Geschichte des Lützowschen Freikorps

von Johann Friedrich Gottfried Eiselen

Zobten und Rogau.

Ihr, die ihr klebt an eurem Werkgerüste,
Um Holz und Stein nach eurem Maaß zu hauen,
Damit nur jeder laß‘ ein Werklein schauen,

Wann lasset ihr das thörichte Gelüste,
Ein grundlos Nichts auf eurem Sand zu bauen?
Ihr bauet Hüttlein, und es sinkt mit Grauen
Indeß die Beste, Vaterland, ins Wüste.

O sammelt, sammelt euch zerstreute Haufen,
Legt euer kleines Werkgeräth bei Seiten,
wollt nicht euch um die Mörtelsteine raufen!

Erst gilts den Mittelpunkt euch zu erstreiten,
Der Freiheit Grundstein erst gilts zu erkaufen
Mit Blut; dann baut drauf eure Einzelnheiten.

Am Fuße des Zobtenberges, der sich schön bewaldet aus der Ebene erhebt, liegt das Städtchen Zobten, und eine halbe Stunde davon, auf der Straße nach Breslau, das ansehnliche Dorf Rogau. Beide Oerter waren zu Sammelplätzen derer bestimmt, welche in das Corps eintraten; der eine nahm das Fußvolk, der andere die Reiterei auf. Die Uebungen mit den Ankömmlingen begonnen so bald, als nur einige beisammen waren.

Es ist bekannt, daß sich schon während des Krieges manche tadelnde Stimme über die Jäger-Detachements erhob, die man aus den Freiwilligen, welche sich selbst ausrüsteten, gebildet und den einzelnen Regimentern des Preußischen Heers zugetheilt hatte. Die Klagen waren natürlich, aber auch die Umstände, welche sie veranlaßten. Nicht geringere konnte man über das Freicorps erheben. Wenn indeß die Ursachen, welche dort den Klagen zu Grunde lagen, Uebel waren, die man um der größern Vortheile willen, welche daraus entsprungen, verschmerzen konnte; so verhielt es sich hier nicht auf gleiche Weise, und die Urheber des Corps zogen sich mit Recht harten Tadel zu, wenn sie im Anfange die Augen gegen Mängel verschlossen, die in der Folge leicht gefährlich werden konnten, wenn sie Wurzel schlugen.

Als man die Gründung des Corps beschloß, mußte man die Aufnahme in dasselbe entweder auf den kleinen Kreis derer beschränken, die sich selbst vollständig auszurüsten im Stande waren, oder man mußte sich die Mittel verschaffen, für diejenigen zu sorgen, die nichts als ihre Personen dem Corps anzubieten hatten. Das man jene Beschränkung nicht wollte, beweiset schon der große Zuschnitt von oben herab. Zwei Majore und ein Hauptmann (sie sind früher beiläufig genannt) suchten einen ihrer würdigen Wirkungskreis. Aber auch die königliche Urkunde, welche die Errichtung des Corps genehmigte, gestattete die gedachte Beschränkung desselben nicht; denn sie bestimmte, daß, wenn das Corps keine Stärke erlange, um es für sich zu gebrauchen zu können, es, wie die Jäger-Detachements, den Bataillonen und Cavallerie-Regimentern zugetheilt werden sollte. Es bleibt zwar noch die Annahme übrig, daß die Corpsführer hofften, auch bei der Aufnahme nur solcher Freiwilligen, die sich vollständig ausrüsteten, dem Corps die bedungene Stärke zu geben; allein es ist billig zu zweifeln, daß sie je einen solchen Gedanken nährten; denn abgesehen davon, daß keine Aussicht vorhanden war, ein ganze Corps aus einer solchen Elite zusammenzubringen, würde die Absicht schon, es aus den bezeichneten Elementen allein bestehen zu lassen, den höchsten Tadel verdient haben. Die wohlhabenden Freiwilligen enthielten die gebildetste Jugend, die aufstrebende Intelligenz der Nation. Gingen sie auch durch den gemeinen Soldatendienst hindurch, so durfte man sie doch nicht zu Tausenden in diesem Dienste festhalten wollen. Dazu reichten bei sehr vielen auch die Körperkräfte nicht aus.

