August Neidhardt von Gneisenau an seine Gattin Karoline

vom 31.05.1813.

Puschkau bei Striegau, den 31. Mai 1813.

So hart es in Betreff der armen kranken Mutter ist, so muß ich Dich doch ermahnen, nicht ferner in Landshut zu verweilen. Die Kriegsbewegungen sind heutzutage so schnell, daß es nicht immer möglich ist, im voraus davon benachrichtiget zu werden, und verschiebst Du Deine Abreise bis zuletzt, so entsteht selbst im günstigsten Falle für Dich die Unbequemlichkeit, ja selbst Gefahr, zwischen flüchtige Wagen zu geraten, wo jeder nur sich selbst zu retten sucht unbekümmert um das Schicksal anderer. Ein zerbrochenes Rad allein schon könnte Dich den größten Gefahren aussetzen.

Wir gehen heute nach Schweidnitz, um dort eine neue Schlacht anzunehmen. Die Armee ist im besseren Zustande als je. In diesem mit beispielloser Wut tobenden Kriege haben die Truppen sich schon viel Kriegserfahrung gesammelt und sich an das Feuer gewöhnt. Der Mut und die Ordnung ist noch ungebrochen, und an Zahl haben wir gewonnen durch unsere Verstärkungen. Allerwärts fochten die Truppen mit Mut. Der Tod hat unter unseren Offizieren sehr gewütet. Viele Bataillone haben nur noch 2-3 unverwundete Offiziere übrig; Kavallerieregimenter zum Teil nur 4-5. Keiner von uns, der den Krieg mit begonnen hat, kann unversehrt hindurch kommen, und am Ende wäre es auch nicht ehrenvoll.

Sage August, daß wir am 26. dieses ein sehr wohlangelegtes und glückliches Gefecht bei Haynau gehabt haben, worüber ich ihm auch bereits geschrieben habe. Wir lockten die feindliche Infanterie in einen Hinterhalt unserer Kavallerie, die sich auf ein durch Anzündung einer Windmühle gegebenes Signal schnell hervorstürzte und einen großen Teil der Infanterie niederhieb. 18 Kanonen waren bereits erobert, aber nur die Hälfte davon konnte aus Mangel an Bespannung in Sicherheit gebracht werden. Das ganze Feld war mit Toten und Verwundeten besäet. Was von diesen noch entfliehen konnte, stürzte sich nach Haynau.

Gott befohlen! Sei getrost und guten Mutes. Wenn man Beharrlichkeit und Kraft nicht verliert, so wird, so muß alles gutgehen.

Noch nie waren soviel Elemente des Sieges vorhanden. Selbst wenn wir geschlagen würden, so gehen wir um wenige Meilen in fast unüberwindliche Stellungen zurück und bringen dadurch den Krieg ins Gleichgewicht. Würde aber er, der so viel Unglück über die Welt bringt, geschlagen, so geht seine ganze Armee zugrunde. Wenige davon würden dann ihren vaterländischen Herd wiedersehen. Die Österreicher würden dann sogleich an die Elbe rücken und den Rückweg sperren. Auch steht unser General Bülow mit 25 000 Mann im Rücken des Feindes und war schon bis Spremberg vorgerückt. Ein Sieg würde demnach die Welt von einer großen Plage befreien.

Frau v. Clausewitz und ihrer Mutter tausend Empfehlungen. Ich wünsche, daß Du mit ihr gehest, sei es nach Böhmen oder der Grafschaft Glatz oder Töplitz oder sonstwohin. Viele Grüße an die Kinder. Gott nehme Euch in seinen heiligen Schutz. Herzliche Grüße an die Mutter. Ist denn Amalien nun der Tod ihres Bruders bekannt? Er ist sehr glücklich gestorben. Eine Kanonenkugel nahm ihm den halben Kopf weg.

Quelle:
Gneisenau, Neidhardt von: Briefe 1813


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