Geschichte des Lützowschen Freikorps
von Johann Friedrich Gottfried Eiselen
Die Zeit nach dem Waffenstillstande bis zum Abmarsche des Freicoprs nach Frankreich.
Was glänzt dort vom Walde im Sonnenschein?
Hör’s näher und nähr draußen.
Es zieht sich herunter in düstern Reihn,
Und gellende Hörner schallen darein,
Und erfüllen die Seele mit Grausen.
Und wenn ihr die schwarzen Gesellen fragt,
Das ist Lützows wilde verwegene Jagd.
Was zieht dort rasch durch den finstern Wald,
Und kreist von Bergen zu Bergen?
Es legt sich in nächtlichen Hinterhalt;
Das Hurrah jauchzt und die Büchse knallt.
Es fallen die Fränkischen Schergen.
Und wenn ihr die schwarzen Jäger fragt,
Das ist Lützows wilde verwegene Jagd.
Wo die Reben dort glühen, dort braust der Rhein,
Der Wüthrich geborgen sich meinte,
Da naht es schnell mit Gewitterschein,
Und wirft sich mit rüstigen Armen hinein,
Und springt an’s Ufer der Feinde.
Und wenn ihr die schwarzen Schwimmer fragt,
Das ist Lützows wilde verwegene Jagd.
Was braust dort im Thale die laute Schlacht,
Was schlagen die Schwerter zusammen?
Mildherzige Reiter schlagen die Schlacht.
Und der Funke der Freiheit ist glühend erwacht,
Und lodert in blutigen Flammen.
Und wenn ihr die schwarzen Reiter fragt,
Das ist Lützows wilde verwegene Jagd.
Wer scheidet dort röchelnd vom Sonnenlicht,
Unter winselnde Feinde gebettet?
Es zuckt der Tod auf dem Angesicht;
Doch die wackern Herzen erzittern nicht.
Das Vaterland ist ja gerettet!
Und wenn ihr die schwarzen Gefall‘nen fragt,
Das war Lützows wilde verwegene Jagd.
Die wilde Jagd, und die deutsche Jagd,
Auf Henkersblut und Tyrannen!
Drum, die ihr uns liebt, nicht gemeint und geklagt;
Das Land ist ja frei, und der Morgen tagt,
Wenn wir’s auch nur sterbend gewannen!
Und von Enkeln zu Enkeln sei’s nachgesagt,
Das war Lützows wilde, verwegene Jagd.
Es war vorauszusehen, daß der Krieg, nach Ablauf des Waffenstillstandes, mit vermehrter Heftigkeit ausbrechen, und daß den Lützowschen Corps mit den Truppen, zu welchen es gehörte, die Aufgabe anheim fallen würde, den Marschall Davoust zu bekämpfen, der im Besitze von Hamburg war, und über einen beträchtlichen, durch Dänen noch verstärkten Heerhaufen zu gebieten hatte. Das Freicorps war damals unter die Befehle des Generals von Tettenborn gestellt worden, dessen Truppen zu den Wallmodenschen Corps gehörten. Dieses bestand aus 17 bis 18,000 Mann, war an der untern Elbe aufgestellt, und stand mit dem Heerhaufen des schwedischen Generals von Vegesack in Verbindung, welcher über nicht ganz 5400 Mann befehligte, und nur beschränkt dem General von Wallmoden untergeben war, indem er von dem Kronprinzen von Schweden die Anweisung erhalten hatte, sich im Falle des Rückzugs nach Stralsund zu wenden.
Der Heerhaufen des Generals von Wallmoden bot ein eigenes Schauspiel dar, indem er aus den verschiedensten Bestandtheilen zusammengesetzt war. Es fanden sich darunter Engländer, Hannoveraner, Dessauer, Hanseaten, die russisch deutsche Legion, das Lützowsche Corps die reichschen Jäger, Kosaken, und wenn man die Truppen von Vegesack hinzurechnet, Schweden und preußische Husaren. Eine solche Zusammensetzung war nicht vortheilhaft und konnte leicht nachtheilige Folgen haben, wenn die so gemischten Schaaren genöthigt worden wären, auf beschränkten Raume neben einander zu kämpfen.
Es war zu erwarten, daß sich Davout auf diesen Heerhaufen werfen, und den Angriff unterstützen würde, welchen Napoleon mit einen Theile seiner Macht gegen Berlin richten dürfte. Bei seiner Stärke konnten sich die wichtigsten Resultate an sein Vorrücken knüpfen, wenn er es beschleunigte und mit Energie ausführte. Es war daher von großer Wichtigkeit, ihn in seinem Unternehmen aufzuhalten, und das Lützowsche Corps mußte als eine günstige Fügung betrachten, daß ihm zu Theil wurde, den ersten Stoß des Feindes auszuhalten. Ist es auch nicht unsere Aufgabe, die militärische Geschichte des Corps speciel niederzuschreiben, so dürfen wir doch die wichtigeren Momente derselben nicht übergehen, und am wenigsten von dem Gefechte bei Lauenburg schweigen. Es war nicht nur das erste, welches dem Corps Gelegenheit gab, sich zu bewähren, sondern es zeichnete sich auch durch manche Einzelheiten aus, die geeignet waren, den Charakter desselben bestimmter hervortreten zu lassen.
Bei der Wiedereröffnung der Feindseligkeiten standen das erste und zweite Bataillion ohne ihre Detachements in Lauenburg und hatten 3 eiserne Kanonen bei sich. Ein kleiner Haufe Kosaken war die einzige Reiterei, die der Truppe zu Gebote stand. Lauenburg, terrassenförmig gebaut, liegt an der großen Straße von Hamburg nach Mecklenburg, in einem Winkel, welches die Stecknitz mit der Elbe bildete, und zwar am linken Ufer beider Flüsse. Jenseits Lauenburg waren zwei unbedeutende, nicht ganz vollendeten Redouten, und zwischen ihnen 2 kleine Fleschen aufgeworfen, denen es aber an Palisaden und andern Schutzmitteln fehlte. Zwischen ihnen mitten hindurch lief die Landstraße. Ueber diese Befestigungen hinaus senkte sich der Boden und zeigte ein von einem Abzugsgraben und Hecken durchschnittenes Terrain, welches sich allmählig wieder erhob und von einem Walde bekränzt war. Aus diesem Walde heraus mußten die Franzosen defiliren und sich durch das durchschnittene Terrain den Befestigungen nähern, wenn sie nach Lauenburg vordringen wollten. Ein Piquet von 50 Mann Fußvolk war von dem Corps auf der Straße nach Hamburg vorgeschoben und mit Wagen versehen, um sich eilig zurückziehen zu können. Und hatte einen Haufen Kosacken auf derselben Straße vor sich. Seine Bestimmung war mehr zu beobachten, als den Feind aufzuhalten. Als dieser daher nach Mittag den 17 August rasch und mit überwiegender Stärke auf der Straße vordrang und die Kosacken zum eiligen Rückzuge nöthigte, verließ auch das Piquet seinen Posten. Der Feind besetzte eilig den oben bezeichneten Wald, warf sich, aus diesem vordringend, auf die den Abzugsgraben deckende Tirallierlinie, und zwang sie, ihre Stellung aufzugeben. Aber bald verstärkt ging sie wieder vor, vertrieb den Feind, der sich nun auf der flachen Anhöhe aufstellte, und griff ihn auch hier mit Entschlossenheit und Tapferkeit und nicht ohne günstigen Erfolg an. Da es jedoch ganz zwecklos gewesen sein würde, sich in dieser Entfernung von den Schanzen zu behaupten, so nahm die vorgedrungene Truppe den Graben wieder ein, der sich, bei der Ueberlegenheit des Feindes, allein zu einem brauchbaren Vertheidigungsmittel darbot. Die Franzosen richteten daher auch auf ihn ihre besondere Aufmerksamkeit, und begannen das Tirallieurgefecht sehr bald wieder, nachdem sie sich von neuem in den Besitz der ihnen nicht bestrittenen Anhöhe gesetzt hatten. Erst die hereinbrechende Nacht machte dem Kampfe ein Ende. Die Feinde hatten sich während desselben in einer Stärke von 5 Bataillionen und 5 Eskadronen an dem Saume des Waldes gezeigt.
Die Artillerie des Corps hatte die Infanterie wirksam unterstützt. Obgleich nur aus 3 eisernen Kanonen bestehend hatte sie doch der feindlichen immer lebhaft geantwortet und ihr sogar eine Haubitze demontirt.
Eine Vorpostenkette behielt während der Nacht die Stellung am Graben besetzt, ward aber mit Tagesanbruch von dem Feinde daraus vertrieben, der sie jedoch ebenfalls nicht behaupten konnte, als die Tiraillieur des Corps ihm rasch zu Leibe gingen. Inzwischen schien ihm zu viel daran zu liegen, das durchschnittene Gelände in seine Gewalt zu bekommen, als daß er nicht immer von neuen seine Angriffe hätte darauf richten sollen. Sie waren jedoch nicht nur vergeblich sondern er vermochte auch nicht zu verhindern, daß ihm abermals das gegen den walt ansteigende Land entrissen wurde. Bei seinem Rückzuge gelang es ihm indeß seine Geschütze, von denen mehrere demontirt worden waren, in Sicherheit zu bringen, und auf einer mehr rückwärts liegenden Höhe aufzustellen, deren Wegnahme zwar ebenfalls von den Unsrigen versucht, aber nicht bewerkstelligt wurde. Nicht nur wurde der Führer der Mannschaft, welche diesen Versuch machte, verwundet, sondern man überzeugte sich auch, daß ein Vordringen bis auf jene Höhe leicht zum größten Nachtheile nicht nur für die Vordringenden, sondern auch für die ganze von dem Corps zu behauptende Stellung ausschlagen konnte, wenn der Feind von seiner Ueberlegenheit Gebrauch machte.
Die Gefechte an diesem Morgen waren lebhaft und hartnäckig gewesen und hatten den Franzosen wahrscheinlich einen großen Verlust verursacht. Allein unentschieden muß es bleiben, ob es dieser Umstand war, oder vielmehr die Absicht des Feindes, eine Verstärkung von 2 Bataillionen, worunter sich ein dänisches Jägerbataillon befand, und welche von Bergedorf herbeikam, abzuwarten, wodurch um Mittag eine Waffenruhe von mehreren Stunden eintrat. Der Feind zeigte sich in dieser Zeit nicht einmal auf dem flachen Höhenzuge. Dagegen erneuerte er hernach den Angriff auf unsere Stellung am Graben mit großer Heftigkeit und setze ihn bis in die Dunkelheit fort. Seine letzten Anstrengungen machte er sogar mit Bataillons-Kolonnen; erreichte aber damit eben so wenig, als durch sein Tiraillieurfeuer seine Absicht.