Wenn nun aber ein größerer Zuschnitt zu dem Corps gemacht wurde und gemacht werden mußte, woher die Mittel zur Bekleidung, Bewaffnung und Löhnung einer bedeutenden Anzahl von Leuten nehmen? womit die Pferde bezahlen, um die Reiter beritten zu machen? Uebernahm auch der Staat die Löhnung, so blieb doch die Last noch immer groß genug, die nur durch freiwillige Beiträge aufgebracht werden konnten.

Die Schwierigkeit war nicht gering. Längere Zeit blieben daher auch diejenigen, welche man mit Gewehren bewaffnen wollte und dadurch von den eigentlichen Jägern, die sich selbst bewaffnet hatten, trennte, ohne Kleidung und Ausrüstung. Eine vollständige Uebung ließ sich deshalb mit ihnen nicht vornehmen und eine strenge Ordnung und Disciplin unter ihnen nicht einführen. Der Soldat muß ganz für die Sache, der er dient, begeistert sein, wen er den Mangel alles Aeußern, woran er sich als Glied eines größeren Ganzen erkennt, ohne Nachtheil ertragen soll. Einen solchen Ersatz des Fehlenden gab es hier aber nicht. Es darf nicht verschwiegen werden, daß besonders im Anfange das Corps ohne Rücksicht jeden aufnahm, und daß es daher zum Theil aus dem ärgsten Gesindel bestand. Ehrenwerthe Leute wollten deshalb auch bisweilen den wärmsten Versicherungen junger Männer, daß sie dem Corps angehörten, nicht glauben. Das Uebel war in der Wirklichkeit groß, aber in der Vorstellung Vieler mochte es noch weit größer erscheinen. — Die Füselier-Compagnien erschienen aus den angeführten Gründen in den kläglichsten Aufzuge und unterschieden sich schon dadurch auf das auffallendste von den Jägercompagnien. Wie vieles hätte nicht der Rock ausgeglichen.

Aber zu diesem Uebel kam noch ein anderes. Es fehlte durchaus an Exerciermeistern, oder die vorhandenen zeigten sich als unbrauchbar. Einer derselben, ein wackerer Mann, hatte früher unter den Jägern gedient, und eignete sich schon deshalb nicht für die Linieninfanterie; es fehlt ihm aber auch außerdem an Gewandheit und Energie. Ein anderer dagegen, der schon Officier gewesen war, überließ sich so sehr seiner Neigung zum Trunke und dem alten Soldatentone, daß er oft taumelnd, lallend und fluchend denen zum Gespötte wurde, die von ihm den Dienst lernen sollten. Er ist später von Stufe zu Stufe degradiert worden, und zuletzt, wenn der Verfasser sich nicht irrt, vom Corps weggejagt worden.

Diese Mängel waren groß, aber vielleicht nicht oder doch nicht ganz abzustellen. Dagegen begingen die Corpsführer einen Fehler, den zu vermeiden in ihrer Gewalt gestanden hätte. Sie ließen sich unter den Soldaten nicht sehen.

