Über Pädagogik
Von Immanuel Kant
Vorrede
Nach einer älteren Verordnung, mußte ehedessen fortwährend auf der Universität Königsberg, und zwar abwechselnd jedes Mahl, von einem Professor der Philosophie, den Studirenden die Pädagogik vorgetragen werden. So traf denn zuweilen auch die Reihe dieser Vorlesungen den Herrn Professor Kant, welcher dabey das von seinem ehemaligen Collegen, dem Consistorialrath D. Bock herausgegebene Lehrbuch der Erziehungskunst zum Grunde legte, ohne sich indessen, weder im Gange der Untersuchung, noch in den Grundsätzen, genau daran zu halten.
Diesem Umstande verdanken folgende Bemerkungen über die Pädagogik ihr Entstehen. Sie würden wahrscheinlich interessanter noch, und in mancher Hinsicht ausführlicher seyn, wenn der Zeitumfang jener Vorlesungen nicht so enge wäre zugemessen gewesen, als er es würklich war, und Kant in der Art Veranlassung gefunden hätte, sich weiter über diesen Gegenstand auszubreiten, und schriftlich ausführlicher zu seyn.
Die Pädagogik hat neuerdings durch die Bemühungen mehrerer verdienten Männer, namentlich eines Pestalozzi und Olivier, eine neue interessante Richtung genommen, zu der wir dem kommenden Geschlechte, nicht minder, als zu den Schutzblattern Glück wünschen dürfen, ohngeachtet der mancherley Einwendungen, die beyde noch erfahren müssen, und die sich freylich, bald sehr gelehrt, bald sehr vornehm ausgeben, ohne doch deshalb eben sonderlich solide zu seyn. Daß Kant die neuen Ideen damahliger Zeit auch in dieser Hinsicht kannte, über sie nachdachte, und manchen Blick weiter hinausthat, als seine Zeitgenossen, das versteht sich freylich von selbst und ergiebt sich auch aus diesen, wenn gleich nicht aus eigner Wahl, hingeworfenen Bemerkungen.
Von meinen beyläufigen Anmerkungen habe ich nichts zu sagen; sie sprechen für sich.
Nach den niedrigen Angriffen, die sich der Buchhändler Vollmer in Beziehung auf meine Ausgabe der Kantischen physischen Geographie erlaubt hat, kann die Herausgabe solcher Handschriften unmöglich seyn. Da ich ruhig, zufrieden und thätig in meinem ohnedies nicht engen Würkungskreise leben kann, warum soll ich mich unberufenen Aufforderungen blosstellen, und unzeitigen Urtheilen preisgeben? Besser, ich widme die Augenblicke meiner Muße jenen Studien, in denen ich mit dem Beyfalle der Kenner, mir einige Verdienste erworben zu haben, und noch erwerben zu können, glauben darf.
Litteratur unsers Vaterlandes, mit Ausnahme ihrer eigentlich gelehrten Zweige, bietet ja eben kein reizendes Schauspiel dar, und das überall hervorspringende Partheymachen, verbunden mit den anzüglichen Fehden und durchfallenden Klopffechtereyen, worauf sich mitunter sogar unsere bessere Köpfe einlassen, ist nicht sonderlich einladend zur Theilnahme. Gar gerne überlasse ich Andern das Vergnügen, sich Beulen zu holen, um sie ihren Gegnern mit Zinsen wieder abtragen zu können, und sich dadurch ein gewisses Dreyfussrecht zu erwerben, unter dessen Gewaltstreichen sie sich zur litterarischen Dictatur zu erheben wähnen. Wehe dieser papiernen Herrlichkeit! Aber wenn wird es anders, wenn besser werden?
Zur Jubilatemesse
1803.Rink.