Schon in der Nacht vom 17. Zum 18. War das Detachement des 2. Bataillons aus Boitzenburg zur Unterstützung der Truppen bei Lauenburg herangezogen, aber nach den glücklichen Gefechten am folgenden Morgen schon wieder zurückgesandt worden.
Die Nacht des 18. War sehr dunkel, kalt und regnerisch; aber die Truppen des Corps waren wachsam, und sahen ohne Zagen dem wahrscheinlichen Kampfe am andern Morgen entgegen. Indeß ließ sich erwarten, daß der Feind endlich seine Übermacht benutzen , und entweder schon in der Nacht auf der Straße vorgehen, oder die Unsrigen am nächsten Tage mit Gewalt aus ihrer Stellung vertreiben würde; denn nach den verschiedenen Versuchen, die er bis jetzt gemacht hatte, konnte ihm unsere Stärke nicht unbekannt geblieben sein, und er mußte einsehen, daß, wenn er in der Dunkelheit auf der Straße vordränge, die Schanzen zu beiden Seiten derselben nicht mehr zu halten sein würden. Dies voraussetzend, befahl auch der General von Tettenborn, die Geschütze in der Nacht abzuführen, und, wenn der Feind noch einmal einen ernsthaften Angriff machen sollte, mit der Infanterie über die Stecknitz zurückzugehen. Die bezeichneten Uebergangspunkte waren bei der Palmschleuse und den Fluß weiter aufwärts bei Lanz.
Bedenkt man, daß die Lützowsche abwechselnd gegen 36 Stunden im Feuer gestanden hatte, daß ein großer Theil derselben bei Tage oder bei Nacht zu Piquets in den nöthigen Posten gebraucht worden war und daß einzelne Soldaten in mehreren Fällen in 6 bis 8 Stunden wegen Mangel an Mannschaft nicht abgelöset werden konnten, so wird man zugeben, daß sich ein fernerer, erfolgreicher Widerstand gegen den bei weitem überlegenen Feind nicht erwarten ließ. War es aber die Absicht des französischen Marschalls, das Vordringen seiner Landsleute gegen Berlin, welches damals von der Mittelelbe aus statt fand, zu unterstützen, so war es schon ein unberechenbarer Gewinn, ihn 2 Tage lang aufgehalten zu haben. Wenn man jedoch sein ganzes Verhalten betrachtet, so kann man ihm kaum jene Absicht unterlegen. Hätte er diese gehabt, so mußte er gleich am ersten Tage, während er die Tirailleurlinie seines Gegners beschäftigte, auf der Landstraße nach Lauenburg vordringen. Er würde die ihm gegenüberstehende Mannschaft nicht nur leicht geworfen, sondern auch auseinander gesprengt und ihr zugleich viele Gefangene abgenommen haben, da ihm eine Reiterei zu Gebote stand, der man die wenigen Kosacken, die sich bei dem Freicorps befanden, kaum hätte entgegenstellen können. An eine schnelle Herbeiziehung von Hülfe war aber nicht zu denken; denn diese konnte von Boitzenburg, wo das Jäger-Detachement des 2ten Bataillons, oder von Büchen, wo und in dessen Nähe das 3 Bataillion mit dem Jäger-Detachement des ersten Bataillons, der Reiterei und 5 Geschützen stand. Die Tyroler Schützen dienten bei Lauenburg zur Deckung des rechten Flügels und waren vorübergehend zum Theil zu dem Gefechte herbeigezogen worden. Der Raum zwischen den waldigen Anhöhen und Lauenburg war so unbedeutend, daß ein entschlossener und muthiger Feind ihn auch bei muthigem Widerstande zurückgelegt haben würde, ehe noch die Truppen in Boitzenburg oder Büchen zur Unterstützung aufgefordert werden konnten. Unbesonnen hätte man aber ein solches Vorgehen des Feindes nicht nennen können; denn gesetzt daß er die ihm entgegenstehende Macht weit stärker fand, als sie war, worüber er nicht im Zweifel geblieben seyn würde; so war es ihm weit leichter, sich auf die rückwärts liegenden Höhen zurückzuziehen, als seinem Gegner die oben bezeichneten Uebergangspunkte über die Stecknitz zu erreichen. War dies nun aber nicht der Fall, so darf man mit Recht behaupten, daß dem Freikorps eine sehr gefährliche Lage übertragen worden war, in welcher es nur durch ein gutes Geschick vor einem sehr großen Verluste bewahrt wurde. Man darf sich daher auch nicht wundern, daß sich bald nach dem Rückzuge desselben, von Lauenburg das Gerücht verbreitete, es sei ganz vernichtet worden. In der Nacht zum 19. Waren die früheren Vorsichtsmaßregeln wieder angewendet worden. Sie verlief größtentheils ruhig; aber schon um 2 Uhr Morgens lief die Anzeige bei dem Befehlshaber ein, daß der Feind vorrücke, und wenn er sich damals auch wieder zurückzog, so geschah dies nur, um bald darauf mit größerer Entschiedenheit auf der Landstraße vorwärts zu gehen. Jetzt ward der Befehl an die Unsrigen gegeben, sich eilig über die Palmschleuse zurückzuziehen; nur die 2. Compagnie des 1. Bataillons, welche zur Unterstützung der Tiraillieurlinie aufgestellt war, wurde verwendet, um den im Sturmschritt vorgehenden Feind aufzuhalten. Der Widerstand, den sie leistete, konnte an sich nicht bedeutend sein, aber er wurde dadurch noch unbedeutender, daß wegen des langen Regens dieser Nacht die meisten Gewehre nicht losgingen.
Bei der ziemlich weitläufigen Stellung der Truppen war es kaum möglich, den ausgestellten Piquets den Befehl zum Rückzuge zur rechten Zeit zu kommen zu lassen. Es ist daher auch begreiflich, daß nicht die ganze Mannschaft sich über die Brücke bei der Palmschleuse zu retten vermochte. Ein Piquet von 20 Mann wäre sogar bald durch einen Umstand eigener Art dem Feinden in die Hände gefallen, wäre es nicht besonnen genug gewesen, die Lage der Dinge bei der Auslegung der ihm zugekommenen Befehl zu Hülfe zu nehmen. Der Fall, wie unbedeutend er erscheinen mag, wird hier wohl erzählt werden dürfen, wo wir es überhaupt nur mit kleineren Verhältnissen zu thun haben. Die Bedingungen des Lebens bleiben ja immer dieselben. Der Oberjäger jenes Piquets, welches in einer ziemlichen Entfernung rechts von der Landstraße stand, hatte die schärfste Aufmerksamkeit auf jedes Geräusch gerichtet. Ihm entging daher auch die Bewegung des Feindes nicht und der Befehl, den ihm eine Ordonanz brachte, sich zurückzuziehen und an sein Bataillion anzuschließen, fand ihn schon darauf vorbereitet. Aber kaum hatte er die Posten eingezogen, als er durch eine 2. Ordonanz den Befehl erhielt, stehen zu bleiben und seine Stellung bis auf das äußerste zu behaupten. Beide Befehle widersprachen einander nicht nur, sondern der letzte war auch den Umständen so unangemessen, daß es schwer war, ihn begreiflich zu finden. Inzwischen hätte ihm Folge geleistet werden müssen, wenn der Oberjäger nicht durch den Zustand der 2. Ordonanz auf die ganz richtige Folgerung geführt worden wäre, daß sie die zuerst angekommene hätte sein sollen. Die unfreundliche Witterung und die Last des Dienstes hatte den Soldaten verführt, seine Flasche mehr als gewöhnlich zuzusprechen, und so hatte er sich taumelnd auf dem Wege verweilt oder sich auch wohl bei der Dunkelheit der Nacht nicht sogleich zurecht gefunden. Die Folge bekräftigte dies hinreichend; denn das Piquet war nur mit großer Anstrengung im Stande, die in vollem Rückzuge begriffenen Truppen zu erreichen. Wie schnell übrigens die Franzosen vorgedrungen waren, beweiset auch der Umstand, daß ein am 18. Morgens verwundeter Lieutenant des Corps, den man nach Lauenburg gebracht hatte, erst von ihrem Vordringen durch ihr Erscheinen in der Stadt Kunde erhielt. Dieser Lieutenant, der so muthig den Feind as dem Abzugsgraben geworfen und ihm die dahinter liegende Anhöhe entrissen hatte, würde ihm jettzt ohne seine Entschlossenheit in die Hände gefallen sein. Er warf sich eilig in seine Kleider, so gut es seine Wunde zuließ, nahm den bloßen Säbel unter den Arm ging eine Zeit lang ruhig neben der französischen Kolonne einher, die eben vorbeizog, als er aus seinem Hause trat, bog dann schnell in eine Seitengasse ein, hieb am Thore einen Franzosen, der ihn anrief, nieder, und schleppte sich noch mehrere Schritte außerhalb der Stadt fort, nachdem ein Kolbenschlag ihn betäubt hatte. Den Niedergesunkenen fand ein Kosak, der ihn auf sein Pferd hob und mit ihm davon ritt.
Der größte Theil der Mannschaft rettete sich glücklich die die Brücke bei der Palmschleuse, und von denjenigen Soldaten, welche diese nicht hatten vor dem Feinde erreichen können, stellten sich doch später die meisten wieder ein. Sie waren zum Theil durch die Stecknitz geschwommen, zum Theil aber hatten sie sich an langen Stangen hinübergeholfen, welche je 2 auf ihren Schultern über den Bette des Flüßchens hielten, damit die andern mit den Händen daran fortschweben könnten.
