Batholomä Herder
* 22.08.1774 in Rottweil
† 11.03.1839 in Freiburg im Breisgau
Am 22.08.1774 wurde in der schwäbischen Stadt Rottweil der spätere Verleger Bartholomä Herder im Herderschen Haus, dem heutigen Stadtmuseum. geboren. Seine Eltern waren der Schneidermeister und Rottweiler Ratsherr Michael Herder sowie seine Gattin Maria Anna, geborene Maier, die Tochter des Metzgermeisters Johann Baptist Maier. Der Buchhändler und Verleger Andreas (Andrä) war sein um acht Jahre jüngerer Bruder. Von den Eltern wurde er für den geistlichen Stand vorgesehen. So besuchte er die Klosterschule des St. Benediktinerstiftes St. Blasien und studierte anschließend an der Universtität zu Dillingen Philosophie.
Doch statt sich dem geistlichen Stande zuzuwenden entschied sich Herder dazu »ein gelehrter Buchhändler zu werden, um vermittelst des Buchhandels durch Verbreitung guter Schriften in das Leben einzugreifen«.
Zusammen mit seinem Bruder Andrä eröffnete er in Rottweil eine Schulbuchhandlung, die auch erfolgreich war. Zusammen mit seinem Bruder und Johann Nepomuk Spreng beabsichtigte er auch eine Druckerei zu eröffnen, doch lehnte der Rat dieses Ansinnen, ganz im beherrschenden Zunftdenken, ab. Herder verfügte über keine Buchdrucker-Ausbildung. Am 04.01.1799 veröffentlichte er die erste Ausgabe des »Reichsstadt Rottweilsche Wochenblatt« als erste eigene Zeitung in der Stadt. Im Jahre 1829 verkaufte Andrä Herder die Rottweiler Buchdruckerei.
Im Jahre 1800 schickte er an den Konstanzer Fürstbischof Karl Theodor die Schrift »Wie durch den Buchhandel ein einflußreichsten auf die die Bildung der Geistlichen und das Schulwesen eingewirkt werden könne«. Der Verleger strebte an »Liebe zur Literatur unter dem Klerus zu verbreiten und gute Schriften unter das Volk zu bringen«. Dalberg selbst war bestrebt die Bildung der Geistlichen in seinem Bistum zu verbessern. So strebte der Fürstbischof Sorgen »um der moralischen Verwilderung ebenso wie der einseitigen und eben darum gefährlichen Verstandeskultur auf eine wirksame Weise entgegenzuarbeiten«. Gleichzeitig soll der Klerus auch befähigt werden, »leichter und zufrieden die Last der Beschwernisse zu tragen, welche von dem Berufe und Amte des Geistlichen unzertrennlich«.
Der Fürstbischof war von der Idee einer eigenen Buchhandlung und Buchdruckerei »als eine Quelle zweckmäßiger Einnahmen« zu errichten begeistert. So wurde der junge Buchhändler Herde nach Meersburg beordert um in der Residenzstadt eine Buchdruckerei zu errichten und auch die entsprechende Buchhandlung zu gründen. Die ersten Veröffentlichungen des neuen Verlages waren naturgemäß geistliche Werke wie zum Beispiel »Wessenburgs Archiv für pastorale Conferenzen in den Landkapiteln des Bisthums Constanz«, das zwischen 1802 und 1827 in monatlichen Heften erschien.
In Folge der Revolutionskriege wurde im Frieden von Lunéville festgeschrieben, dass die deutschen Fürsten für ihre erlittenen Territorialverluste auf der linken Rheinseite entschädigt werden sollten. So beschloss der Reichsdeputationshauptschluß von 1803, wurde sowohl das Dalberg gehörende Erzbistum Mainz als auch das Fürstbistum Konstanz aufgelöst. Letztere Besitzungen fielen an das Markgrafschaft Baden. Für Herder bedeutete diese politische Entscheidung den Wegfall eines Großteils seiner Einnahmen.
Im Jahre 1808 ging Bartholomä Herder nach Freiburg ins Breisgau, das nach der vernichtenden Niederlage Österreichs seit dem Jahre 1806 durch das Großherzogtum Baden in Besitz genommen wurde. Obwohl es hier bereits mit der privilegierten städtischen Buchhandlung Wagner eine Buchhandlung gab, war die Universität an einen Verlag interessiert, »der die Bedürfnisse der höheren Studien« bediente. Dies bedeutete, dass er durch das großherzogliche Privilegium als akademischer Buchhändler auf die Buchdruckerei verzichten musste und letztlich auch keine Normal- und Trivialschulbüchern verzichten musste. Doch da für ihn eine Buchdruckerei und der Buchhandel untrennbar verbunden waren, entschied sich Herder für eine Pachtsumme von 200 Talern jährlich die Buch- und Kupferdruckerei der Universität anzumieten. Diese Druckerpresse stammte aus dem aufgehobenen Kloster St. Blasien und wurde durch den Großherzog an die Universität Freiburg übergeben.
Neben religiösen Werken veröffentlichte Herder nun zahlreiche geschichtliche Werke publizierte. So erschien bspw. im Jahre 1810 bereits Mertens »Geschichte der Deutschen von den aeltesten Zeit bis zum Jahre 1800« und im folgenden Jahr das vierbändige Werk »Herda«, aus der Feder von J. G. Pahl, das Gemälde und Erzählungen aus der deutschen Vorzeit für Freunde der vaterländischen Geschichte enthielt.