Um aber die Schwierigkeit vollständig zu begreifen, welche die Leitung des Freicorps stand, wird ein Eingehen in die eigenthümliche Beschaffenheit desselben, die außerdem das Interesse eines jeden, der seine Schicksale kennen zu lernen wünscht, vorzüglich in Anspruch nimmt, hier als gerechtfertigt erscheinen. Die überwiegende Mehrzahl der Soldaten bestand aus Leuten, die man ohne alle Beschränkung aufgenommen hatte. Bauernburschen, Handwerksgesellen, Lehrlinge, Tagelöhner, alte Soldaten fremder Länder, Vagabunden fanden sich in bunten Gemische. Viele hatte die dunkle Vorstellung von den Annehmlichkeiten eines Freicorps, wobei sie wohl an eine zügellose Schaar dachten, die zu ihrem Wahlspruche hat: erlaubt ist, was gefällt; viele aber auch die Eitelkeit für Freiwillig zu gelten, ohne genöthigt zu sein, sich selbst zu bekleiden und auszurüsten, herbeigelockt. Ob manche von ihnen, wie man hin und wieder behaupten hörte, sich schon mit den Freuden und Leiden der Zuchthäuser bekannt gemacht hatten, mag unentschieden bleiben: so viel aber ist gewiß, daß schon auf den ersten Märschen eine Reinigung des Corps vorgenommen werden mußte, die jenem Gerede zur Bestätigung dienen konnte, und daß unter den Kameraden die Grenze zwischen dem Mein und Dein nicht immer streng geachtet wurde. Zoten, Blasphemien die schmutzigsten Lieder hörte man fortwährend, und nicht selten wurden Gesinnungen laut, die keine besonders günstigen Erwartungen von dem Gedeihen des Corps erweckte. Inzwischen fordert es die Gerechtigkeit zu gestehen, daß auch in dieser rohen Menge sich mancher Tüchtige befand, daß noch mehrere dem Bessern nicht unzugänglich waren, und daß sich überall, wo es nicht an einer guten Leitung fehlte, in dem Compagnien ein Kern bildete, auf den man mit Sicherheit bauen konnte. Uebrigens bestand die überwiegende Zahl in dieser Klasse aus Inländern; die Ausländer, die sich darin befanden, gehörten fast ausschließlich dem Handwerkerstande an.

Ganz anders verhielt es sich mit denen, die wir eben als Jäger bezeichnet haben, und die man im Corps zum Unterschiede von den übrigen, die sich Flintenjäger nannten, weil sie sich das Prädicat — Jäger — nicht gern nehmen lassen wollten, Büchsenjäger zu nennen pflegte. Sie, die mit der Zeit zu einer beträchtlichen Zahl anwuchsen, waren großentheils gebildete junge Männer, so daß sie verbunden einen Verein von Wissenschaft und Kunst, von Einsicht und Geschicklichkeit ausmachten, wie man in dem Umfange nicht leicht wieder beisammen finden wird. Viele von ihnen sind in der Folge zu bedeutenden Aemtern im Staat, in der Kirche und in der Schule gelangt, oder sind sonst geachtete Mitglieder der Gesellschaft geworden. Damals vereinigte sie alle der eine Wunsch, für das Vaterland zu streiten und zu siegen oder zu fallen. Aber wie trefflich sie auch waren, im Verhältniß zur gesammten Schaar bildeten sie ein zu starkes geistiges Element. Eine schöne Kraft ging verloren, weil sie unendlich besser hätte genutzt werden können.

