Briefe aus den Befreiungskriegen

Heinrich Dietrich von Grolman an seinen Sohn Karl Wilhelm von Grolman

XV.

vom 08.07.1809.

Ich erfreue mich, Euer hoch und Wohlgeboren die angenehme Nachricht mitteilen zu können, dass der Feind heute früh Roveredo verlassen, und den Weg über Ala eingeschlagen hat. Nach zuverlässlichen Nachrichten war er 1200 Mann stark, und führte 4 Feuerschlünde mich sich. Oberstleutnant Graf Leiningen lässt ihn verfolgen.

Der heute an den beim Lavisaner Comitee Deputirten Anton Sartori von Primör eingeschickte Bericht ist wegen des daraus ersichtlichen heldenmutigen Sinnes der Primöraner sehr erfreulich, und merkwürdig. Eine gewisse Josephine Negrelli, 18 Jahr alt, ist in Mannskleidern mit dem Schützen ausgezogen, und die Wieder nahmen selbst eine Position, um Steine auf den Feind herabzurollen.

Diese mir vom Herrn Generalintendanten mitgeteilte Nachricht wird allgemein bekannt gegeben.

Paul Fernherr von Taxis
k.k. Oberstleutnant und Vorpostenkommandant

Berlin 8 Juli 1809.

Lieber Sohn! Deinen Brief vom 18 Juni habe ich erst gestern erhalten; die Posten gehen also sehr langsam oder unrichtig. Ich muss daher vermuten, dass Du die beiden Briefe, welche ich Dir geschrieben, nicht erhalten hast. Meiner Ansicht nach kannst Du bei dem General Kienmeyer ebenso nützlich, wo nicht nützlicher sein, als bei dem Erzherzog Karl, wo Du doch leicht von alten u. eifersüchtigen Offizieren hättest verdrängt werden können. Ich halte immer dafür, dass der Erzherzog Karl am besten tut, wenn er Hauptschlachten vermeidet, und gegen die feindliche  Kommunikationslinie operiert. Deswegen hatte ich auch auf die Diversion nach Sachsen u. Franken große Hoffnungen gesetzt. Aber Du lieber Himmel! Wie wird das Ding ausgeführt. Sollte es gelingen, so musste das nach Sachsen geschickte Korps, welches keinen Widerstand fand, in Eilmärschen vordringen, sich mit dem fränkischen Korps vereinigen, u. alles, was ihm entgegen kam, angreifen u. einzeln schlagen. Es hat in einzelnen Korps herumgeschwärmt, auf dem Marsch von Dresden nach Leipzig mehr Zeit zugebracht, als Hyronimus auf dem Marsch von Kassel nach Dresden, u. sobald H. sich sehen lässt, läuft es davon. Die Österreicher unternehmen mancherlei, aber nirgends mit dem gehörigen Nachdruck. Durch eine solche Handlungsweise richtet man nur Schaden an, den Feinden wächst der Mut, die eigene Armee verliert ihn, u. alles Zutrauen verschwindet bei den Landeseinwohnern. Ob der General Kienmeyer dies besser machen wird, ob sein Korps stark genug ist, um es besser machen zu können, wird die Zeit lehren. Hier erzählt man, es hätte bei dem Korps große Uneinigkeit geherrscht, der Herzog von Braunschweig-Oels hätte rechts, der hessische General links, am Ende nach der Mitte gewollt. Ich hoffe, dass der General Kienmeyer Einigkeit herstellen, sich an keinen Herzog und Kurfürsten kehren, sondern jeden zum Gehorsam anhalten wird.

Bei den unterbrochnen Kommunikation nach Sachsen können Dir die verlangten Karten nicht füglich übersandt werden. Sie müssten über Breslau und Prag gehen. Auf diesem langen Umwege können sie leicht verloren werden, wenigstens würdest Du sie zu spät erhalten. Wir wollen also einige Posttage warten, ob vielleicht die Kommunikation über Dresden wieder offen wird. Die Radens  [?] sind am vorigen Sonntag abgereist, ihnen würde es unangenehm sein, Dich nicht im Hauptquartier zu finden. Hier bleibt alles beim alten. Scharnhorst, heißt es, sei durch Kabalen genötigt worden, seine Entlassung vom Vortrag beim König nachzusuchen, übrigens werde er im Dienst bleiben. Du schreibst mir nicht, ob Deine Pferde angekommen sind. Die 1000X, setze ich voraus, sind in Banknoten bezahlt. Der gütige Gott beschütze Dich, und lasse Deine Unternehmungen zum Besten des deutschen Vaterlandes gelingen.

v. Grolman


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