Die einfache Erzählung der Vorgänge bei Lauenburg ist hinreichend, um zu zeigen, daß es den Lützowern weder an Ausdauer, noch an Muth und Tapferkeit fehlte. Inzwischen fürchten wir keinen Tadel, wenn wir noch einige Züge aus der Geschichte dieser Tage hinzufügen, welche geeignet sind, theils diese Behauptung noch weiter zu belegen, theils die achtungswerthe Gesinnung darzuthun, welche damals das Corps im ganze belebte. Sie sind aus dem Kreise hergenommen, in welchem sich der Erzähler damals bewegte, und sollen denen nicht Eintrag thun, von denen er keine Kenntniß erhält. Zuerst mag im allgemeinen bemerkt werden, daß der Eifer, an dem Gefechte Theil zu nehmen, so groß war, daß die größte Mühe angewendet werden mußte, um so viel Mannschaft zurückzuhalten, als zur Besetzung der nothwendigen Posten und zur Unterstützung der Tirailleurs erfordert wurde. Das wichtige Kommando in der einen Schanze blieb deshalb auch längere Zeit in den Händen eines Oberjägers. In dem Gefechte selbst zeigten die Soldaten den größten Muth und seltene Kaltblüthigkeit. Unter denen, welche die von den Franzosen besetzte Anhöhe erstürmten, waren viele, denen man erst einige Tage vorher Gewehre gegeben hatte. Ein Soldat, welcher Stunden lang dem Feuer der französischen Tirailleurs ausgesetzt gewesen war, hatte sogar die Verwegenheit ihnen zuletzt auf das freie Feld weit hinaus entgegen zu gehen, und ihnen zugerufen, daß sie elende Schützen wären, die erst von den Unsrigen schießen lernen müßten. Diesmal blieb aber die Keckheit nicht unbestraft, und die Strafe traf wunderbarer Weise das Werkzeug, was gefrevelt hatte. Eine Kugel ging in den Mund des Herausforderers, riß ihm 2 Zähne aus und drang durch seine Zunge in den Hinterkopf, wo sie auch stecken blieb; denn eine Zeit nach seiner Heilung fiel sie ihm bei einer Balgerei plötzlich in den Mund. – Ein anderer Soldat, seinen Alter, er hatte noch nicht das 17. Jahr erreicht, und seiner Größe und zarten Constitution nach noch ein Knabe, sagte mit großer Ruhe, als ihm beim Laden seines Gewehrs eine Kugel durch die Hand gegangen war und er das Gefecht verlassen mußte, zu seinen Kameraden, sorgt nur dafür, daß ich mein Gewehr wieder bekomme, wenn ich zurückkehre. – Zu diesen Beweisen tapferer Gesinnung gehört aber auch, daß die 3. Comp. Des 1. Bat. Sich weigerte, 2 Soldaten wieder bei sich aufzunehmen, die nach dem Rückzuge über die Stecknitz sich zwar wieder eingestellt hatten, aber ohne Gewehre gekommen waren. Weder die Entschuldigung daß ihnen dieselben in dem sumpfigen Boden der Stecknitz stecken geblieben seien, noch die Verwendung des Hauptmanns zu ihren Gunsten, konnte sie vor der Ausstoßung retten. Sie mußten den schwarzen Rocl ausziehen, den sie entehrt hatten.
Es war Anfangs die Absicht, den Feind an der Stecknitz aufzuhalten; aber wenn auch die Bücke über diesen Fluß bei der Palmschleuse abgebrannt worden wäre, was durch die Feuchtigkeit des dazu angwendeten Strohs erschwert und durch die herbeieilenden dänischen Jäger verhindert wurde, so würde doch jenes Gewässer bei seiner geringen Breite und Tiefe, nur ein schwaches Hindernis für die Franzosen gewesen sein. Gingen diese aber über den Fluß, so war auf einen kräftigen Widerstand von Seiten unserer erschöpften Soldaten nicht zu rechnen. Auch versagten die meisten Gewehre den Dienst. Viele Soldaten hatten seit 2 Tagen fast gar nicht geschlafen, hatten sich einen großen Theil dieser Zeit fortwährend geschlagen, und litten auch trotz des Eifers, womit die Bewohner Lauenburgs Lebensmittel in die Schanzen brachten von Hunger und Durst. Waren doch einzelne so erschöpft, daß keine Bemühung sie aus dem Schlafe aufrütteln konnte, als die Feinde vordrangen. Die bleichen, von Pulverdampf entstellten Gesichter der Soldaten sagten es auch den Anführern deutlich, daß an einen kräftigen Widerstand in diesem Augenblicke nicht gedacht werden dürfe. Dies und das die Franzosen auch bei Lanz erschienen waren hinreichende Gründe, von der Stecknitz zurückzuweichen. Inzwischen hatte man sich in der Nähe des Flusses, gehalten, und zog sich eben so langsam zurück, wie der Feind vordrang, dessen Eifer, rasch vorzurücken, schon wieder erkaltet zu sein schien. Der gesammte Verlust des Corps bei Lauenburg an Todten, Verwundeten und Vermißten wird auf etwa 100 Mann angegeben.
Der Marschall Davout hat sich bekanntlich in diesem ganzen Kriege, wenn man die Vertheidigung Hamburgs abrechnet, mit einer Behutsamkeit benommen, die man versucht ist, Zaghaftigkeit oder Schlafheit zu nennen. Gesteht man auch zu, daß es ihm an Kundschaftern fehlte, und daß er nicht leicht jemand fand, der ihm über die Stellung und Stärke seiner Gegner Auskunft geben konnte und mochte; so fehlte es ihm doch nicht an den militärischen Mitteln, sich selbst die ihm abgehende Kenntiß zu verschaffen. Aber alles, was er von dem Uebergange über die Stecknitz bis zum Anfange des Septembers that, bestand in einen langsamen Vorgehen nach Schwerin und in dem bald darauf angetretenen Rückzuge über Gadebusch an den genannten Fluß. Er vermied sorgfältig jedes ernstliche Treffen und hielt seine Truppen beisammen, um keine Gelegenheit zu kleinen Treffen zu geben. – Der Mangel an Kundschaftern auf Seiten der Franzosen war auch die Ursach eines eigenthümlichen Geschicks zweier Freiwilligen des Corps, wovon der eine später in Berlin ein bekannter praktischer Arzt war. Sie waren über die Elbe nach der Altmark gegangen, um hier für das Corps zu wirken, fielen aber den französischen Gensdarmen in die Hände und wurden vor Davout selbst gebracht. Bei diesem wußten sie sich jedoch so gut zu legitimiren, daß er sich als seine Kundschafter zu benutzen beschloß und sie sogar mit Gelde versah. So kehrten sie nach längerer Abwesenheit wieder zum Corps zurück.
Das Freicorps nahm an allen Bewegungen Theil, welche von den Truppen des Generals Wallmoden gemacht werden mußten, um die Schritte des Feindes theils zu bewachen, theils zu hemmen, hatte daher wenig Ruhe, aber desto mehr Gelegenheit sich mit dem Bivouakiren vertraut zu machen, da unter den gegebenen Umständen an Einquartirung nicht zu denken war. Inzwischen liegt es ganz außer unserm Zwecke, auf das Einzelne der Märsche und Stellungen des Corps einzugehen; wir beschränken uns auf die Angabe der Actionen desselben und verweilen auch nur bei denjenigen, die uns für seine Beurtheilung von besonderer Bedeutung erscheinen.
Durch das Vorgehen der Franzosen nach Schwerin hatte sich der Kronprinz von Schweden bestimmen lassen, dem General von Wallmoden zu befehlen, mit seinem Heerhafen nach Brandenburg an der Havel aufzubrechen. Nur die Division Vegesack, so wie die leichten Truppen unter Tettenborn blieben zur Beobachtung von Davout zurück, und hatten die schwierige Aufgabe, ihm ihre Schwäche zu verbergen. Sie änderten daher oft ihre Stellung und unterließen nichts, den Feind zu beunruhigen. Zu diesem Zwecke war auch der Major von Lützow mit 100 Kosaken und 100 Husaren seines Corps am 25. August von Warsow aufgebrochen, war nach Gottesgabe gegangen und hatte sich in der Nacht, rechts von der Straße, die von Gadebusch nach Schwerin führt und in der Nähe von Rosenhaben in ein Gehölz verborgen. Aus diesem Verstecke gewahrte man am 26. Einen Zug von schwerbewaffneten Wagen, die sich unter einer Bedeckung von Fußvolk näherten und ohne Zweifel für das Lager der Franzosen bei Schwerin bestimmt waren. Sie erschienen dem Major von Lützow als eine sichere Beute, auch würde er sich ihrer mit Leichtigkeit bemächtigt haben, hätten sie nicht in raschen Laufe das Gehölz erreicht, in welchem das Fußvolk sich sicherer zu vertheidigen vermochte, indem es sich darin zu beiden Seiten des Weges ausbreitete. Indeß wurde sein Widerstand bald überwältigt. Zwischen 50 und 60 Feinde blieben oder wurden verwundet, und 27 geriethen in Gefangenschaft, Nur wenige zogen sich in das Gehölz zurück, wo sie durch Bäume und Gebüsch gegen die Reiter gedeckt waren. Aber dies hinderte Theodor Körner nicht, ihnen nachzuspringen. Seine ungezügelte Kampfbegier ließ ihn weder die Gefahr beachten, der er sich aussetzte, noch die Nichtigkeit des Vortheils bedenken, der hier zu erlangen war. Er fiel von einer Kugel, getroffen, die ihm durch den Unterleib in den Rückgrath drang, und hauchte sogleich seinen Geist aus. Neben ihm fielen ein Graf von Hardenberg, der den Russen als Volontär diente, und einige Husaren. War es Körners Wunsch gewesen, für das Vaterland zu sterben, so hatte er ihn erreicht, aber das Schicksal hatte ihm denselben gewährt, wie es häufig ungezügelte Wünsche gewährt: mit einer gewissen Ironie. Allerdings stirbt der Soldat, wo und wie er stirbt, für die Sache, der er dient; aber wir müssen gestehen, daß, wenn der Tod für das Vaterland als etwas Poetisches aufgefaßt und erstrebt wird, die Poesie des Gedankens verschwindet, sobald das Leben an die Erlangung eines bettelhaften Gewinnes mit einer Hitze gesetzt wird, als gelte es den höchsten Preis zu erobern. Wir hätten Körnern einen bessern Tod gewünscht, einen Tod, der nicht den Schein auf ihn geworfen hätte, als wäre ihm noch mehr an dem Tode als an der Sache gelegen gewesen, für die er in den Kampf gegangen war Aber wir hätten auch gewünscht, daß der Major von Lützow, der Chef des Freicorps, sich eine würdigere Aufgabe gesetzt gehabt hätte, als Wege zu belagern, um sich mit den Gewinn eines Freibeuters zu schmücken.
Das Körner den Wunsch in sich trug, im Kampfe zu bleiben, dürfte auch aus dem Gedichte hervorgehen, welches unter dem Namen des Schwertliedes bekannt ist, und wovon es heißt, daß er es erst am Morgen seines Todestages in seine Schreibtafel eingeschrieben gehabt habe. Wir lassen es hier zu seinen Andenken abdrucken. Das Freicorps verdankt ihm viel; seine Lieder haben vornehmlich dazu beigetragen, es als seine poetische Erscheinung aufzufassen; warum sollten wir ihn daher nicht dadurch ehren, daß wir uns an ihn durch ihn selbst erinnern.
Das Schwert an meiner Linken,
Was soll dein heitres Blinken?
Schaust mich so freundlich an,
Hab‘ meine Freude dran.
Hurrah!
