Armut, Reichtum, Schuld und Buße der Gräfin Dolores

Eine wahre Geschichte zur lehrreichen Unterhaltung armer Fräulein

Zweite Abteilung.

Reichtum.

Dreizehntes Kapitel

Hochzeit des Lorenz und der Rosalie

Die Glocken läuteten schon, als alles kaum angeordnet war und die drei Wagen voll Stiftsfräuleins und die Bauern im besten Sonntagsstaate anlangten. Jetzt sah er erst, wie hübsch Rosalie von der Gräfin aufgeputzt war; hier neben den alten steifen großgenaseten, höckrigen Stiftsfräuleins schien das leichte Kind im weißen Atlaskleide mit Rosabändern, mit ihrer schönen Myrtenkrone wie aus einem überirdischen Geschlechte herabgestiegen, und als hätten jene ihr boshaft die Flügel abgeschnitten, um sie unter sich zu bewahren; und doch verschwand sie wieder so ganz neben Dolores, daß er ihr ohne allen bösen Willen auf ein auszuübendes Herrenrecht einen Kuß geben konnte. Auch Lorenz, der arme Edelknabe, nahm sich in seiner Jägertracht recht gut aus; so frisch, frei, sicher, als hätte er diese Gunst lange vorausgesehen; das war ihm noch von dem Glücke seines Standes geblieben, als ihm der Krieg Eltern und Vermögen entrissen. Sein Zwillingsbruder Otto, der schon längere Zeit Jäger auf einem entfernten Vorwerke des Grafen geworden, traf kurz vor dem Beginn der Feierlichkeiten ein; er schien sehr verstört und sprach mit seinem Bruder ganz heimlich; dann ging er zu dem Grafen und sagte ihm, daß er Soldat geworden und daher seinen Dienst verlassen müsse; der Graf drang darauf, die Ursache zu wissen, aber er beschwor, daß er sie nicht angeben könne, er sei unschuldig daran. Wolf, der Schreiber, erklärte dem Grafen nachher, daß Rosalie erst diesem älteren Bruder Hoffnung auf ihre Hand gemacht, so wie sie es ihm auch schon getan habe; er wolle aber kein Narr sein, davon zu gehen, wer wüßte, was ihm noch für Glück würde. Der Graf ermahnte ihn zum Bessern und benutzte beide Charaktere für den Schluß eines Gesanges, den er zur Nacht eingerichtet hatte. – Wir wollen uns nicht mit der Beschreibung des feierlichen Zuges nach der Kirche aufhalten; die zwölf Fräulein gingen mit einer Andacht der Braut nach, als könnte es hier wohl noch nach dem alten Gebrauche der Hochzeiten gehen, der hundert künftige bei einer wirklichen verspricht. Die Rede des Geistlichen war wohl gedacht, und ermahnte sie zur Treue gegen ihre Gutsherrschaft, der sie ihr Glück dankten; dann fuhr er fort: »Belehret einander, denn ihr werdet künftig im Walde (er war zum Förster ernannt) einsam leben. Du Mann, schlage nicht (hiebei schob er dem Bräutigam die Faust in die Rocktasche) du Weib, schmähe nicht (dabei legte er ihren Finger in ihren Mund) denk, daß ein Höherer dich sonst auf den Mund schlägt. Betrachtet oft den Ehering an euerem Finger; er verklagt euch, wenn ihr aufhöret einander zu lieben[1].« Auf dem Rückwege schallte allen ein frohes Lied, das der Graf zu Hochzeiten eingeführt; es wurden Blumen gestreut und das ganze Fest wurde mit einem sehr kunstreichen Volkstanze der Gegend eröffnet, der vom Walzer ausgehend und wieder dahin zurückkehrend die wachsende Zärtlichkeit zwischen den Paaren auf tausend Arten durch Bewegung und Gesang ausdrückte; dann traten zweie hervor, die wie Braut und Bräutigam gekleidet waren; der Graf selbst aber erzählte vortretend, wo ihr mimisches Spiel nicht ganz zu verstehen war.

                Der Graf

             Ei du lustiger Edelknecht!
            Wie spricht die Welt von dir so schlecht,
            Du machst dir gar nicht viel daraus;
            Du trittst zu Liebchens Tür hinaus,
            Von ihr noch alles düftet,
            Dein Wämslein ist gelüftet.

            O du seliger Edelknecht!
            Nun ist dir alles eben recht;
            Hier ist die Welt dir weit genug,
            Hier ist dein Bett dir eng genug;
            Vor ihrer Tür darnieder
            Du streckst die müden Glieder.

