Aufruf »An die Bürger Straßburgs«

vom 04.01.1793.

An die Bürger Straßburgs.

Am ersten Tage diese Jahres ward hier ein Blatt ausgetheilt, welches euch auffordert, eure neugewählten Beamten in Schutz zu nehmen, und solche Maßregeln zu ergreifen, damit der Wille der Commune an den Tag komme, und eure Souveränität nicht verletzt werde.

Lasset euch einige Bemerkungen über den Sinn und Zweck dieses Blattes mittheilen. Ich Was will man von Euch? Um was ist es gegenwärtig zu tun? Ein großer Theil der hiesigen Bürgerschaft ist unzufrieden, daß Leute, welche wegen ihrer unbürgerlichen Gesinnungen vor einem Vierteljahr abgesetzt wurden, jetzt aufs neue an der Spitze der Gemeine stehen. Man behauptet, diese Wahl sey eine Folge des giftigen Einflusses, den die Erscheinung Dietrichs auf die öffentliche Meinung und auch den Gemeingeist hate. Man glaubt, zu einer Zeit, wo das Vaterland in Gefahr und der Oestreicher vor dem Thore steht, müsse die Aufsicht einer so wichtigen Stadt, wie Strasburg ist, bewährten Republikanern und entschlossenen Patrioten anvertraut werden. Zu diesem Ende werden hier Commissarien erwartet. Diese sollen Alles untersuchen, prüfen, und dann Ruhe, Sicherheit und Ordnung herstellen.

Die Verfasser des oben angeführten Blattes sagen Euch: Wenn ihr euch zaghaft oder träge zeiget, so sey der Streich, der eure neugewählten Beamten treffen soll, schon so gut als geschehen. Was will man damit sagen? Sollet ihr euch etwa widersetzen, wenn die Commissarien des Souverains es für nöthig finden, eine Aenderung in der Auswahl eurer Beamten vorzunehmen? – Bedenkt, Mitbürger, wo das hinführen kann. Sind wir denn allein der Souverain? Oder machen wir nur einen Theil des Souverains, d.i. der ganzen Nation aus? Seyd ihr in einem andern Sinne Souverain, als das kleinste Dorf im Reiche? Nun, wenn eine höhere Macht die Municipalität eines solchen Dorfes aus guten Gründen absetzet? Soll sich das Dorf empören? Wo bleibt alsdann die Einheit der Verwaltung und der Gesamt Souverainität?

Ihr hattet im vorigen Sommer, nach dem zehnten August, Commissarien. Waren diese nicht Engel des Friedens für Euch? Herrschte nicht Ruhe und Sicherheit unter der Verwaltung, welche sie einsetzten? Habt ihr eure Repräsentanten nicht selbst gewählt? und habt ihr ihnen nicht unbedingte Macht gegeben, alles zu thun, was die Gründung der allgemeinen Freiheit nothwendig machen möchte? – Horchet also nicht auf die Stimme derjenigen, die euch zur Widersetzlichkeit auffordern. Höret, wie ein guter Bürger denken muß: - Wenn die Commissarien für gut befinden, daß die neugewähten Beamten bleiben sollen; so werden wir uns ihrem Ausspruche unterwerfen. Denn Gehorsam ist die erste Pflicht freier Männer. Finden Sie eine Aenderung nöthig; so müsset ihr aus demselben Grunde euch dieselbe gefallen lassen. –

Quelle:
Argos oder der Mann mit den hundert Augen, 2. Halbjahrgang, Nr. 1 vom 04.01.1793


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