Betrachtet man dieser Beschaffenheit des Corps gegenüber den Charakter der Männer, welche als die Führer desselben auftraten, so wird man die oben von ihrem Verhalten hergeleitete Behauptung, daß sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen waren, noch mehr begründet finden. Sie waren Militärs, und der Rang, den sie bekleideten, bewies, daß sie schon manches Dienstjahr hinter sich haben mußten. Ist es daher zu verwundern, daß sie ihre militärischen Begriffe mit sich brachten? Daß sie sich eine Soldatenschaar nicht ohne Discipin, nicht ohne strengen Gehorsam denken konnten?! Aber davon fanden sie auch nicht eine Spur, ja sie fanden kaum ein Mittel, um das Fehlende zu schaffen. Der Geist des Reformirens, um mich dieses hergebrachten Ausdrucks zu bedienen, war herrschend in beiden Bestandtheilen des Corps. Nur eine überwiegende Persönlichkeit war im Stande, den Soldaten einen militärischen Geist einzuflößen; nur ein Mann der diesen durch Bildung, jenen durch Geschicklichkeit, allen aber durch seinen Charakter imponirte, und es nicht verschmähte, sein Leben unter den Soldaten zuzubringen. Es genügte nicht ein guter Husaren-General, ein tüchtiger Exerciermeister, oder ein gewandter Verwalter militärischer Angelegenheiten zu sein; die Haupteigenschaft, die verlangt wurde, war die Fähigkeit, eine Menge für einen Gedanken zu begeistern und sie für alle die Pflichten zu gewinnen, welche übernommen werden mußten, wenn derselbe mit Erfolg verwirklicht werden sollte. Im allgemeinen war es weit leichter die ungebildete Menge, als diejenigen zu leiten, die ihren Gehorsam gewissermaßen von der persönlichen Ueberlegenheit des Vorgesetzten abhängig machten. Hatten die Führer auch nicht immer Widersetzlichkeit zu fürchten, so hatten sie doch mit Unmuth und Unlust zu kämpfen, und werden nicht selten die Zielscheibe des Witzes. So ward ein Officier, den man der Furchtsamkeit beschuldigte, der Hauptmann Fürchterlich genannt, weil er die fehlende Bravour hinter einem prahlerischen Aushängeschilde zu verbergen suchte; und einen andern neckte man damit, daß man bei anbrechender Dämmerung zu rufen pflegte: Carten heraus, weil er eines Abends, als das Corps sich verirrt hatte, und die Wege wegen der Dunkelheit nicht mehr zu erkennen waren ängstlich nach einer Carte verlangt hatte. Die Nähe eines dritten wurde bisweilen dadurch kund, daß sich einzelne Stimmen mit der Frage hören ließen: wo ist denn der Schaalsee! Sie spielten auf den Mangel an Orientierung an, dessen man den mit dieser Frage gemeinten beschuldigte. Selbst durch satyrische Zeichnungen ließ man seinen Spott aus. So lief eine solche von einem bekannten Mann um, der sich gewöhnlich in der Begleitung eines zarten jungen Menschen zeigte. Jener war in dem Momente abgebildet, wo er mit seinem türkischen Säbel gewaltig ausholt, um eine Eiche zu fällen, während sein Gefährte an einem Bache sich über den Anblick seines Bildes freut. Eine andere rief den Ritter von der traurigen Gestalt ins Leben zurück. Man sah darauf die lange Figur eines Mannes von einer seinen, mehr weiblichen, als männlichen Gesichtsbildung, auf einem hohen Rosse, mit einer gewichtigen Lanze in der Hand, einen mächtigen Säbel an der Seite, unverhältnismäßig großen Pistolen in den Holstern und stählernen Handschuhen. Noch ist eine Sammlung solcher und ähnlicher Zeichnungen vorhanden. Ihr Urheber, der eben so gewandt den Griffel, als die Büchse führte, lebt längst nicht mehr.

Die Blicke vieler mochten damals auf Jahn gerichtet sein; aber wenn er auch bei der Errichtung des Corps keine unwichtige Rolle spielte, so eignete er sich doch aus mehr als einem Grunde nicht dazu, einer der Führer desselben zu sein, wie sich dies noch in der Folge ergeben wird, wenn wir, Gelegenheit nehmen werden, seinen Andenken, so weit dasselbe mit unserem Gegenstande zusammenhängt, eine eigene Stelle zu widmen.

Nun mag zwar gern zugegeben werden, daß der Mangel an Disciplin im Corps durch manche andere Vortheile, welche die theilweise Tüchtigkeit der Mannschaft gewährte, vermindert wurde, aber immer blieb er doch fühlbar und äußerte sich bisweilen auf eine auffallende Weise. Manche der Gebildeten begriffen die Nothwendigkeit der Ordnung und Disciplin und wirkten dafür oft über die Grenze ihrer Stellung hinaus. Allein theils hatten solche einzelne Bemühungen einen beschränkten Erfolg, und zogen denen, von welchen sie ausgingen nicht selten Unmuth von der einen und Mißfallen von der anderen Seite zu, theils standen sich auch unter den ältern Officieren einzelne, welche durch ihre veralteten Vorstellungen und Ansprüche den Eifer der Bessern lähmten, die man häufig als Oberjäger unter die Bataillone vertheilt hatte. So ließ sich auf einem Marsche einer der Compagnie-Führer in ein Gespräch mit den nächsten Oberjägern ein, um ihnen den Unterschied zu schildern, welcher zwischen ihrer gegenwärtigen Stellung und derjenigen statt fände, welche ehemals die Unterofficiere eingenommen hätten. Wenn es sonst hieß, bemerkte er, wo sind die Sakermenter die Unterofficiere?! Oder: Unterofficier, ihn soll ein Kreuz Donnerwetter u.s.w., so verlangen sie jetzt, daß man gar fein säuberlich mit ihnen umgehe. — Solche Erinnerungen an die frühere Zeit währen nichts Anstößiges gehabt haben, aber sie waren oft, wie in diesem Falle mit dem nicht leicht zu verkennenden Bedauern begleitet, daß jene goldene Zeit nicht mehr existirte. Eben so unverständig war die Verachtung, womit ältere Officiere bisweilen von den Füseliren sprachen. So äußerte ein solcher einst, als seine Compagnie aufmarschirt war, ziemlich vernehmbar gegen einen vorübergehenden Bekannten: gutes Kanonenfutter! — Solche Kränkungen vergaßen die Soldaten nicht leicht, und würden sie noch härter empfunden haben, wenn sie nicht im ganzen eine milde und freundliche Behandlung erfahren hätten.