            O du schläfriger Edelknecht!
            Du bettest dich nicht gerne schlecht,
            Dein Himmelbett ist der Sternensaal,
            Die Himmelsleiter im Erdental
            Steht auf der Türe Stufen,
            Hörst Liebchen im Traume rufen.

            Ei du schnarchender Edelknecht!
            Dein Schlaf ist heute gar nicht schlecht,
            Du liegest kaum und schnarchest laut;
            Daß alle Knöpfe dir springen auf;
            Die flatternden Fledermäuse
            Erzittern auf ihrer Reise.

            Ei du lässiger Edelknecht!
            Ei das ist wahrlich gar unrecht,
            Daß dir der Schlaf noch immer gefällt,
            Da früh sich die Gräfin ein Bad bestellt,
            Heut mußt du das Bad bezahlen,
            Die Gräfin ist böse zumalen.

            Und du listiges Jungfräulein!
            Spät wachst du mit klaren Äugelein;
            So rötlich dein lieb Angesicht,
            Wie eine Rose, die eben aufbricht,
            Du öffnest erst die Türe;
            Als ich schon lange die Sonne auf Dächern
            All überall auf glänzendem Wagen spüre.

                Das Jungfräulein

            Ich fühl mich umwinden
            Von eilenden Winden,
            Aus träumender Nacht
            Mir alles erwacht!
            O Lautenschlag,
            Du Liebesschlag,
            Schlag's nicht in den Wind.
            Komm Amor, süß Kind,
            Dir will ich's verkünden,
            Du sollst uns verbinden.

                Der Graf

            Ei du heimliches Jungfräulein,
            Was flog von deinem Hütelein?
            Jetzt scheint es blaß gleich wie der Mond,
            Der Morgens noch am Himmel wohnt.
            War's Amor? War's die Taube?
            Schütz deinen Kranz vorm Raube.

                Das Jungfräulein

            O Sonnenschein helle,
            Du trittst auf die Schwelle,
            Aus träumender Nacht,
            Aus Wolken erwacht.
            O frommes Glück!
            Der Liebe Blick;
            Was zeigest du mir,
            Er ruht an der Tür,
            Die Hand unterm Haupte,
            Im Tuch, das er raubte.
            Ei du schelmischer Edelknecht!
            Hier hast du wohl geschlafen schlecht?
            Komm, fülle das Marmorbad,
            Komm, trete das Wasserrad,
            Wir wollen das Bad schnell füllen,
            Am tiefen Brunnen im stillen.

                 Der Edelknecht

            O ich seliger Edelknecht!
            Den Liebchen und Sonne erwecken recht;
            Kaum kann ich sehen, so lichterloh
            Glänzt es in meine Augen froh;
            Wie dien ich doch so willig,
            Die Herrschaft ist so billig.

                Der Graf

            Ich höre die Bronnen
            Mit spiegelnden Sonnen
            Im ruhenden Hof;
            Die Fenster im Schloß
            Sind alle noch zu
            In Liebesruh;
            Am Giebel so fein
            Manch Stimmelein klein;
            Die beiden das Becken
            Erfüllen mit Necken.

            Mit Blumen sie's streuen,
            Die Gräfin zu freuen;
            Die Gräfin nicht schlief,
            Sah's alles und rief:
            »Die Morgenstund
            Hat Gold im Mund.
            Schau Knabe herauf,
            Fang alles dir auf,
            Bestelle dir Geigen,
            Tanz hochzeitlich Reigen.

            Nun Jüngferlein spröde,
            So macht es doch jede,
            Verstelle dich nicht,
            Und zeig dein Gesicht.
            Nun küsset euch
            Nur beide gleich;
            Denn, durft es geschehn,
            Eh' ich es gesehn,
            So küßt euch nur tüchtig,
            Da ich euch ansichtig.«

            Wie soll ich's beschreiben,
            Es glänzen die Scheiben
            Vom frohen Gesicht
            Der Gräfin, die spricht.
            Sie küssen sich oft,
            Es hallet der Hof,
            Sie drücken die Händ
            Und finden kein End,
            Und können nur danken
            In sel'gen Gedanken.

            O du seliger Edelknecht!
            Nun geht nicht aus dein schön Geschlecht;
            Vom Abend bis zum Morgen früh
            Zur Hochzeit wird getanzet glüh.
            Was hast du von dem Tanze?

                Der Edelknecht

            Die liebe Zeit vom Kranze!


[1] Die ganze Trauungsrede ist zu finden in dem braven Buche von Sailer: An Heggelins Freunde, München, Lentner, 1803.

 


Letzte Änderung der Seite: 06. 03. 2021 - 00:03