»Mich trägt ein wackrer Reiter,
»Drum blink‘ ich auch so heiter,
»Bin freien Mannes Wehr;
»Das freut dem Schwerte sehr.
»Hurrah!«
Ja, gutes Schwert, frei bin ich,
Und liebe dich herzinnig,
Als wärst du mir getraut,
Als meine liebe Braut.
Hurrah!
»Dir hab‘ ich’s ja ergeben,
»Mein lichtes Eisenleben.
»Ach wären wir getraut!
»Wann holst du deine Braut?
»Hurrah!«
Zur Brautnachts-Morgenröthe
Rufst festlich die Trompete
Wenn die Kanonen schrei’n,
Hol ich das Liebchen ein.
Hurrah!
»O seliges Umfangen!
»Ich harre mit Verlangen.
»Du Bräut’gam, hole mich,
»Mein Kränzchen bleibt für dich.
»Hurrah!«
Was klirrst du in der Scheide,
Du helle Eisenfreude.
So wild, so schlachtenfroh?
Mein Schwert, was klirrst du so?
Hurrah!
»Wohl klirr‘ ich in der Scheide:
»Ich sehne mich zum Streite,
»Recht wild und schadenfroh.
»Drum Reiter klirr ich so.
»Hurrah!«
Bleib doch im engen Stübchen.
Was willst du hier, mein Liebchen?
Bleib still im Kämmerlein,
Bleib, bald hol‘ ich dich ein.
Hurrah!
»Laß mich nicht lange warten!
»Oh schöner Liebesgarten,
»Voll Röslein blutigroth,
»Und aufgeblühten Tod.
»Hurrah!«
So komm denn au der Scheide,
Du Reiters Augenweide.
Heraus, mein Schwert, heraus!
Führ dich in’s Vaterland.
Hurrah!
»Ach, herrlich ist’s im Freien,
»Im rüst’gen Hochzeichtreiben,
»Wie glänzt im Sonnenstrahl
»So bräutlich hell der Stahl!
»Hurrah!
Wohlauf, ihr kecken Streiter,
Wohlauf, ihr deutschen Reiter!
Wird euch das herz nicht warm,
Nehmt’s Liebchen in den Arm.
Hurrah!
Erst that es an der Linken
Nur ganz verstohlen blinken;
Doch an die Rechte traut
Gott sichtbarlich die Braut.
Hurrah!
Drum drückt den liebeheißen
Bräutlichen Mund von Eisen
An eure Lippen fest.
Fluch! Wer die Braut verläßt!
Hurrah!
Nun laßt das Liebchen singen,
Das helle Funken springen!
Der Hochzeitmorgen graut. –
Hurrah, du Eisenbraut!
Hurrah!
Bei Wöbbelin senkten seine Freunde ihn unter einer Eiche in das Grab, und gaben ihm so einen sich immer erneuernden Eichenkranz. Später ward ihm hier ein Denkmal von Gußeisen gesetzt. Seine einzige Schwester, die ihm mit der zärtlichsten Liebe anhing, ruht an seiner Seite. Sie starb schon im März 1815.
Weit wichtiger waren die Gefecht, welche ein Theil des lützowschen Corps in Verbindung mit den reicheschen Jägern am 4. Und 5. September unweit Mölln zu bestehen hatten. Schon am 3. September hatten die Franzosen ihre Stellung bei Schwerin aufgegeben und ihren Rückzug nach der Stecknitz über Gadebusch angetreten. Bei Zarrenthin, in der Nähe des Schaalsees, standen sie aber noch am 4ten Morgens, und brachen erst auf, als der Major von Lützow über die Schaal , ein kleines in jenen See sich ergießendes Wasser, gegangen war und einen Angriff auf Zarrenthin machte, nachdem er sie schon mit Tagesanbruch hatte bedrohen lassen. Sie zogen über Teßdorf, um sich ihrer Hauptmach zu nähern, setzten sich aber wieder bei Gudow, und wichen erst, als die lützowsche Infanterie durch diesen Ort vorgedrungen war. Von Gudow zieht sich eine Reihe von Seen, die durch den Luttaubach mit einander verbunden werden, die nach Mölln, an der Stecknitz. Die Franzosen befanden sich am rechten Ufer jenes Baches, und wurden hier von den Uns’rigen so gedrängt, daß sich um 4 Uhr nach Mittag ein heftiges Gefecht entspann, welches damit endete, daß sie über den Bach gingen, der von einer ziemlichen Tiefe ist, sich in den anstoßenden Buchenwald warfen, und auch diesen erst aufgaben, als sie darin angegriffen wurden. – Hinter dem Walde, der bei Drüsen den Bach verläßt und sich an die Stecknitz hin zieht, öffnet sich südlich von Mölln eine weite Fläche. In dieser hatte sich jetzt der Feind, zur Deckung der Stadt aufgestellt. Vier Bataillione mit 8 Kanonen bildeten 2 Treffen und schienen entschlossen, den Angriff zu erwarten. Mölln an der großen Straße von Schwerin nach Holstein gelegen und im rücken der von Marschall Davout in und bei Ratzeburg eingenommenen vortheilhaften Stellung, konnte von den Franzosen nicht aufgegeben werden. Das sah der General von Tettenborn ein, und da der General von Wallmoden sich mit einem Theile seines Corps nach der Elbe hin gewandt hatte, so konnte es seine Absicht nicht sein, den Feinde Mölln zu entreißen, sondern höchstens zu erforschen, ob es diesem auch wirklich Ernst sei, sich hier zu behaupten. Der Major von Lützow ließ daher die 3. Und 4. Compagnie des 3. Bataillons auf den Höhen vorgehen, welche den hier einen See bildenden Bach begleiten, während sich die tyroler Schützen auf dem linken Flügel an den Buchenwald lehnten, in den sie Tirailleurs hineinwarfen, und die reicheschen Jäger mit dem Detachement des 3ten Bataillons die Mitte einnahmen. Die Artillerie folgte der Infanterie, indem sie zugleich von den Höhen auf dem rechten Flügel Vortheil zog. Um aber bei einem Rückzuge nicht ohne Deckung zu sein und sich gegen eine Umgehung zu stellen, war die 1. Und 2. Compagnie des 3ten Bataillons an der Straße über den Bach stehen geblieben und die Cavallerie dieseits desselben vorgeschoben. Der Feind ließ die Angreifenden nahe herankommen, ging dann aber selbst zur Offensive über, indem er mit 2 Bataillionen in geschlossenen Kolonnen und mit seiner Artillerie vorrückte. Er gab dadurch deutlich zu erkennen, daß es seine Absicht sei, sich in einer Stellung zu behaupten. Dies bestimmte den Major von Lützow, die Seinigen den Rückzug antreten zu lassen, der zwar auch glücklich, aber nicht ohne große Eile bewerkstelligt wurde. An dem Bache drängte sich alles unter dem lebhaften Kanonen- und Gewehr-Feuer des Feindes zusammen, und da keine eigentliche Brücke, sondern nur ein breiter Steg hinüberführte, so stürzten sich viele Soldaten bis an die Brust in das Wasser, um schnell das andere Ufer zu erreichen. Die französische Artillerie würde den Unsrigen bei ihrem eiligen Rückzuge, und da der Bach nur auf einem engen Raume zu passiren war, weit mehr Schaden zugefügt haben, wäre sie besser bedient worden, aber ihre Kugeln sausten größtentheils durch die Gipfel der Bäume und bedeckten den Boden mit heruntergeschlagenen Aesten. Das Gefecht hörte erst um 9 Uhr am Abend auf, und schon am andern Morgen, den 5ten September um 6 Uhr, erneuerte es der Feind, indem er die Unsrigen auf dem linken Flügel zu umgehen suchte, und in dem Buchenwalde am rechten Ufer der Luttau vordrang. Der augenblickliche und kräftige Wiederstand jedoch, der ihm hier entgegengesetzt wurde, bestimmte ihn, sich auf ein Tiraillieurfeuer zu beschränken und dann nach Mölln zurückzugehen.
Der Verlust der ganzen unter dem Major von Lützow bei Mölln vereinigten Mannschaft an Todten, Verwundeten und Vermißten wird auf 70 Mann angegeben.
Seit dem Angriffe auf Zarrenthin hatte dieselbe große Anstrengungen machen müssen. Mit dem eiligen Marsche und den Gefechten verbanden sich noch Hitze und Mangel an Lebensmitteln, um sie zu erschöpfen. Es darf daher auch nicht Wunder nehmen, daß die Erzählungen der Soldaten, welche bei Mölln mit gefochten hatten bei weitem weniger vortheilhaft klangen, als die, welche wir in dem öfter erwähnten Buche von Ad. S. finden. Ihren traurigen Berichten fügten aber Mehrere auch eine Anekdote bei, die zur Erheiterung diente, und hier ihren Platz finden mag. Als die Unsrigen, so erzählten sie, den Luttaubach zu eilten, stand am disseitigen Ufer R. – ein namhafter Mann im Corps – mit einer Pike bewaffnet, und drohte, jeden niederzustoßen, der es wagen würde, den Steg zu überschreiten. Es blieb zwar bei der Drohung, aber die Jäger meinten doch, daß dies eine schlecht gewählte Gelegenheit gewesen sei, um den Muth an den Tag zu legen. – Mag nun aber auch die Wahrheit dieser Anekdote dahin gestellt bleiben, so ist doch eine andere nicht zu bezweifeln, die von demselben Manne erzählt wird. Ein Bauer, dessen man sich bei dem Zuge nach Mölln als Führer bedient hatte, ward von ihm durch Fußtritte und Rippenstöße belehrt, was er seinem Vaterlande schuldig sei; denn er hatte in der Unschuld seines Herzens geäußert, daß er früher auch den Franzosen als Führer hätte dienen müssen.
Wie ganz verschieden pflegt der Mensch sic anzuschlagen, je nachdem seine Handlungen mit diesen oder jenen Ereignissen in Verbindung erscheinen! Die wichtigen Erfolge, ob glücklich oder unglücklich, erheben ihn, während die unbedeutenden ihn in seiner Demuth erhalten. Und doch ist er in der Masse Handelnden immer nur eben er, immer nimmt er nur eine winzige Stelle ein, immer kann er nichts Größeres thun, als sein Leben an seine That setzen. Wenn der Soldat daher mit Stolz sagt: auch ich war bei Bautzen; auch ich half die Franzosen in die Katzbach jagen; so wird er ganz kleinlaut erwähnen, daß er bei Lauenburg mit gefochten habe, daß es bei Mölln heiß hergegangen sei; denn er wird fürchten, daß man ihn gleichgültig, wenn nicht verächtlich fragt: wann war denn das? – Das war das eigene Geschick des Freicorps, daß man viel redete von dem, was es nicht gethan, und wenig von dem, was es gethan. Nur das Treffen bei der Görde hat eine gewisse Celebrität erlangt, und deshalb fragt man auch wohl einen ehemaligen lützower Jäger: warst du auch an der Görde? Es gilt für den Glanzpunkt in den Thaten des Corps, weil es aus den beschränkten Dimensionen der kleinen Gefechte, an denen dieses Theil hatte, heraustrat, und mit einem wichtigen Erfolge verknüpft war. Was aber das Corps in der bisherigen Treffen leistete, wollen wir in der bisherigen Weise jetzt erzählen, da uns der Gang der Begebenheiten darauf führt.
