Briefe aus den Befreiungskriegen

Heinrich Dietrich von Grolman an seinen Sohn Karl Wilhelm von Grolman

XI.

vom 23.06.1808.

Berlin, 23 Juni 1808.

Mein lieber Sohn! Deinen Brief von 3ten hat mir Geheimrat Beyme zugesandt, ihn selbst habe ich nicht gesprochen, er ist nicht nach Berlin gekommen, sondern seine Frau ist ihm bis Hohen-Schönhausen entgegen gegangen und hat ihn auf sein zweites Gut Dahlen geführt, weil Steglitz voll Einquartierung ist. Nun hat also Stein das Regiment allein, ob er etwas nützliches ausrichten werde, wird die Zeit lehren. Hier hat man uns damit geschmeichelt, dass er eine Konvention mit den Franzosen zu Stande gebracht habe, allein da Bonaparte sie nicht bestätigt, so scheint man nur bei der Nase herumgeführt zu sein. Schwer ist es freilich, dem Staat wieder aufzuhelfen, und wo nicht ein deus ex Machina erscheint, ist in der ersten Zeit nichts zu erwarten. Wo auf der einen Seite nichts als Kraft und Gewalt gilt, und auf der andern Seite nur Ohnmacht entgegengesetzt werden kann, da ist es eine üble Sache, zu nogotiiren. Nach dem Tilsiter Frieden blieb für uns nichts übrig, als die Treulosigkeit des russischen Kaisers zu vergessen, bei ihm darauf zu dringen, dass er nun auch die Franzosen anhalte, den Frieden zu erfüllen, aus seiner Ehre, aus seiner eignen Sicherheit konnte man Bewegungsgründe genug dazu finden. Napoleon würde auch auf ihn gehört haben, er hat gewiss so wenig als seine Armee Lust, sich in die russischen Wüsteneien zu verwickeln. Seine Absichten sind gegen Süden, gegen Österreich gerichtet, welches er ebenso, wie Spanien, betören wird. Deswegen schmeichelt er Russland mit der Eroberung von Finnland, der Moldau, der Walachei; damit es seinen Unternehmungen ruhig zusehe, würde er auch den Tilsiter Frieden erfüllt haben, wenn Russland es ernstlich verlangt hätte. Es scheint aber, dass der König den russischem Kaiser durch Empfindlichkeit, unserer Offiziers die Russen durch Spott und Tadel aufgebracht haben. Konnten wir bei Russland nichts ausrichten, so blieb uns nichts andres übrig, als zu tun, was Frankreich haben wollte, uns mit Frankreich zu verbinden. Neufchâtel ist in der jetzigen Krisis von Europa nicht möglich, am wenigsten von einem so heruntergebrachten Staat als der unsre ist, auszuhalten. Es hätte nichts geschadet, wenn wir noch eine Zeitlang von Frankreich abhängig geworden wären; wir hätten uns doch wieder erholt, neue Kräfte gesammelt, die jetzt erlittene Scharte auszuwetzen. Denn so wie das Ding jetzt in Europa steht, kann es nicht bleiben, über kurz oder lang muss es brechen, der Übermut des Bonaparte scheint diesen Zeitpunkt selbst näher zu bringen. Deshalb habe ich Dich allezeit ermahnt, keinen übereilten Schritt zu tun, sondern Dich dem Vaterland auf bessre Zeiten aufzubewahren. Ich habe selbst aus Deinem Schicksal, Deinem glücklichen Entkommen von schändlicher Gefangenschaft, Deiner geschwinden Beförderung, Deiner Aussicht bei sich ergebender Gelegenheit in einem höheren, wirksameren Posten zu stehen, dazu die Bewegungsgründe genommen. Dabei bleibe ich auch noch, und kann meinen Brief nicht besser schließen, als mit einer Stelle, welche ich kürzlich in einem Brief des Cicero gelesen habe: In ..., sive habes aliquam spem de Republica sive desperas ...meditam cogita.


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