Das Corps vermehrte sich schon in Schlesien ziemlich stark, denn vor seinem Aufbruche aus Zobten und Rogau war es bereits auf 900 Mann Infanterie und 260 Mann Cavallerie angewachsen, und bedurfte äußerst nothwendig einer größeren Anzahl von Officieren, als im Anfange vorhanden war. Woher diese aber nehmen und wie ihre Anstellung mit dem Rechte vereinigen, welches die Freiwilligen des Corps in Anspruch nehmen, ihre Officiere selbst zu wählen. Der König hatte dieses Recht den Freiwilligen der Detachements beigelegt, und so schien es auch den Lützower Freiwilligen zuzukommen. Aber die Umstände bei dem Corps waren in dieser Rücksicht ganz anders beschaffen, als bei dem Detachements. Diesen konnte man vorläufig Officiere von den Bataillonen und Regimentern geben, zu welchen sie gehörten, bis sie im Stande waren, sich selbst Officiere zu wählen. Eine solche Hülfe aber gab es bei dem Corps nicht. Die Führer suchten daher einige ältere Officiere zu gewinnen, die sie an die Spitze der sich bildenden Compagnien und später der daraus hervorgegangenen Bataillone stellten, und ernannten außerdem sogleich einige Freiwillige zu Officieren, die aber so lange nur als designirt betrachtet wurden, als sie noch nicht die königliche Bestätigung erhalten hatten. Die Oberjäger wurden auf eben diese Weise, aber definitiv, von den Corps-Chefs ernannt. Die Noth hatte dies Verfahren geboten, und wenn auch nicht gerade immer die Tüchtigsten herausgefunden worden waren, so ließ sich doch nichts dagegen einwenden. Aber aus der Art, wie man in der Folge das Recht der Wahl in Anwendung brachte, entsprang eine Unbilligkeit. Man ließ nämlich die Jäger Compagnien allein die Officiere wählen, mochten sie nun für diese selbst, oder für die Füselier-Compagnien bestimmt sein. Diejenigen Oberjäger daher, die man im Anfange aus der Mitte der Jäger genommen und den Füselieren zugetheilt hatte, nahmen weder an der Wahl der Officiere Theil, noch durften sie auch im allgemeinen darauf rechnen, gewählt zu werden, weil sie in gar keiner Beziehung mehr zu ihren früheren Cameraden standen und ihnen durch nichts in Erinnerung gebracht wurden. Diese Unbilligkeit ist jedoch so viel sich der Verfasser erinnert, nie Gegenstand der Beschwerde geworden, und daher auch unverändert geblieben. Dagegen veranlaßte die von den Corps-Führern vorgenommene Ernennung von Officieren eine Art Verschwörung in Zobten. Ich sage, eine Art von Verschwörung, denn die Verschworenen, deren Zahl nicht sehr beträchtlich war, betrieben ihre Angelegenheit ziemlich offen. Das Wirthshaus zum Hirsch in Zobten, wo viele Jäger einquartirt waren, war der Schauplatz der Verschworenen, und sah in seinem obern geräumigen Saale gar manche lebhafte und komische Auftritte. Gerade eine Zahl der jüngsten unter den Freiwilligen nahm sich der Sache am eifrigsten an. Manche hatten ihren Schulkursus noch nicht beendigt, manche nicht längst erst die Schule mit der Universität vertauscht; nur ein Paar ältere liehen dem Unternehmen ihr Ansehen. Nach vielen Hin- und Her-Debattiren ward endlich beschlossen, eine Deputation nach Breslau abzufertigen, um den Corps-Führern die Beschwerde der Unzufriedenen vorzutragen.

