Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung.

Sachsen

Friedrich August, einer der seltensten Fürsten, in Absicht auf Herrschertugenden, trat seine Regierung zu einer Zeit an, da sein großes Land noch an tiefen Wunden aus den Zeiten zweier Auguste und des siebenjährigen Krieges blutete. Von ungeheuren Schulden belastet, würde dieser an sich mächtige Staat im Elend versunken sein, wenn er nicht an seinen weisen und milden Landesfürsten, und schon an dessen Oheim, dem Prinzen Xaver unter einer vormundschaftlichen Regierung, Retter gefunden hätte. Mit Verbannung alles schwelgerischen Aufwandes und jeder, oft in wenigen Augenblicken dahin schwindenden Pracht, von seinem Hofe, wusste Friedrich August binnen dreimal zehn Jahren, möglich zu machen, was die Welt nur an Friedrich II. dem Lobredner und Freundes dieses Fürsten, gesehen hat. Dabei kann man nicht leugnen, das die hohe Kultur, worin Sachsen allen Ländern in Europa vorgeht, nebst der vortrefflichen innern Staatsverfassung, zur Heilung der beregten Wunden sehr viel beigetragen habe. Häusliche Sparsamkeit, Benutzung aller Nahrungszweige auf die bestmöglichste Weise, Industrie in allen erdenklichen Fächern, Unverdrossenheit bei Sachsens gebildeten Einwohnern, boten nicht weniger, zur baldigen Herstellung der Wohlfahrt des Staates, den Bemühungen des preiswürdigen Landesfürsten die Hand. Wenn in andern Ländern, denen die Qualen eines langen Krieges alle Aussichten für dieses Leben benahmen, Hunderttausende ihr Vaterland aus Verzweiflung verlassen und ihr Glück in einem andern Weltteil versucht hätten blieb dagegen der kunstfleißige Sachse in seiner Heimat, stellte den vererdeten Ackerbau wieder her, verbesserte Fabriken und Manufakturen, suchte Abgang seiner Waren im Auslande und bahnte sich dadurch den Weg zur Nahrung und Aufkommen. Lange Jahre hindurch trug zwar das Land eine beschwerliche, außerordentliche Steuer. Zu seinem Glück wurde jedoch der zweckmäßigste Gebrauch davon gemacht. Fest gegründet  ist nicht nur der Staatskredit, sondern Friedrich August kann auch über Millionen aus seinem Schatze gebieten und bei vorkommenden Bedürfnissen Rat und Tat verbinden. Fassen wir den Fürsten von dieser Seite ins Gesicht, so verdient er weit mehr den Ruhm eines Ländereroberers als sein naher Verwandter in Bayern. Hier werden ebenso viele Millionen dem französischen Kriegs-Dämon geopfert und das Land der Verwüstung preisgegeben, als hingegen Friedrich August der Weise und Milde, Millionen ersparet und jeder Verbindung mit einer Macht ausweichet, die den erst geretteten Staat einem neuen Verderben entgegen führen könnte. Weder m vorigen noch letzten Kriege sah man dort den Fußtritt eines Feindes. Mit den Grenzen seiner beträchtlichen Länder, wie sie seit Jahrhunderten bestehen, zufrieden, wünscht der wohltätige Fürst keinen mit dem Blute und sauren Schweiße seiner Untertanen teuer erkauften Zuwachs derselben. Sein Rang ist keiner Erhöhung fähig, denn wo ist ein Haus in Europa, dessen Hoheit so tief im Altertume sich verlieret, als das Sächsische? Wer war Moritz, der Urahnherr des jetzigen Kurhauses, im Streit mit Karl V.? Friedrich der Weise schlug, seiner eigenen Größe bewusst, die ihm angebotene Kaiserkrone schon vor vierhundert Jahren aus. Welche Macht hat ein schöneres und geliebteres Herz, als Sachsen? Welcher Königliche Hof hat Seltenheiten von größerem Wert, als der Dresdnische, aufzuweisen? Was bleibt nun zur Vollendung des Glückes eines Kursächsischen bei der bisherigen kläglichen Umwälzung der deutschen Staatsverfassung, unter Kriegsunruhen, die andere Länder zu Boden drücken, sich auf eine musterhafte Art zu benehmen gewusst. Ohne den mindesten Kitzel nach einer Königskrone blicken zu lassen, steht der königlich geehrte und gesinnte Fürst ruhig auf andere hin, die im neuen Purpur das Schreckbild ihrer armen Untertanen geworden sind. Sein landesväterliches Herz kennt einen bessern Gebrauch der aus dem Staate bezogenen Summen, als ihre Verwendung auf unnötige Kriegsheere und prunkvollen Hofstaat. Dafür erntet er täglich den öffentlichen und stillen Dank dieser Tausende, die ohne seine Milde ihr Leben anfeinden würden. In einer ohnlängst erschienen Schrift wird die Frage abgehandelt: Ob nicht Kursachsen berechtigt sei, ebenso wie Baiern und Württemberg die Krone aufzusetzen? Kein Vernünftiger wird diese verneinen, wenn er Sachsen mit beiden in Vergleich stellt, und zwar so weniger, wenn er Rang, Vorzüge und Altertum dieser drei Fürstenhäuser gegen einander zu halten die Mühe nimmt. Das aber