Davout schien, nachdem er einige Zeit bei Schwerin gestanden hatte, wieder in seine alte Stellung zurückkehren zu wollen, ohne daß er von seinem Gegner dazu gezwungen worden wäre. Man glaubte daher, daß hinter dieser rückgängigen Bewegung eine Absicht versteckt liegen möge, und kam auf den Gedanken, daß er einen Theil seines Corps über die Elbe gehen zu lassen bezweckte, um etwa die Besatzung von Magdeburg zu verstärken. Auf Grund dieser Voraussetzung hatte daher auch der General von Wallmoden bald nach dem Aufbruche des Feindes aus dem Lager bei Schwerin mit seinem Corps eine Bewegung nach der Elbe zu gemacht, und war nur wieder in die Gegend von Wittenburg und Hagenow zurückgekehrt, als seine über die Elbe gesandten Kundschafter ihm berichteten, daß nicht die geringste Bewegung des Feindes auf jener Seite des Flusses zu bemerken sei, und Davout in der vortheilhaften Stellung bei Ratzeburg und Mölln stehen blieb. Am 10ten hatte Wallmoden die bezeichnete Stellung eingenommen; allein schon 2 Tage später ersah er aus einem Briefe, den man bei einem französischen Offizier fand, welcher unweit Mölln einer Patrouille in die Hände fiel, daß man sich in der dem Marschall untergelegten Absicht nicht getäuscht hatte. Der General von Wallmoden faßte bisher rasch den Entschluß, mit dem größten Theile seines Corps über die Elbe zu gehen und den Rest zur Beobachtung des Feindes diesseits zurückzulassen. Von de lützowschen C orps nahmen an diesem Marsche 500 Mann Infanterie und 500 Mann Cavallerie Theil, die sich am 13ten nach Lübtheen, am 14ten nach Dömitz und in der Nacht auf den 15ten September mit den übrigen Truppen in der Nähe von Danneberg über die Elbe begaben. Der Marsch ging in der Nacht so schnell, daß von der Infanterie des Corps etwa der zehnte Theil beisammen war, als man am Morgen ein Bivouak bezog. Nach und nach stellte sich indeß die ganze Mannschaft wieder ein. – Der General von Wallmoden nahm bei Danneberg eine Stellung, um die Franzosen zu erwarten, die in der That, wie jener Brief des gefangenen Officiers aussagte, unter dem General Pécheux, in der Nähe der Elbe, aufwärts gingen. Schon am 15ten glaubte er, daß der Feind herankommen und auf ihn stoßen würde; allein weil dieser bei der Görde Kosacken angetroffen hatte, die zu den Truppen des Generals von Tettenborn gehörten, so stellt er seinen Marsch ein, indem er ganz richtig voraussetzte, daß jene leichten Reiter die Vorhut eines Heerhaufens bildeten, der im Anzuge sei. Der General von Wallmoden rückte indeß, immer in der Erwartung, daß der Feind vorwärts gehen werde, am 16. In aller Frühe nach Worchau, in eine Gegend, wo er seine Truppen verdeckt aufstellen konnte. Nur die wenigen Kosacken blieben, wie bisher, im Angesichte des Feindes stehen, um ihn glauben zu machen, daß er es nur mit einem schwachen Gegner zu thun habe. Der General Pécheux war jedoch vorsichtig genug, nicht in die Falle zu gehen. Er hatte seine Stellung hinter dem Görder Walde, diesen Wald besetzt, und seine Vorposten disseits desselben. Wenn daher der General von Wallmoden nicht befürchten wollte, sich seine Beute entgehen zu sehen, oder von dem Feinde in eine von seiner Communication mit dem anderen Ufer entfernten Gegen gelockt zu werden, mußte er sich entschließen, ihm rasch anzugreifen. Er befahl daher, ungeachtet man um Mittag eine Kanonade von Boitzenburg her gehört hatte, dem Major von Lützow, sich mit seiner Infanterie in den Wald zu werfen, und den Feind darin anzugreifen. Unter der Leitung des Premier-Lieutenants Staak führte dieselbe die ihr erteilte Ordre mit Muth und Eifer aus. Ihre Bewegung war so rasch, daß die feindlichen Tirailleurs sich nach kurzem Widerstande eilig zurückzogen, um sich auf dem hügeligen Boden jenseits des Waldes von neuem zu formiren und Verstärkungen an sich zu ziehen. Am Ausgange des Waldes entspann sich daher ein heftiger Kampf, der auf Seiten der Franzosen noch durch Artillerie unterstützt wurde. Die Unsrigen hatten, von dem eiligen Marsche durch das oft Fuß hohe Heidekraut ziemlich erschöpft, ein lebhaftes Feuer zu bestehen, folgten aber muthig der hohen Gestalt und kräftig aufmunternden Rede ihres Anführers und erreichten glücklich den Graben am Rande des Waldes, der ihnen einigen Schutz gewährte. Hier aber sollten sie sich schon von ihrem Führer trennen, der von einer Musketenkugel an der Schulter verwundet das Gefecht verlassen mußte. Nur immer vorwärts! Sagte er, Abschied nehmend, bald sehen wir uns wieder!
Nun erst begann das eigentliche Treffen, an welchem sowohl die Cavallerie als Infanterie des Freicorps einen sehr thätigen und rühmlichen Antheil nahm. Die letztere vertrieb auf dem linken Flügel des Feindes seine Tirailleurs von einer Höhe, worauf sie vortheilhaft postirt waren, erstürmte mit dem Bajonett einen andern Hügel, nahm hier dem Feinde nach tapferer Vertheidigung eine Haubitze, und drang muthig in die Ebene vor, wo der zurückweichende Feind sich in Quarres aufgestellt hatte und die wiederholten Angriffe der überlegenen Reiterei des Wallmodenschen Corps aushalten mußte. Weniger glücklich war das lützowsche Reiter-Geschwader gewesen. Es war, als die Infanterie die feindlichen Tirailleurs aus der Ebene und von der auf dem rechten französischen Flügel gelegenen, vorspringenden Anhöhe vertrieben hatte, auf die französische Reiterei losgestürmt; welche die Straße nach Lüneburg, links von jener Anhöhe besetzt hielt, aber, da sich dieselbe eilig hinter ihre Infanterie zurückzog, auf diese, die sich ihr in einem festen Quarre entgegenstellte, gestoßen und von einem heftigen Feuer begrüßt worden, dessen Wirkung, außer andern, auch den Major von Lützow selbst gefährlich wurde, indem er eine Wunde im Schenkel und Unterleibe erhielt, und den Feind rettete. Bei einem spätern Reiterangriffe, der mit einem andern, vom rechten Flügel unternommenen, zusammentraf, und dessen Ausgang für die Franzosen verderblich war, indem er ihre Niederlage vollenden half, ward der Rittmeister von Bornstädt, der die Reiterei unter dem Major von Lützow befehligte, verwundet.
Das Treffen an der Görde wurde bekanntlich von den Franzosen verloren. Der General Pécheux befehligte ungefähr 6000 Mann und wurde von einem Corps angegriffen, was ihm besonders an Reiterei und Geschütz außerordentlich überlegen war. Er kämpfte mit Umsicht, benutzte sehr gesickt die Vortheile, welche ihm das Terrain darbot und wurde von der ausgezeichneten Tapferkeit seiner Soldaten unterstützt. Bis in die Dunkelheit hinein dauerte das Gefecht. Inzwischen ließen es auch die verbündeten Truppen nicht an Muth und Tapferkeit fehlen. Insbesondere kann man dies, ohne Beeinträchtigung der übrigen, von denen behaupten, die dem Freicorps angehörten. Fast alle Officiere, welche nach einander das Kommando übernahmen, wurden verwundet, und mit ihnen wetteiferten die Gemeinen an diesem Tage an aufopfernder Hingebung. Auch unter den größten Kugelregen stürzten sie sich dem Feinde muthig entgegen. Inzwischen fehlte es doch auch nicht an Beispielen, welche bewiesen, wie sehr dem Freicorps der eigentliche militärische Geist noch abging, der die Tapferkeit unter die Herrschaft der Disciplin stellt, und durch Besonnenheit den Muth zügelt. Es war mehr der Ungestüm der Einzelnen, der sie forttrieb, als das Kommando. Dieses blieb mehrmals ganz unbeachtet, und wenn es in der Menge nicht manche gegeben hätte, die es sich angelegen sein ließen, hemmend und ermunternd einzugreifen, hätte bei der Infanterie um so leichter Verwirrung einreißen können, als die ganze Schaar derselben sich mit seltenen Ausnahmen tiraillierend über einen Raum ausbreitete. Diese waren es auch die erfolgreich dem Eindruck entgegen arbeiteten, den das plötzlich von einem erhobene und von andern wiederholte furchtsame Geschrei: die polnischen Ulanen! Die polnischen Ulanen kommen! Verbreitete. Besonders zeigte sich auch der wenige militärische Geist an dem beständigen, oft ganz grundlosen, und mit unter die eigenen Truppen gefährdenden Schießen, ein Vorwurf, der aber nicht sowohl die Jäger von den Detachement, als die Füseliere traf.