Die Deputation kam in Breslau an, trug ihr Begehren kurz vor, und Jahn ward ausersehen oder übernahm es von freien Stücken, darauf zu antworten. In einem der größeren Zimmer des Scepter wurde eine Art feierlicher Versammlung gehalten: Jahn, die Abgeordneten und eine Menge anderer, die gerade in Breslau anwesend, aber der Beschwerde fremd waren, kamen zusammen. Jahn mit seiner Glatze, seinem Kranz von schlaff herunterhängenden Haaren, seinem ins Röthliche schimmernden Barte, und in einem kurzen schwarzen Rocke nahm seine Stellung an einer Seite des Zimmers, und umher an den andern Seiten standen oder saßen die Anwesenden, wie es eben der Raum zuließ, der mit mancherlei Geräth angefüllt war. Mit einem Dolche in der Hand, womit er spielend von Zeit zu Zeit Stückchen Papier, die am Boden umher lagen, aufspießte, hielt Jahn eine lange Rede, worin er sich besonders über die Kriegsgebräuche und militärischen Einrichtungen verschiedener Völker verbreitete, aber gelegentlich auch zu andern mehr oder minder verwandten Gegenständen überging. An Sprüngen fehlte es dabei nicht, und nachdem er auf diese Weise die Zuhörer vielleicht ein Paar Stunden gefesselt, und manchen von ihnen durch seine historische Kenntniß und seine Redefertigkeit in Erstaunen gesetzt hatte, schloß er mit einer kühnen Wendung. Von der Beschwerde war nicht die Rede gewesen, aber die Abgeordneten schieden voll von alle dem, was ihnen der Vater Jahn gesagt hatte, und befriedigt, als ihnen noch einige beschwichtigende Worte mit auf den Weg gegeben wurden.

In ihren Quartieren leben die Jäger ganz vergnüglich; besonders in Zobten. War auch die kleine Stadt geeignet, den Soldaten angenehm zu unterhalten, und konnten die meisten Wirthe ihnen gleich nur wenig Bequemlichkeit und spärliche Nahrung darbieten; so fehlte es doch nicht an Gelegenheit für sie, sich selbst zu zerstreuen. Der Hirsch und Ferraris Weinstube versammelten Abends immer viele, die ihre Gedanken in Scherz und Ernst austauschten. Häufig waren militärische Angelegenheiten Gegenstand des Gesprächs. Das Exercier-Reglement wurde vorgenommen, auf den Karten entwarf man Feldzugspläne, mit der Kreide zeichnete man Festungen, Flüsse, Brücken, und jeder war bemüht, seine militärischen Kenntnisse so gut wie möglich geltend zu machen. Je weniger man vom Kriege und der Kriegsführung wußte, desto sicherer war man, daß es nicht an Stoff zur Unterhaltung und zum Disputiren fehlen würde.

Fehlte es dabei auch am Tage nicht an Beschäftigung, indem fleißig exercirt, tiralillirt und nach der Scheibe geschossen wurde; so gab es doch nicht wenige, die sich nach einer ernsteren Thätigkeit sehnten. Man war begierig, den Feind zu sehen und sich mit ihm zu messen. Nur dies war das Ziel, was man beständig vor Augen hatte. An die Mühseligkeiten und Beschwerden des Krieges wurde nur wenig gedacht. Als daher endlich das Corps, nachdem es bewaffnet und gekleidet war, am 28. März in der Kirche von Rogau versammelt wurde, und nach einer trefflichen Rede des Geistlichen, den Schwur leistete, geschah dies von allen um so freudiger, als man wußte, daß man sich schon am andern Tage auf dem Marsche befinden würde.


Letzte Änderung der Seite: 15. 08. 2021 - 15:08