August Neidhardt von Gneisenau an Oberst Karl Friedrich von dem Knesebeck

vom 30.09.1813.

Elsterwerda, den 30. September 1813. Abends 8 Uhr.

Unsere Schritte hier haben doch endlich etwas Gutes zur Folge gehabt. Der Major v. Rühle ist aus dem Hauptquartier des Kronprinzen von Schweden zurückgekehrt, mit der mündlichen und schriftlichen Erklärung desselben, daß er mit uns über die Elbe gehen werde. Alle in dessen Hauptquartier angestellten Personen sind erstaunt über diese plötzliche Sinnesänderung. Ich suche die Quelle derselben in der Besorgnis, sich in dem Elbübergang von der schlesischen Armee zuvorgekommen zu sehen, und zugleich in dem Vertrauen, das ihm die Nachbarschaft und die Hilfe dieser Armee gibt. Er wird seinen Übergang bei Acken und Roslau machen; wir den unsrigen bei Elster. Morgen früh bereits werden wir den Marsch dahin antreten. In zwei starken Märschen erreichen wir die Nachbarschaft dieses Übergangspunktes. Wir werden sodann alsbald unseren Übergang zu bewerkstelligen suchen. Soviel man das dortige Terrain beurteilen kann, bietet es sich zu einer verschanzten Stellung dar, in der wir eine Schlacht, selbst mit einer uns überlegenen Armee, annehmen könnten, die uns bis dahin zurückgedrängt hätte. Den bei Kemberg stehenden Marschall Ney wollen wir angreifen, sofern er standhält.

Begeht der Feind die Unvorsichtigkeit, seine verschiedenen Armeen mehrere Märsche weit auseinanderzustellen, so habe ich die Zuversicht, daß er werde geschlagen werden. Sowie er aber diese Armeen einander dergestalt nähert, daß er solche binnen zwei oder drei Märschen gegen eine der unsrigen vereinigen kann, so muß ich zu großer Behutsamkeit in den Bewegungen raten. Eine Auswahl starker rückwärtiger Stellungen, in die man, wenn er eine Schlacht sucht, zurückweicht, ist dann einem raschen Vorgehen, wozu die jungen Generale vielleicht raten möchten, gegen ihn vorzuziehen. Dort im Erzgebirge haben Sie dergleichen Stellungen sehr viele. Jenes Land besteht aus weiten Plateaus mit tief eingeschnittenen Flüssen oder Bächen. Außer den großen Straßen kommt man nur schwer mit dem Geschütz fort, und wenige Batterien, an den Defileen aufgefahren, verhindern das Vordringen einer Armee oder erschweren es wenigstens sehr; dies ist der Fall mit der Freiberger und Chemnitzer Mulde, mit der Zschopau, Flöhe usw. Wir dagegen haben die Niedermulde und die Gegenden hinter Leipzig. Die Bennigsensche Armee ist, wenn sie Rückschritte aus der Gegend von Dresden machen müßte, durch die Defileen an der böhmischen Grenze hinlänglich gedeckt. Durch eine solche Aufstellung zerren wir die französische Armee hinlänglich auseinander, um die Gelegenheit wahrzunehmen, einer derselben eine Niederlage beizubringen. Sowie die französischen Armeen einander sich nähern, läßt man sie durch starke Avantgarden einschränken, die den Befehl haben, sogleich als etwas Beträchtliches vom Feinde ihnen sich nähert, fechtend zurückzugehen. Die Armeen müssen einen kleinen Tagmarsch hinter den Avantgarden sein. Dadurch sind sie in Bereitschaft, sogleich einen Marsch rückwärts zu tun, ohne sich in ein Gefecht verwickeln zu lassen, wenn Napoleon gegen sie vordringt. Gott befohlen!

Quelle:
Gneisenau, Neidhardt von: Briefe 1813


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