Die verliebte Dichterinn.

1797

Vergieb, Apoll! Ich diene dir nun nicht mehr.
Ein andrer Gott beherrscht als Gebieter mich.
Gezwungen zwar, aber dennoch treulich
Muß ich dem jetzigen Herrn gehorchen.

Durch die Gewalt der Waffen bezwang er mich.
Verwundet' erst und dann (o wie leicht) besiegt,
In gleichen Reih'n mit tausend Sclaven,
Schmiedet' er mich an den Siegeswagen.

Nun komm' ich nicht mit sinkender Dämmerung
In deinen Hain zum Opfer. Zum Lobgesang
Am Bergaltar, schallt meine Stimme
Nimmermehr laut in der Musenchöre.

Ich winde keine Blumen voll Morgenthau
Um deine Leyer. Ach, bey dem Reihentanz
An Helikons beblümten Abhang
Hüpf' ich nicht mehr, leicht von Fuß und Herzen!

Du führst durch Pfeil und Bogen, und rühmest dich
Des Fernetreffens. Warum beschützest du
Nicht von des Knaben Sonne deine
Priesterinn, Dir schon so lange geweihet?

Die Wunde von dem tückischen Pfeile ließ
Mir eine Leere tief in der Brust zurück;
Nicht Saitenspiel, nicht Sang verscheucht sie;
Nein! es vermehrt nur das bange Sehnen.

Ein Jüngling nur, der unsere Fluren ziert,
Nur er allein erfüllet den öden Raum;
Wenn er vorüber wandelt, fühl' ich
Bebende Lust meine Wange röthen.

Jüngst harrt' ich seines Ganges, im Weidenbusch
Verborgen; aber lange verzögert er.
Doch Terpsichore kam, ich sollte
Neue Gesänge zur Flöte lernen.

Allein vergebens gab sie den Ton mir an;
Stets griff ich falsch, das Zeitmaaß entschlüpfte mir.
Erzürnt schon knickte, mit dem Fuße
Stampfend den Takt, sie die Veilchen nieder.

Da kam er! Ach, weit emsiger lauscht' ich nun
Dem süßen Ton, der über die Lipp' ihm glitt!
Es däuchten Rhythmus und Gesänge
Schöner denn deine, mich seine Worte.

Aus ist's, Apollo! Nimmermehr dien' ich dir.
Ein and'rer Gott beherrscht als Gebieter mich.
Versuch's, befrey' – doch nein, ach laß mich!
Denn bereits lieb' ich die neue Fessel.


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