Der Verlust des Freicorps belief sich an diesem Tage auf 111 Mann an Todten, Verwundeten und Vermißten, und war verhältnißmäßig weit stärker, als der der übrigen Truppen, die an dem Treffen Theil genommen hatten. Einige der Gebliebenen wurden mit Recht sehr bedauert. Unter ihnen war auch ein Mädchen von 21 Jahren, Elenore Prohaska aus Potsdam. Eine Kugel hatte ihr den Knochen in dem einen obern Schenkel gespalten. Sie starb am 2ten Tage nach den Treffen mit der Standhaftigkeit eines alten Soldaten, ungeachtet der großen Schmerzen, die sie litt, in Danneberg, wohin man sie gebracht hatte. Als man sie vom Schlachtfelde aufhob, um sie wegzuschaffen, machte sie Einwendungen, indem sie es für angemessener erklärte, sich derer anzunehmen, die leichter verwundet wären und daher leichter gerettet werden könnten. Ihr Geschlecht soll bis zu dem Augenblicke unbekannt gewesen sein. Auch ist dies nicht unglaublich, da sie sich mit demselben Eifer allen Pflichten des Dienstes unterzog, und, bei einem starken Gliederbau, eine hohe, schlanke Gestalt hatte. – Wir erwähnen auch des Oberjägers von Berenhorst, dessen ganze Eigenthümlichkeit sich mehr mit den Künsten des Friedens, als den rauhen Geschäften des Krieges vertrug. Schon über die Jünglingsjahre hinaus, war er ein feiner, geistreicher und liebenswürdiger Mann, dessen Unterhaltung man gern aufsuchte, und der noch kurz vor dem Beginn des Treffens mehreren seiner bekannten und sich selbst das Horoskop gestellt hatte. Ihm drohte, wie er sagte, daß finstere Verhängniß, und auch bei andern traf seine Prophezeiung zu. Er war einer der muthigsten, als man gegen den Feind vorrückte, und war auch nicht zum Rückzuge zu bestimmen, als ihm Laufe des Gefechts die Hörner einmal wiederholt Reträte blisen. Das, sagte er, habe ich bei Jena angemacht. (Er hatte schon damals gedient.) Bald darauf, als die Tirailleurlinie wieder vorging, ward er im Arme verwundet, wickelte sich in seinen Mantel und schritt vorwärts, bis ein zweiter Schuß, durch die Brust ihn zu Boden streckte. – Ein anderer Oberjäger Hartmann, dem ein Bein abgenommen werden mußte, starb mit den bekannten Horazischen Versen: dulce et decorum est pro patria mori! – Unter den Verwundeten sei es erlaubt hier eines Mannes zu gedenken, der bald nach Beendigung des Krieges in Berlin starb, und welchem damals viele der ehemaligen Lützower zur letzten Ruhestätte folgten. Der nachherige Hauptmann Staak, ein Pommer von Geburt, der vom Gemeinen an gedient und schon die Rheincampagne mitgemacht, dann aber sich bei Kolberg unter Gneisenau ausgezeichnet hatte und wegen einer schweren Verwundung verabschiedet und im Civildienste angestellt worden war, gehörte zu den Menschen, welchen die Natur mit einem schönen Leibe eine kräftige Seele verliehen hat, denen aber das Geschick nicht die Verhältnisse gab, um ihre natürlichen Eigenschaften zu entwickeln und insbesondere sie ihrer harten Schaale zu entkleiden. Bei Kolberg bekam er einmal den Befehl, ein von den Franzosen besetztes Blockhaus wegzunehmen. Mit einer Zahl von ausgewählter Grenadire nähert er sich demselben in der Nacht, und stößt zuerst, auf ein feindliches Piquet. Um ein Feuer herum liegen schlafend mehrere italienische Soldaten und 2 andere stehen, auf ihre Gewehre gelehnt, dabei. Leise schleicht sich er allein voran, faßt die beiden Italiener im Genick, stößt sie mit den Köpfen so zusammen, daß sie betäubt zu Boden fallen und stürmt nun mit seiner Mannschaft in das Blockhaus und macht die Besatzung zu Gefangenen. Aber ein anderes Unternehmen schlug zu seinem Verderben aus. Eine Schanze sollte weggenommen werden, und als er eben im Begriffe ist, über einen Graben zu springen, faßt ihn ein Kartätschenschuß und reißt ihm die Rippen über dem Herzen weg. In der Folge bedeckte er diese Stelle mit einer metallenen Platte. Dieser Mann diente dem Freicorps mit Eifer und Einsicht. Sein ungestümer Muth riß die Soldaten mit sich fort; aber eben so wie dieser war der schnelle Blick zu rühmen, womit er die militärische Bedeutung einer Gegend erkannte. Er zählte sich gern zu den Verächtern der Wissenschaft, aber eine geheime Macht zog ihn zu den Gebildeten hin, denen er, ungeachtet seiner rauhen Außenseite, mit Rücksicht begegnete. Die Soldaten des ersten Bataillons, welches er befehligte, waren ihm sehr zugethan, wenn sie gleich seinen Ernst fürchteten.
Wie die Tage bei Lauenburg nicht vorübergegangen waren, ohne das Soldaten, wie wir sahen, ein strenges Gericht über diejenigen ihrer Cameraden hielten, die sich den Vorwurf der Feigheit zugezogen hatten, so geschah es auch nach dem Treffen bei der Görde, aber von Seiten der Officiere gegen einen unter ihnen. Sie erklärten ihm, nicht mehr mit ihm dienen zu wollen.
Am Morgen nach dem Treffen, die Nacht war feucht und regnicht gewesen und die Soldaten des Corps hatten im Görder Walde bivouakirt, erschien plötzlich Jahn unter ihnen. Er war am Tage vorher zu Pferde im Gefolge von Wallmoden gesehen worden, und hatte die Nacht in dem im Walde liegenden Schlosse zugebracht. Seine Absicht war, sich mit den Officieren zu besprechen, um einen Bericht über die Theilnahme des Corps an dem Treffen abzufassen. Er ist deshalb damals von vielen getadelt worden, die sein Benehmen ein unziemliches Vordrängen nannten. Ihnen wollte nicht einleuchten, daß ein bloßer Zuschauer ihrer Anstrengungen, der es nicht einmal über sich vermocht hätte, unter ihnen zu kampiren, nun als Beurtheiler ihrer Thaten aufträte. Würde es ihm, meinten sie, nicht, besser angestanden haben, sich an seine Kriegsgenossen von der Infanterie anzuschließen, die ja alle als Freiwillige in diesen Kampf gezogen waren, als in der Rolle eines Salopins zu erscheinen? Waren sein Leben und seine Gesundheit allein so kostbare Güter, daß sie mit so großer Zärtlichkeit behütet werden mußten? Was hat er überhaupt bis jetzt gethan, wodurch er berechtigt würde, über die Verdienste seiner Cameraden zu urtheilen? – Wir würden diese Reden hier nicht vorgebracht haben, wenn nicht auch später von dem Benehmen Jahns im Kriege die Rede gewesen wäre, wenn man seinen Muth nicht häufig in Zweifel gezogen hätte, und ein gänzliches Schweigen von ihm eher als eine Bestätigung, denn als eine Widerlegung dieser Meinung angesehen werden sein würde. – Geben wir auch nicht zu, daß in allen Beziehungen, in allen Lebensverhältnissen der Muth den Werth des Mannes bestimme, so giebt es doch Lagen, in welchen der Mangel an Muth den Mann mit Recht herabsetzt. Wer z.B. für eine Sache zu den Waffen griffe und dabei nur daran dächte, wie er sein Leben in Sicherheit bringen könnte, den würden wir für einen verächtlichen Prahler halten. Daß wir dies auf Jahn beziehen sollten, davon sind wir weit entfernt. Wenn wir ihn auch nicht damit entschuldigen können, daß es ihm an Gelegenheit gefehlt habe, seinen Muth zu zeigen, so wollen wir ihn doch mit seiner ganzen Eigenthümlichkeit und mit seiner Stellung zum Freicorps entschuldigen. Er war kein Soldat und fühlte dies. Ihm war der Dienst fremd und widerstrebend; er taugte nicht zum Gehorchen und nicht zum Befehlen, und dies hinderte ihn, wenn es galt, thätig einzugreifen. Allerdings kann man ihm dies zum Vorwurfe machen, ja man kann so weit gehen, dem Mangel an Willen, sich selbst zu überwinden, ebenfalls als Feigheit, zu bezeichnen, aber dies ist nicht die Feigheit, deren man ihn beschuldigt hat. Wir glauben daher behaupten zu dürfen, daß wenn Jahn auch im Kriege keine besondern Beweise von Muth gegeben habt, man doch Unrecht thun würde, ihm Mangel an Muth vorzuwerfen.
An demselben Tage, an welchem bei der Görde gefochten wurde, machte der Feind von Lauenburg aus eine Bewegung nach Boitzenburg zu, welches von 300 Mann Lützower Infanterie besetz war. Er rückte mit 1000 Mann Infanterie, 40 Mann Cavallerie und 2 Geschützen vor, fand aber einen so umsichtig geleisteten und entschlossenen Widerstand, daß er, als eine 2te Schwadron Hanseaten auf seiner linken Flanke erschien, seinen Angriff aufgab und mit Hinterlassung mehrer Gefangenen gegen Abend nach Lauenburg zurückkehrte. Das Freicorps verlor 0 Mann an Todten und Verwundeten, auf Seiten der Franzosen waren 26 Mann theils getödtet, theils verwundet worden.
Bedeutender war der Angriff, den die Franzosen 2 Tage später (am 18ten) auf Zarrenthin machten, wo der Major von Petersdorff mit dem größtem Theile des Freicorps und einiger hanseatischen Reiterei stand. Die Feinde, die damals zugleich die Vorposten des Generals von Vegesack angriffen, waren mindestens 6000 Mann stark, also den ihnen entgegenstehenden Truppen bei weitem überlegen; aber diese nahmen eine so gute Stellung bei dem Schaalsee und bewiesen eine solche Entschlossenheit, daß die Franzosen, die von dem Marschall Davout selbst geleitet worden sein sollen, nur sehr geringe Fortschritte machten, und nicht verhindern konnten, daß die Unsrigen ihren Rückzug mit Ruhe bewerkstelligten. An diesem Tage verlor das Corps an Todten 26 und an Verwundeten 102 Mann, 8 Mann wurden vermißt.
Auf diese Weise erlitt das Freicorps in 2 Tagen und 3 verschiedenen Gefechten einen Verlust von 256 Mann, welcher vornehmlich das Fußvolk traf, und es erklärlich macht, daß dies in der Folge nicht wieder seine frühere Stärke erreichte. Die Schlacht von Leipzig, die sich einen Monat später ereignete, führte die verbündeten Truppen in kurzer Zeit bis an den Rhein und entzog Deutschland der französischen Herrschaft und Verbindung. Das lützowsche Corps hörte daher auf für die Deutschen, denen die eigene Regierung bisher keine Gelegenheit darbot, an dem großen Kampfe Theil zu nehmen, ein Vereinigungspunkt zu sein. Alle deutsche Lande schlossen sich mit ihren Heeren an die Verbündeten an. Fanden sich auch Einzelne noch, die in das Freicorps eintraten, so war doch ihre Zahl gering, und selbst von dieser geringen Zahl wählten die meisten in der Folge den Dienst unter der Reiterei, die dadurch bis auf 570 Pferde stieg.
