fürstin Pauline war bekannt dafür, dass sie sowohl öffentlich als auch im privaten Umfeld ihre Standpunkte vertrat und auch bei Meinungsverschiedenheiten recht heftig reagierte.

Erinnert sei auch an den Fall des in russischen Diensten stehenden preußischen Leutnants von Haxthausen, den Pauline zur Lippe in ein Irrenhaus stecken ließ. Ursache war, dass sich der Offizier gegenüber der Fürstin ungefährlich verhalten habe. Erst nach der Besetzung Lippes durch preußische Truppen nach der Völkerschlacht  wurde er aus der Anstalt befreit.

So schrieb Friedrich August Ludwig von der Marwitz, der nach der Völkerschlacht Lippe besetzte, über die Fürstin-Regentin an seine Frau:

Die Fürstin-Regentin ist eine Kanaille; sie hat Napoléon jederzeit auf das treueste gedient.

Zum Entsetzen der Fürstin Pauline kam es nach der Niederlage Napoléons bei Leipzig 1813 zu Aufständen und die Lipper verprügelten französische Beamte. Die Alliierten betrachteten Lippe als feindliches Land und die Fürstin als Kollaborateurin. Erst am 29.11.1813 schloss Legationsrat Preuß Bündnisverträge mit Österreich und Russland ab und gab gleichzeitig den Austritt aus den Rheinbund bekannt.

Es kam zur Gründung eines lippischen Freiwilligenkorps, dass durch die Spenden lippischer Bürger ausgerüstet wurde. Die Fürstin ließ auch die kleinste Spende unter Namensnennung im »Intelligenzblatt« veröffentlichen.

Auf Grund der politischen Erschütterungen litt Pauline einen Nervenzusammenbruch, von dem sie sich nur langsam erholte. Obwohl sie nicht am Wiener Kongress teilnehmen konnte, wurde in der Bundesakte vom 08.07.1815 als souveräner Staat erwähnt.

Es kam auch zu einen erneuten Konflikt zwischen den Fürstenhaus und den Landständen, die wieder in ihre alten Rechte eingesetzt werden wollten. Hierzu beliefen sie sich auf Artikel 13 der Deutschen Bundesakte:

In allen deutschen Staaten wird eine landständische Verfassung stattfinden.

So ließ die Regentin, nach den Vorbild süddeutscher Staaten, eine Verfassung aufstellen. Diese wurde unter großem Jubel der Bevölkerung und Protest der Landstände, die gegen die Einschränkung ihrer traditionellen Rechte protestierten, angenommen. Ein Beschluss des Bundestages in Frankfurt forderte Pauline zur Rücknahme der Verfassungsurkunde auf. Doch erst 1836 konnten die Landstände einen Teil ihrer Rechte zurückerhalten.

Zwischen 1818 und 1820 übernahm Pauline zur Lippe auch das Bürgermeisteramt in Lemgo. Die durch die Folgen der napoleonischen Kriege stark verschuldete Stadt fand nach dem Tod des Bürgermeisters Overbeck keinen geeigneten Nachfolger. So beschlossen der Magistrat und die Bürgerschaft Am 04.01.1818 die Fürsten zu bitten, dieses Amt für die kommenden sechs Jahre auszuüben und sich um Polizei- und Finanzangelegenheiten zu kümmern. Noch am gleichen Tage nahm sie zur Überraschung der Bittsteller an, die Aufgaben an. Es gelang ihr, wenn auch die Maßnahmen nicht immer auf das Wohlwollen der Lemgoer Bürger traf, die Finanzen der Stadt zu sanieren. Hierbei griff sie auf die Unterstützung des Anwalts Kästner zurück und hielt sich bei allen Entscheidungen streng an die Stadtverfassung. Sie schuf, wie bereits im Jahre 1801 on Detmold ein Arbeitshaus und gründete einen Wohlfahrtsverein.

Ihren Rücktritt verschob sie mehrmals, da sie ihren Sohn auf Grund seines Phlegmas nicht reif genug zur Übernahme der Regierungsverantwortung. Überraschend trat sie dann am 03.07.1820 zu Gunsten Leopold II. zurück. Im Hintergrund unterstütze sie ihren Sohn bei den ersten Regierungsgeschäften.

Fürstin Pauline zur Lippe plante den Lebensabend in Lemgo zu verbringen und richtete den Lippehof als Witwenhof hierfür her. Doch schon am 29.12.1820 starb sie an einer schmerzhaften Lungen Erweiterung in Detmold. Ihre letzte Ruhestätte fand sie in der reformierten Kirche am Detmolder Marktplatz.

Auf den Lemgoer Lindenhausgelände und im Kurpark Bad Meinberg erinnern Denkmale an die Fürstin. Die Paulinenquelle, eine Mineralienquelle, sowie zahlreiche Straßennamen in Lippe erinnern an die Fürstin. Auch die „Fürstin-Pauline-Stiftung“ engagiert sich im Sinne der Namensgeberin im sozialen Bereich.

Normdaten

VIAF: 77117798

GND: 119073420

LCCN: n93061593