die Vorteile, welche sich dem Verfasser der erwähnten Schrift, aus der angenommenen Königswürde für den Kurfürsten von Sachsen und dessen Länder darstellen, so entschieden seien, daran wird mit Recht gezweifelt. Wenigstens können weit stärkere Gründe den seinigen entgegen gesetzt werden. Ein Geschäfte, das wir den gelehrten Männern, daran Sachsen einen Überfluss hat, um so mehr überlassen, als genauer eine solche Veränderung mit ihrem und  des Vaterlandes Wohl verbunden ist. Hier gedenken wir nur des sächsischen Staates, so ferne solcher an der jetzigen tiefen Erniedrigung von ganz Deutschland Anteil nimmt. Da fehlt es nun nicht an Beweisen, das Sachsen, selbst unter Friedrich Augusts gerechter und milder Regierung, und trotz der Wachsamkeit desselben für den Wohlstand seiner Länder, den schweren Druck, worunter andere seufzen, sehr hart empfinde. Die neuesten Nachrichten aus Leipzig, diesem wichtigen Handelsplatz, entwerfen ein trauriges Bild von den stockenden Geschäften und Verminderung des kaufmännischen Verdienstes in allen Gegenständen. Furchtbare Teuerung drückt das ganze Kur- und Herzoglich-Sächsische Gebiet, und diese ist sogar im Erzgebirge, an einigen Orten bis zur bejammernswürdigen Hungersnot ausgeartet. Mehrere Fabriken denen es an Wolle gebricht, lassen die Schuld ihres Stillstands auf die Engländer fallen, welche dieses Material bei den Pächtern überall aufgekauft haben sollen und weil eben dieselben eine große Menge Waren zur Messe nach Leipzig brächten, werden den einheimischen Arbeitern das Verdienst entzogen. Diese Klage mag allerdings richtig sein, uns scheint sie jedoch sehr übertrieben, wenn man aus dem Englischen Aufkauf der Sächsischen Wolle ganz gewiss dem englischen Käufer im möglichst hohen Preise angeschlagen, und es kommt dafür eine ansehnliche Summe Geldes in Umlauf, dann aber bleibt auch dem Sächsischen Fabrikanten, die oft im niedrigsten Preise stehenden, übrigens schön und dauerhaft gearbeiteten Englischen Zeuge in Menge an sich zu kaufen und seine Kundschaften damit zu versehen, die völlige Freiheit. Daher nur für Personen, welche in den Fabriken dadurch entbehrlich würden, sich der Schade ergäbe, das sie ohne Arbeit bleiben müssten. Und das stünde mit einer gesunden Staatswirtschaft im Widerspruch, denn diese will keine rohen, sondern verarbeitete Produkte in Ausfuhr dulden. Erwäget man indessen, das der sächsische Fabrikant sein Erzeugnis weder so gut, noch in dem niedern Preise, als der Englische liefern, folglich bei weiten den großen Absatz, wie dieser, nicht verlangen könne, viel weniger jemals haben werde, so bleibt zwar der Fabrike in Sachsen ein Vorteil zurück, das Publikum hingegen und geringerem Preis, die einheimische übertrifft. Endlich ist der Weisheit einer Kurfürstlichen Regierung gar wohl das Vertrauen zu schenken, das sie dem Verkauf der Wolle an Ausländer, wenn solcher die Landesfabriken stören sollte, gewiss vorbeugen werde. Gesetzt aber, die Sächsischen Fabriken seien im besten Gang und ihre Magazine voll auserlesener Waren, was wäre für sie zu tun, wenn  in andern Ländern, wie dermalen der Fall ist, der Geldmangel von Tag zu Tag größer würde? Bleiben ihre Fabriken liegen, so ist es derselbe Fall mit der Wolle. Da man jedoch zu dieser einen Absatz findet, , wer wollte den Wollhändler daran hindern? Also ruhet auf den Engländern die wenigste Schuld der über den Verfall der Fabriken in Sachsen erhobenen Klagen. Ihre Ursache fällt von selbst in die Augen, wenn man Deutschlands gegenwärtige Lage nur mit einem Blick übersieht. Wenn ein Heer von dreimalhunderttausend Köpfen auf einmal einbricht, die ganze obere Hälfte des Reichs besetzt und in die bitterste Armut stürzt, da es von seinem Kaiser ganz unbesoldet, bloß auf Kosten des Bürgers und Landmanns sich weidet, wenn mehr als hundert Millionen bare Geld dem Haus Östreich entzogen und außer Umlauf in Deutschland gesetzt werden, was Wunder, das der Handel wie die Mühle ohne Wasser, mit diesem aber alles, was Gewerbe und Fabrik heißt, stille steht? Mögen doch jene Fürsten, welchen die Vorsicht Macht genug zur Verteidigung unsers Deutschen Vaterlandes in die Hände gab, den allgemeinen Notstand sich zu solchen Maßregeln hinleiten lassen, dadurch dem weitern Verfall des Reiches gesteuert und zur Hoffnung besserer Zeiten noch ein Schimmer übrig bleiben kann! Mögen wir doch die Friedrich Auguste viele haben, denen das Wohl ihrer Völker so nahe liegt, als dem weisen und beglückten Herrscher der Sachsen.


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