Offenherzige Zuschrift an Friedrich Wilhelm Hohenzollern, dermalen König aus Preußen
vom 20.12.1792.
Offenherzige Zuschrift
an Friedrich Wilhelm Hohenzollern,
dermalen König von Preußen
König!
Mit Unwillen haben die Neufranken vernommen, daß man sich in dem Rate Deiner Kriegsknechte so genau um die Freunde der Freiheit und Gleichheit in Mainz erkundige, daß man sogar die Reisenden notzüchtige, zu bekennen, wie diese Freunde heißen und so weiter.
Wozu soll die lächerliche Inquisition dienen? Um den Mainzer Klubisten Furcht einzujagen? Oh, wisse, König, daß Bürger, die in der Verteidigung der Freiheit und Gleichheit zu sterben geschworen haben, daß diese die Überbleibsel Deiner in Champagne aufgeriebenen Horde nur bemitleiden, aber nie fürchten! Oder veranstaltest Du diese Untersuchung, um bei Deinem Einzuge in Mainz die Klubisten meuchelmorden zu lassen? Oh, dann wisse, König, daß dieser Einzug in Mainz ein noch närrischer Traum ist, als Dein Einzug in Paris war, den Dir Dein würdiger Vetter, der irrende Ritter Braunschweig, im Sommer auf seinen Mainfestpapieren vorträumte! Wisse, daß nicht ein deutscher Prinz, sondern der erhabene Republikaner Custine mit einigen tausend glühenden Frankenbürgern Deinen Troß vor Kastels Feste erwartee, um Deine Majestät auf Republikanerart zu empfangen. Wisse, daß die Bürger von Mainz Rysseler Bürger geworden sind, die ein feuriger Kugelregen nur mutiger macht, aber nicht niederschlägt!
Freilich bist Du der erste der Despoten, der mit dem ohnmächtigen Kaiserchen den verzweifelten Krieg gegen die Rechte der Menschheit anfing; und darum steht es Dir so ganz natürlich an, Dein Hauptaugenmerk auf eine Gesellschaft zu richten, welche die Rechte der Menschheit vor der ganzen Welt so glänzend ins Licht stellt. Deine Besorgnisse müssen sich noch vermehren, wenn Du unterrichtet bist, daß man so in dem Mainzer wie in allen fränkischen Klubs darauf bedacht sei, alle Despoten zu verjagen und die Rechte der Menschen in der ganzen Welt geltend zu machen, daß man im Mainzer Klub schon an einer Adresse an die Freiheitsgesellschaft in Wesel arbeite, die der Republikaner Dumouriez künftigen Monat allda stiften wird, daß man schon die Gesellschaftsorganisation für die Freunde der Freiheit und Gleichheit ausfertige, die sich künftigen Sommer in Deinem Schlosse zu Berlin unter dem Schutze einer zahlreichen Frankenarmee öffentlich versammeln werden: alles dieses muß Dich natürlicherweise zu außerordentlichen Maßregeln verleiten!
Allein, alle Deine Maßregeln sind vergeblich und können Dich nicht retten; das einzige Mittel, das Dir ein Vernünftiger angeben kann, ist dieses: Fliehe mit dem Rest Deiner Sklaven nach Hause und erkläre Deine sogenannten Untertanen selbst frei! Das ist: Werde Mensch und Bürger!
Doch vielleicht glaubst Du in Deiner besonderen Art Krieg zu führen, noch Hilfe zu finden; vielleicht glaubst Du, noch Feige von Longwy und Verdun, noch Verräter und Meuchelmörder von Frankfurt anzutreffen? Aber König, Du irrest, Longwy und Verdun sind so würdig gestraft, und das Frankenblut in Frankfurt soll so fürchterlich gerächet werden. daß diese Verräterstädte in der ganzen Welt keine Nachahmer finden werden.
Nur alle Hoffnung aufgegeben, König, alle Throne auf der Erde wanken, und kein Jahr mehr, so sind sie alle zu Boden gestürzt! Die große unüberwindliche Republik, die drei Millionen bewaffnete und geübte Freiheitsverteidiger hat, ist von der Vorsehung zur Wiederherstellerin der Menschheit bestimmt, und sie wird nicht aufhören, zu siegen, bis man keine Feinde der Menschheit, bis man keine Könige und Fürsten mehr zählt. Die Standarten unserer Helden führen die Devise: Untergang den Despoten! Heil den Völkern! Unser Feldgeschrei ist Freiheit oder Tod! Und erst dann wird von Paris aus allen Völkern der allgemeine Frieden verkündigt werden, wenn zu Wien und Berlin, zu Madrid und Neapel, zu London und in Haag, zu Rom und Turin, zu Petersburg und Warschau Freiheitsbäume unerschütterlich stehen!
Dieses König, ist das Glaubensbekenntnis der Freunde der Freiheit und Gleichheit in Mainz, welches ich Dir hiermit zu übersenden das Vergnügen habe, der ich bin.
Mainz, den 20. Dezember,
im ersten Jahre der allgemeinen Republik
König!
Dein und aller Könige Feind,
der Republikaner Pape,
Mitglied der Gesellschaften der Freiheit
und Gleichheit zu Mainz, Straßburg,
Schlettstadt, Kolmar und Münster,
auch Korrespondent der heimlichen Klubs
in den preußischen Staaten
Quelle:
Essig, Rolf Bernhard und Nickisch, Reinhard M. G.: »Wer schweigt, wird schuldig!« Offene Briefe von Martin Luther bis Ulrike Meinhof, Göttingen 2007