Jesus und das Moos

In tiefster Schlucht im Waldesschoß,
Entsproßt das grüne, zarte Moos,
Ein Teppich, sammetweich.
Den Blicken zeigt es sich nur klein,
Doch schließt sein Bau ein Wunder ein
Von Wipfel, Laub und Zweig.

Zu Rosengluth und Waldesgrün
Schaut's niedre Moos, und seufzt': solch Blühn
Gab mir der Himmel nicht!
Viel Tritte rauschen über mir
Und nicht ein Auge sieht mich hier,
Denn alle lockt das Licht!

Und sieh'! da kommt im Abendschein
Der Heiland wandelnd durch den Hain
Mit bleichem Angesicht.
Mit wundem Fuß er weiter mußt',
Da fühlt er's weiche Moos mit Lust
Zu seinen Füßen dicht.

Er kam erst durch die Wüste her,
Da brannten Sand und Sonne sehr,
Nun kühlt das sanfte Moos.
Da spricht der Heiland: »Vaters Hand
Hat solche Lieb' auf dich gewandt
In Zartheit ernst und groß!

Welch' Auge mag so blöde sein,
Erkennt nicht in der Kleinheit dein
Des Schöpfers Macht und Huld?
Du zierlich Kraut, so unbeacht't
Dein hat der Vater auch gedacht,
Dein Loos trag' mit Geduld!«

Dies Wort bracht' Jesus kaum hervor,
Da sprießt es aus dem Moos empor,
Ein Röslein, wundermild!
Moosröslein wurd' es bald genannt,
Das blühet nun in jedem Land,
Der Demuth süßes Bild.

Des Heilands Erdenleid versüßt
Hat es, die Füß' ihm sanft geküßt,
Deß wurd' ihm solcher Lohn.
O Herz, bleib' immer treu und weich,
Bist du bedrückt, dem Moose gleich,
Dann knospt die Rose schon!


Letzte Änderung der Seite: 06. 03. 2021 - 00:03