Eulogius Schneider's ehemaligen Professors in Bonn etc. Schicksale in Frankreich.

von Christoph Friedrich Cotta

30.

Strasburg sollte nun einmal auf die Revolutionshöhe hinauf, dazu waren die vielen Repräsentanten, die verschiedenen Propagandisten, die Revolutionskommission, die gezwungenen Anlehn, und noch eine Menge ähnlicher Dinge mehr, womit man denn das von Aristokratism ganz verpestete Strasburg wieder kuriren wollte.

Über diese Zeit und diese Kurart drückt sich Schneider in dem Aufsatze, betitelt: Der große Bärentanz, so aus, wie man zu damaliger Zeit unter den Jakobinern aller Wahrscheinlichkeit nach zu sprechen gewohnt war.

»Unser liebes Straßburg, sagt er in dem Aufsatze, hat in kurzer Zeit viel erfahren, und eine Menge Vorurtheile abschütteln müssen; allein nichts ist ihm sonderbarer vorgekommen, als der große Tanz der Wuchrerseelen mit dem Revolutionsgericht. Geldschneiden, und nichts als Geldschneiden beschäftigte bisher einen großen Theil seiner Einwohner, und um diese edle Neigung zu befriedigen, zogen die reichen Herren ihren ärmern Mitbürgern ohne Barmherzigkeit die Haut über die Ohren. Ueberall rang man nach Freiheit, und kämpfte und siegte für die Republik, nur in den Häusern der Goldschlucker hörte man ncht Waffengeklirre, sondern ein schauderhaftes Scharren in Haufen von Gold, Silber und Kupfer, so daß manchen ehrlichen Manne wehe ward, wenn er vor der Wohnung eines Wirths oder Kaufmanns vorbeigieng. Da gab es Leute, die mit unermeßlich dicken Bauche, und einer Schlafmütze auf dem Kopfe, Jeden, der vorüberzog, zuschrien: Ich bin ein Republikaner, und doch nahmen diese Bengel immer die Ziege beim Bart, und näherten sich der Freiheit wie die Krebse. Mit vollen Händen frassen sie das Blut der Armen, und schwelgten wollüstig von dem Marke vieler Tausende. In ihrem Vaterunser hieß der Ausdruck: Gieb uns unser tägliches Brod – nichts mehr und nichts weniger, als: Gieb uns bald die Conterrevolution. Sie waren von jeher die treuen Brüder und Spießgesellen der Kornjuden auf dem Lande, und wenn diese das Brod, welches dem Volke gehörte, bübisch in die Erde vergruben, so rauben jene ihm seine Bekleidung gegen Wind und Wetter, seinen unschuldigen Genuß der Gaben unserer Mutter Natur, und konnten mit geheimer Freude sehen, wie die blassen Gesichter der Leidenden sich um ihre Boutiquen drängten.

So trieben sie ihr Unwesen fort, bis ein guter Genius aus Paris zu uns kam, mit dem Befehle, die reichen Wucherer sollten, wie erbaulich! vor dem Volke die Carmagnole tanzen, damit man einmal wieder heitere Gesichter in Strasburgs Mauern sehe. Die Herren Kaufleute aller Art, Bier und Weinwirthe, Tabakkrämer und Bürstenbinder, kurz das ganze lose Zumftsystem ward zum Tanze aufgefordert. Die guten armen Sansculottes waren Zuschauer, so lange die Erde stand, hatte man ein solches Schauspiel nicht gesehen. Hätte ich Hagarts Pinsel, ich würde diese listig- trübselige Scene mit Farben malen, die bis in alle Ewigkeit das Zwergfell erschüttern sollte; allein wir werden es wohl etwas wohlfeiler geben müssen.

Zuerst spielte ein zahlreiches Orchester die Ouverture des prächtigen Ballets, und diese bestand in der in Noten gesetzten Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers. Die Sansculottes waren bis in den dritten Himmel entzückt über die süße göttliche Harmonie dieser Musik; allein in den Ohren der Goldwucherer klang sie wie ein Waldhorn in den Ohren eines alten Hundes. Das macht, sie waren seit langer Zeit an die Töne ihrer großen Thaler gewöhnt, und konnten jetzt unmöglich Geschmack an einer Musik finden, die nur von dem Volk und für das Volk gesetzt war. Allein sie mußten nichts desto weniger ihren Bärentanz fortsetzen, und zwar im Angesichte einer großen zweibeinigen Maschine mit einem Krautmesser, wovor sie, Gott weiß, warum? viel Respekt zu haben schienen. Da tanzte nun ein dicker Bierwirth mit einer noch dichern Käsehändlerin; ein blutrother Metzger mit einem bestäubten Mehlweibe; und ein Weinschenk machte Solo, seine Gauckelsprünge mit funfzig Gläsern auf der Rubinnase. Ein Lcihterman hatte für die Illumination gesorgt, und die Holzhändler heitzten ein, daß die Oefen hätten zerspringen mögen. So das übrige Gesindel. Alles gieng so bunt und kraus unter- und übereinander, daß viele Zuschauer sich krank lachten über diese Bockssprünge der reichen Wucherer. Wenn diese zuweilen vom Tanze nachließen, feuerte man sie wieder an, indem man ihnen zurief: Freiheit ist edler als Gold! – Das Volk ist souverain! – Tugend ist kostbarer als Große Thaler! – die Deutschen sind geschlagen – die Wende ist nicht (!!) mehr! – Lion wird geschleift! und dergleichen liebliche und markvolle SPrüchlelchen mehr. Doch konnte man sie nie zum Walzen bringen, als wenn die Zuschauer riefen: à la guillotine! ‚à la guillotine! Da gieng’s aber auch so flink und lebendig:

Das Roß und Reuter scnoben,
Und Kietz und Funken stoben.

Als der der Tanz vorbei war, sammelte man den Lohn der Spielleute ein, und da waren denn die Herren und Damen des Ballets so generös, daß sie 1000 – 1000 – 25000 – ja sogar 40000 Livres in den Beutel warfen, und sich dabei noch sehr tief bückten und neigten, und für die große Ehre dankten, in einer so zahlreichen Gesellschaft ihre geringen Talente gezeigt haben zu dürfen. Die Zuschauer konnten ihre Bescheidenheit nicht genug bewundern, und wußten nicht, was sie denken sollten, als sie sahen, daß einige der reichsten Ballettänzer und Ballettänzerinnen von oberwähntem großen Krautmesser mit eben so vieler Ehrfurcht Abschied nahmen, und eben so oft Bücklinge vor ihm machten, wie weiland ein Hofschranz, vor seinem Könige. Um nun seine ungeheuchelte Freude über diese reizende Scene zu äussern, rief alles: Es lebe die Republik! Es lebe die Republik!

Und die Tänzer giengen nach Hause, schlossen sich ein in ihr Kämmerlein, beteten ein andächtiges Vaterunser, und konnten vorzüglich nicht satt werden an frommen Betrachtungen über folgende Worte: Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Uebel. – Wir wollen sie jetzt allein lassen, Gott segne ihre Studia und lasse sie sein stark an Weisheit und Patriotismus, und sein mager an Wuchersinn und Gelddurst werden. Armen!«

Das war denn damals die Sprache im Revolutionstone. Schneider machte sogleich selbst das unartige dieser Sprache sowohl überhaupt, als in seinem Aufsatze über die Art, wie man in Strasburg dem wohlhabenden Bürger sein Eigenthum zu jener Zeit nahm, gefühlt haben, er hieng also obigen muthwilligen und die Menschheit, die gegen Uebermacht keinen Widerstand thun kann, grausam behandelnden Aufsatz dieses Nachschrift an.

»Glaubet nicht, Bürger, daß ich schadenfroh bin, mein Herz ist gemacht, das Unglück eines Bruders stark und lebhaft zu empfinden; aber gegen Krebs und Pest kann ich nicht tolerant seyn; gegen den Hohn, den Bösewichter dem Vaterlande sprachen, empört sich alles in mir. Wir haben leider lange genug zugesehen, die Wucherer haben unserer Schwachheit gespottet; jetzt trift die Hauptverbrecher der Donner des Gesetzes; die andern müssen geheilt werden durch Belehrung, aber da diese meistentheils vergebens ist, durch Spott und unermüdete Wachsamkeit. Sie müssen gedemüthigt werden die Stolzen, denn bei Gott! sie haben es verdient. Sie müssen fühlen, daß ein Egoist ein schändliches Ungeziefer ist; sie müssen mit Schaudern sehen, wie das Volk auftritt, ein furchtbarer Riese, der u.s.w.«

Ich könnte noch manches Bruchstück von dieser Art einrücken, wenn ich nicht überzeugt wäre, daß das Herz des menschlichen Lesers schon an dem einen Stoff genug erhalten habe, dem Muthwillen und der Gesetzlosigkeit derer zu fluchen, welche ihrer Mitbürger Unglück mit so viel Insolenz und Hohnlachen verursachen konnten.

Man sieht hieraus deutlich genug, wie rasend die Leute waren, welche unter der Firma: Feurige Patrioten, die von allen Seiten gequälten Landeseinwohner mißhandelten. Und das hieß man die Revolutionshöhe erstiegen haben. Wer nicht so wild. So unmenschlich sich gebärdete, war ein Conterrevoluzer, ein Verräther.

Schneider sah nicht ein, daß er gerade durch solche, alle Menschlichkeit mit Füßen tretende Aeusserungen und Handlungen seinen Untergang nur immer mehr beförderte.


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