Die Versuche des Marschalls Davout, die er gegen das Freicorps gemacht und am 19 fortgesetzt hatte, endeten schon am 20sten, an welchem Tage die Franzosen wieder in ihre alte Stellung zurückkehrten, deren Hauptpunkt die Gegend von Mölln, Ratzeburg und Lübeck war. Daß der Feind dazu durch die Besorgniß bewogen wurde, es dürften die Verbündeten über die untere Elb, oder zwischen Lauenburg und Mölln über die Stecknitz gehen, ist kaum anzunehmen. Hamburg war stark befestigt, Harburg und der Zollenspieker waren mit Brückenköpfen versehen, und die untere Stecknitz war mit wenig Mannschaft leicht so lange zu vertheidigen, bis eine stärkere Macht herbeigezogen werden konnte. Dann aber mußte der Marschall auch längst die Ueberzeugung gewonnen haben, daß er es mit einem, ihm bei weitem nicht gewachsenen Gegen zu thun habe. Wie dem aber auch sein mochte, der Feind hatte eine sehr gesicherte Stellung, schien in dieser verharren zu wollen, und durfte auch nicht fürchten, darin beunruhigt zu werden, so lange sich nichts in der Lage der bisherigen Truppen zu ihrem Vortheile veränderte. Der Kronprinz von Schweden, wollte jedoch gegen das Ende Septembers durchaus, daß etwas gegen die Stellung des Feindes unternommen würde, und überließ es nur nach langen Gegenvorstellungen dem General von Wallmoden, nach den Umständen zu handeln. Wenn daher dieser bald darauf ein Paar Recognoscirungen vornahm, so geschah es mehr, um dem Kronprinzen zu willfahren, als weil er die Meinung hegte, daß dem feinde ein wesentlicher Nachtheil zuzufügen sei. War der Verlust, der daraus entsprang, auch gering, so war er doch ein Opfer, welches man der Laune brachte, und ein Tadel für die Nachgiebigkeit, die ihn veranlaßte. Inzwischen sieht man im Kriege gewöhnlich über solche Bedenklichkeiten hinweg, und diejenigen werden sie sogar für lächerlich betrachten, die nichts darin finden, daß Befehlshaber ihre Soldaten tiraillieren lassen, um den Geliebten, die sie auf ihren Zügen begleiten, eine angenehme Abwechslung zu verschaffen.
Die eine Recognoscirung fand am 6ten October bei Büchen statt und mißglückte gänzlich, die andere am 8ten October bei dem weißen Hirsch, einem Wirthshause, welches auf dem Wege nach Mölln in einem Walde lag, und von dem Feinde zu einem festen Posten eingerichtet worden war. An dieser letzten Recognoscirung nahm das lützowsche Corps den Hauptantheil, denn außer der ihm angehörenden Infanterie von 900 Mann und Artillerie von 3 Kanonen, wurden nur 3 englische Kanonen und ein Husaren-Regiment der russisch-deutschen Legion bei dieser Gelegenheit verwendet. – War zu dem Unternehmen schon an sich kein Grund vorhanden, so wurde es vollkommen verkehrt durch die Art seiner Ausführung. Angriffe bei Nacht sind immer schwer ausführbar, sie werden aber äußerst mißlich, wenn das Terrain besondere Schwierigkeiten darbietet. Dies war aber hier der Fall. Zu der Stellung des Feindes konnte man nur auf einer Straße gelangen, die auf beiden Seiten Wald hatte, welcher sich nur da zu einem freien Raume erweiterte, wo sich das Wirthshaus zum weißen Hirsche befand. Es hätte daher vorausgesehen werden können, daß der Feind die Waldblöße benutzen würde, um über die in der Dunkelheit vordringende und mit der Localität unbekannte Infanterie herzufallen. Die im Rücken von dieser befindliche Artillerie und Cavallerie war den Angreifenden von gar keinem Nutzen. Sie konnte nur gebraucht werden, wenn der Feind die Unsrigen aus dem Walde hinausschlug und weiter verfolgte. Das erste Bataillion ging voran und das zweite sollte ihm in einer Distanz von 300 Schritten folgen. Allein, wie es unter solchen Umständen zu geschehen pflegt, so geschah es auch hier: als die Colonne mit Schüssen vom Feinde begrüßt wurde, suchte sie ihm möglichst rasch nahe zu kommen, und so kam sie aus dem Geschwindschritt in einen Sturmschritt, und aus diesem in ein Laufen, welches ihre Ordnung auflösete, sie unverhältnißmäßig verlängerte und das erste Bataillion bedeutend von dem zweiten entfernte. Dies benutzte die dänische Cavallerie, stürzte der Infanterie in die rechte Flanke und warf sie in den Wald. – Unter gewissen Umständen, und diese waren hier gegeben, ist das entscheidenste Ausreißen der Soldaten natürlich und der Klugheit ganz angemessen, und man dichtet ihnen einen Ruhm an, auf dem sie Anspruch zu machen gar keinen Grund haben, wenn man von ihnen sagt, sie hätten mit ruhiger Haltung einen geordneten Rückzug angetreten. Der weiße Hirsch kostete dem Freicorps 7 Todte, 29 Verwundete und 85 Vermißte, als im ganzen 71 Mann.
Dies unglückliche Gefecht gab einer Anekdote den Ursprung, die wir uns nicht versagen können zu erzählen, da sie von eigenthümlich naiver Art ist. Ein dänischer Husar verfolgt in der Morgendämmerung mit aufgehobenen Säbel einen lützower Jäger, und hat ihn eben erreicht, als sich dieser umwendet, seine Büchse vorhält, um sich gegen den ihm drohenden Hieb zu decken und in der Angst seines Herzens Pardon schreit. Allein, wie erstaunt er, als dieses Rettungswort ihm auch aus dem Munde des Reiters entgegentönt, der in dem Wahne, daß der Jäger seine Büchse auf ihn angeschlagen habe, sich im Geiste schon entseelt am Boden sieht. So sind beide zugleich besiegt und Sieger, aber da keiner von ihnen den Muth hat, die Rolle zu übernehmen, die der andere ihm zutheilt, stehen sie zugleich, sich ihrer Rettung erfreuend, nach verschiedenen Richtungen.
Die Passivität des Marschalls Davout bestimmte den General von Wallmoden, jenseits der Elbe einen Zug zu unternehmen, um wo möglich den Feind von seiner Verbindung mit Frankreich ganz abzuschneiden. Er richtete sein Augenmerk vorzüglich auf Bremen und vertraute die Ausführung seines Plans dem General von Tettenborn an, der sich am 9ten October mit 440 Mann Cavallerie und 330 Mann Infanterie des Freicorps, dem reicheschen Jäger Bataillon, 800 Mann Kosacken und 4 Hanseatischen Geschützen auf den Weg machte, und seinen Marsch so beschleunigte, daß er schon am 13ten October vor Bremen erschien. Ein Theil der ihn begleitenden Truppen hatte auf einem Seitenmarsche die Stadt und das Amt Rothenburg angegriffen ohne jedoch den Feind aus dem starb befestigten Amte vertreiben zu können, und stieß am 14ten wieder mit den übrigen Mannschaften vor Bremen zusammen. Die Franzosen hatten diese Stadt zwar mit 1100 Mann besetzt, aber sie kapitulirten, erhielten freien Abzug und überließen den Siegern die in der Stadt befindlichen Kassen und Kriegsvorräthe, 200 Pferde und 14 Geschütze. – Die Soldaten des Freicorps hatten mit Vergnügen dem Einrücken in Bremen entgegengesehe n; denn sie erwarteten hier nach langen Strapazen angenehme Quartiere; allein da die Nachricht einlief, daß die Feinde von Hamburg her gegen Bremen im Marsche seien, mußten sie nach Ottersberg aufbrechen. Die Infanterie kehrte jedoch bald auf das rechte Elbufer zurück, während die Cavallerie mehrere Streifzüge machte, die zum Theil recht glücklich ausfielen. – Der Verlust, welchen das Corps vor Rothenburg und Bremen erlitten hatte, war gering; er belief sich nur auf 19 Mann an Getödteten und Verwundeten.
Bald nach dem Treffen bei der Görde war zur Sicherung der Unternehmungen am linken Elbufer und zur Bewachung des Feindes in seiner Stellung an der Elbe und Stecknitz ein Posten von 80 Mann, der später auf 150 Mann gebracht wurde, in Honsdorf, Lauenburg gegenüber aufgestellt worden, was um so nothwendiger erschien, als man zwischen beiden Oertern die Elbe in Fähren zu passiren pflegte, und die Fähren so wie mehrere Kähne sich in den Händen der Franzosen befanden. Die Nützlichkeit dieses Posten zeigte sich auch schon am 10ten October, indem die Franzosen, unter dem Schutze mehrerer Geschütze, die sie auf die Höhe von Lauenburg hatten bringen lassen, einen Uebergang über die Elbe versuchten. Sie warfen Granaten hinüber, sparten ihre Kartätschen nicht, tödteten aber nur ein Paar Leute und verwundeten einen Officier, den Grafen von Nostiz, der, wegen seiner Persönlichkeit, eine der Zierden des Corps, ungern entbehrt wurde, gaben jedoch ihre Absicht auf, da ein wohlunterhaltenes Musketenfeuer ihre Annäherung gefährlich machte.
Aber selbst hier, stets im Bereiche der französischen Kugeln und nicht selten durch das Pfeifen derselben aus süßen Träumereien aufgeschreckt, fehlte den Lützowern nicht die geistige Regsamkeit, die sie überall hin begleitete. Auch hier wurde gedichtet, es wurden die Tagebücher fortgesetzt und berichtigt, mancherlei Spiele unternommen und selbst ein Ball auf einer der beiden Tennen veranstaltet, die gewöhnlich zum Lager der Mannschaft dienten. Die Mädchen aus den benachbarten Dörfern, die täglich mehrmals nach Honsdorf mit den Speisen auf den Köpfen zu wandern pflegten, deren Lieferung ihren Gemeinden aufgetragen war, fehlte nicht, und so stellte sich mitten im Kriege die heitere Lust des Friedens ein.
Nur einige im Kommando schien die gefährliche Lage desselben zu keinem ruhigen Genuß der Gegenwart kommen zu lassen. Jener Oberjäger, der bei der Görde durch den falschen Lärm: die polnischen Ulanen kommen! Einen vorübergehenden Schrecken verbreitet hatte, suchte eine Gelegenheit, sich über die Elbe kommandiren zu lassen, und kehrte zu dem Kommando nicht wieder zurück, und ein anderer Oberjäger, dem eines Tages befohlen worden war, mit 4 Mann die Elbe entlang zu partrouilliren und darauf zu achten, ob der Feind nicht wieder Anstalt machte, über den Fluß zu gehen, verschwand mit seinen Leuten, wovon sich nur zwei nach einiger Zeit wider einstellten. – Es würde kaum der Mühe werth gewesen sein, dieses Vorfalles zu erwähnen, wenn er nicht darthäte, daß das Geschick zuweilen die Rolle der ausgleichenden Gerechtigkeit übernimmt. Eben dieser Oberjäger hatte sich nämlich, als die Lützower bei der Görde mit dem Bajonett auf den Feind andrangen, hinter einen Busch gesteckt, und war nur durch einen andern Oberjäger, der, ihn bemerkend, aus der Kolonne heraussprang, die Büchse auf ihn anlegte, und drohte, ihn niederschießen zu wollen, bewogen worden, seinen Zufluchtsort zu verlassen, und in einer Art von furchtsamen Muth, auf die Franzosen losgestürzt, war vielleicht in diesem Momente von einem Befehlshaber bemerk und zum eisernen Kreuz in Vorschlag gebracht worden. Jetzt strich ihn ein neuer Akt der Muthlosigkeit aus der Reihe der zu belohnenden aus.
Bei Erwähnung dieses furchtsamen Gesellen dürfte es vielleicht manchen auch nicht unangenehm sein, sich an einen prahlerischen Chirurgen erinnern zu lassen, dessen Muthlosigkeit häufig zur Zielscheibe des Witzes diente. Häufig wurde er von demjenigen, welcher in der Nacht die Runde zu machen hatte, zur Begleitung mitgenommen, und vorgeschickt, wenn man von einem Posten angerufen wurde. Man konnte bestimmt darauf rechnen, daß er jedesmal über dem plötzlichen Anruf, Feldgeschrei und Parole vor Schrecken vergessen hatte. Außer sich war er aber vor Furcht, wenn sich zufällig der Spanier oder Italiener, welcher zu dem Kommando gehörte, auf Posten befand und ihr Halt tà! Qui vit? Entgegentönte. Der eine, wie der andere konnte sich noch immer nicht von der französischen Militär-Sprache entwöhnen, die er sich im Dienste Frankreichs angeeignet hatte.
Der Truppentheil des lützowschen Corps, welcher bei Zarrenthin stehen geblieben war, hatte im Monate October noch das Glück, aus einem Hinterhalte, nicht weit von Seedorf, 12 feindliche Reiter zu überfallen, die im Begriffe waren, sich nach der kogelschen Mühle zu begeben, und davon 10 gefangen zu nehmen. Zwei von ihnen retteten sich nach dem Schaalsee, in den sie sich, von ihren Pferden springend, stürzten, um durch Schwimmen zu entkommen. Der eine ertrank sogleich, der andere ward von der Kugel eines Jägers getödtet. Von den Gefangenen, unter denen sich auch ein dänischer Officier befand, erfuhr man, daß die Umgekommenen der General Romée und sein Adjutant gewesen seien, und daß jener an diesem Tage (8ten October) einen allgemeinen Angriff auf die Stellung des Generals von Wallmoden, welchen der Marschall Davout beabsichtigte, habe leiten sollen. Die Truppen des Feindes waren auch schon in Bewegung, aber der Tod ihres Führers veranlaßte wahrscheinlich das Aufgeben ihrer Unternehmung.
Die Franzosen unter Davout haben vielleicht von Honsdorf aus zuerst die Nachricht von der Schlacht bei Leipzig erhalten. Das dortige Kommando war im Besitze eines sehr wirksamen Sprachrohrs, und bediente sich desselben eines Abends, als man bei Lauenburg deutlich die Ablösung der Posten hören konnte, um den Franzosen zuzurufen, ihre Officiere an das Ufer kommen zu lassen, indem man ihnen etwas sehr Wichtiges mitzutheilen hätte. Man hörte auch bald am Ufer eine gewisse Unruhe und ein Geräusch, wie wenn mehrere Personen miteinander lebhaft redeten, und rief nun den, so gut es gehen wollte, ins Französische übersetzten Bericht von der Schlacht bei Leipzig hinüber. Aber, als man geendigt hatte, glaubte man jenseits ein vernehmliches Gelächter zu hören, sei es nun, daß die Franzosen die Mittheilung für eine bloße Rodomontade hielten oder sich nur so anstellten.
Der November war herangekommen, die verbündeten Heere eilten dem Rheine zu, und das Freicorps hoffte nun wieder, unmittelbar unter die Befehle des Generals von Bülow gestellt zu werden, und den Unternehmungen beiwohnen zu dürfen, die, wie man erwartete, auf dem Gebiete des Feindes statt haben würden. Der Umstand jedoch, daß dem Marschall Davout durch das schnelle Vorgehen der Verbündeten der Weg nach Frankreich abgeschnitten war, und Dänemark den Krieg fortzusetzen beschloß, weil es die ihm gestellten Friedensbedingungen für zu hart hielt, änderte die wirklich schon beschlossene neue Bestimmung des Freicorps, welcher gemäß es auch bereits aus Mecklenburg aufgebrochen war. Es war am 10ten November mit der Infanterie und Artillerie bei Blekede über die Elbe gegangen und hatte am 15ten in und bei Rethen Quartiere bezogen. Die Cavallerie dagegen hatte sich von Bremen nach Verden begeben. Am 21sten verließ es jedoch diese Gegend wieder, kehrte nach der Elbe zurück und überschritt diese am 26sten und 27sten bei Boitzenburg. Es kam zuerst unter den Befehl des schwedischen Generals von Posse, und bald darauf unter den des russischen Generals von Woronzow
Am Morgen des ersten Decembers rückte das Freicorps über die Stecknitz und in Lauenburg ein, wo vor 3 und einem halben Monate seine Thätigkeit nach Aufhebung des Waffenstillstandes begonnen hatte. Noch den Abend vorher hatte es geheißen, es werde der Uebergang über den Fluß erzwungen werden müssen, und nicht wenige mochten deshalb den Morgen mit bangen Erwartungen anbrechen sehen; denn es würde keine leichte Aufgabe gewesen sein, dem Feinde seine Stellung an der Stecknitz zu entreißen. Es führt nämlich in dieser Gegen ein langer, gerader Steindam an den Fluß, und hat zu beiden Seiten sumpfige Wiesen, so daß man nur auf ihm vordringen kann, und um so mehr dem Feuer eines Feindes ausgesetzt ist, der sich im Besitze des jenseitigen Ufers befindet, als dieses das disseitige dominirt. Zu dieser für die Franzosen günstigen natürlichen Lage kam aber noch der Vortheil, den ihre Befestigungen gewährten, die sie mit Sorgfalt angelegt hatten. Inzwischen fanden die Unsrigen das Ufer verlassen. Die Bewegungen, welche der Kronprinz von Schweden seine Truppen hatte machen lassen, hatten den Marschall Davout bestimmt, sich überhaupt von der Stecknitz zurückzuziehn.
Das lützowsche Corps nahm nicht ungern von Mecklenburg, worin es sich Monate lang hin- und herbewegt hatte, Abschied. Die Natur dieses Landes ist, besonders in den Gegenden, die das Corps durchzog, einförmig und langweilig, und eben so ist es der Vorpostendienst, der demselben ohne Unterbrechung zu Theil geworden war. Außerdem sehnte man sich auch nach dem Ende des beständigen Bivouakirens, was, an sich schon lästig, noch das Uebel mit sich führte, daß der nie aus seinen Kleidern herauskommende Soldat allmählig ganz mit Ungeziefer bedeckt werde. Am Lebensmitteln fehlte es selten, aber beständig an Kochgeräthen und Holz. Es darf daher auch nicht Wunder nehmen, daß beide oft mit Ungestüm in den nahe liegenden Dörfern gefordert, und nicht selten mit Gewalt genommen wurden, ja daß mitunter die Zäune, womit die Gärten der Landleute befriedigt waren, verschwanden. Weniger war es zu entschuldigen, daß manche Gans beim Vorbeimarschiren unter dem Mantel verborgen, und mancher Hammel bei nächtlicher Weile geraubt und abgeschlachtet wurde. Aber es würde zu hart sein, wenn man behauptete, daß das Freicorps in Mecklenburgischen wie eine wilde Horde gehauset habe.
Indeß hörten die Leiden des Vorpostendienstes noch nicht auf, denn dem Freicorps fiel jetzt das Loos zu, bei der Einschließung von Hamburg mitzuwirken. Es näherte sich zu diesem Zwecke von Lauenburg aus der befreundeten Stadt, und blieb an beiden Ufern der Alster vom 13ten bis zum 30sten December. Der Dienst war jedoch nicht sehr beschwerlich, da immer nur ein kleiner Theil der Mannschaft dazu verwendet wurde, und die guten Quartiere als eine große Erleichterung desselben erschienen. Der Feind hielt sich ruhig, und da die Verbündeten keine eigentliche Belagerung beabsichtigten, so hatten sie auch keine Ursach, ihn zu bedrängen. Als aber am Schlusse des Jahres das Corps des Generals Bennigsen in die Einschließungslinie bei Hamburg einrückte, marschirte der General von Woronzow mit seinen Truppen vorwärts, um den linken Flügel der schwedischen Armee zu bilden, bezog aber in Folge des mit den Dänen abgeschlossenen Waffenstillstandes Kantonirungen. Das Freicorps erhielt sie in und um Barmstädt, verließ sie aber schon am 2ten Januar 1814 wieder, um an der Belagerung von Glückstadt theil zu nehmen, da der Kronprinz von Schweden durch die Bedingungen des Waffenstillstandes nicht gehindert wurde, diese Festung und Friedrichsstadt zu belagern. Nachdem jedoch am 5ten Januar die Kapitulation von Glückstadt abgeschlossen war, ging das Freicorps am 9ten wieder in seine Kantonirungen zurück, blieb daselbst bis zum 15ten, rückte nun nach Itzehoe vor, und begab sich, da an jenem Tage der Friede von Kiel die Feindseligkeiten gegen Dänemark beendigte, am 20sten auf den Marsch nach Frankreich.
Die Quartiere in Holstein werden sich bei den lützoer Jägern immer in guten Andenken erhalten. Sie gewährten ihnen nicht nur, nach langen Mühseligkeiten, Ruhe und Ueberfluß, sondern ließen sie auch die Annehmlichkeit einer freundlichen und treuherzigen Aufnahme enpfinden. Außerdem wurde es möglich, sie mit Hülfe der Geldsumme, welche der Kronprinz von Schweden hergab, neu zu bekleiden, und die Reiterei des Corps vermittelst der im Lande ausgehobenen Pferde auf die Stärke von 770 Mann zu bringen.