Herder bot dem gehobenen Bürgertum die Möglichkeit an, in seinen Geschäftsräumen rare und teure Bücher und Zeitschriften einzusehen. Ebenfalls unterstützte Herder die gerade in ganzen Deutschland in Entstehung befindlichen Lesegesellschaften. So hatte im Jahr vor seiner Ankunft in Freiburg der badische Jurist Karl Wilhelm Ludwig Friedrich Drais von Sauerbronn, der Dichter Johann Georg Jacobi und der Staatsrechtler Karl von Rotteck die Lesegesellschaft »Museum« gegründet. Diese unerstützte er durch die regelmäßige Auslage von Neuerscheinungen. Dies tat er »um potentielle Käufer der Unannehmlichkeit zu überheben, entweder durch vielversprechende Titel oder durch parteiische Recensionen über den Wert der Bücher getäuscht zu werden«.
Der Verleger Bartholomä Herder war ein sehr erfolgreicher Verleger. So vermehrte er ständig sein Programm und letztlich konnte er auch Synergie-Effekte nicht ausblieben. In den Jahren 1812 bis 1827 veröffentlichte er zum Beispiel die »Allgemeine Geschichte vom Anfang der historischen Kenntniss bis auf unsre Zeiten«. Diese Schrift stammte aus der Feder seines Freundes und Lesegesellschaftsmitglieds Karl von Rotteck. Das neunbändige Werk wurde für eine Generation zu einem Standardwerk für das gebildete liberale Bürgertum und erlebte bis zum Jahre 1840 zehn Auflagen.
Während der Befreiungskriege erhält Herder von den Alliierten den Auftrag die »Teuschen Blätter« wie sie auch bei Brockhaus in Altenburg und Leipzig erschienen, fortzusetzen. Es wurde ihm jedoch auferlegt, diese bei der k.k. österreichischen Zensur vorzulegen. Im Jahre 1815 zieht er als Direktor der k.k. Feldpresse in Paris ein. So wurde er bei den Friedensverhandlungen vor Ort und später auf dem Wiener Kongress auch für diplomatische Missionen herangezogen. Er vergaß jedoch hierüber nicht seine geschäftlichen Interessen und gründete in Wien und Paris Verlagsfirmen. Auch in Karlsruhe erwarb im Jahre 1817 die Hofdruckerei und wurde Herausgeber des Badischen Regierungsblattes.
Nach dem ersten Pariser Frieden des Jahres 1814 erkannte er das Publikumsinteresse an Lithographien, Stahl- und Kupferstichen und gründete ein Kunstinstitut in Freiburg. Hierzu schrieb er an den badischen Innenminister Der aufmunternde Beifall des in- und ausländischen Publikums, der dieses Unternehmen begünstigte, veranlaßte die Erweiterung meines Instituts , in welches ich geschickte Zeichner und Kupferstecher engagierte und durch Aufnahme armer, aber fähiger Knaben aus verschiedenen Gegenden des Schwarzwaldes mir eigene Zöglinge verschaffte, die ich in den erforderlichen Wissenschaften auf meine Kosten fortwährend unterrichten lasse.
In jener Zeit war die soziale Not im Schwarzwald besonders groß. So ließ Herder 15- und 16-jähirge Knaben zu Zeichnern und Kupferstechern ausbilden und gewährte ihnen freie Kost und Logis. So konnte er mehr als 300 Schülern im Laufe der Jahre eine berufliche Perspektive verschaffen. Zu den bekanntesten Zöglingen seines Kunstinstituts dürften wohl die Brüder Franz Xaver (1805-1873) und Hermann Winterhalter (1808-1891) sein. Doch auch Herder konnte von seinem sozialen Engagement profitieren, als er die »Heiligen Schriften des Alten und Neuen Testamentes in je 100 biblischen Kupfern« in seiner Herderschen Buch- und Kunsthandlung herausgeben konnte. Zwischen 1825 und 1827 entstand auch noch eine Sammlung von etwa 4.000 Abbildungen auf 226 lithographischen Tafeln, die unter dem Titel »Systematische Bildergalerie zur Allgemeinen deutschen Real-Encyclopädie« erschien. Dies war eine Ergänzung zu den damals noch nicht illustrierten Konservationslexika, den »Brockhaus« und den »Meyer« dar und erlebte bis zu Herders Tod 6 Auflagen sowie eine Übersetzung ins Französische. Er selbst verlegt kein Konversationslexikon sondern brachte ganz in seiner katholischen Tradition Buchbergers »Lexikon für Theologie und Kirche« sowie das »Staatslexikon der Görres-Gesellschaft«. Erst im Jahre 1854 wurde das bekannte »Herdersche Conservationslexikon« in einer Edition ohne Illustrationen in fünf Bänden veröffentlicht.
Auch um die Kartographie machte sich Bartholomä Herder verdient. So erweiterte er sein Kunstinstitut im Jahre 1820 um eine geographisch-topographische Abteilung. Diese hatte den Auftrag einen »General-Atlas der ganzen Welt« mit 30 Karten und einen Atlas mit 100 – 204 Blättern zu Europa im Maßstab 1:500.000 erstellen. Zur besseren Lesbarkeit der Ortsnahmen und Straßen wagte sich Herder an einen zweifarbigen Lithographiedruck. Doch war dieses ambitionierte Projekt sehr arbeitsaufwändig und kostenintensiv. Es kam immer wieder zu Verzögerungen bei der Auslieferung der Kartenblätter. Als das Unternehmen zu scheitern drohte, erhielt Herder den staatlichen Auftrag eine 19 Blatt umfassende »Rheingränz-Carte« im Maßstab 1:20.000 zu erstellen. Damit sollte eine neue Karte nach der erfolgreichen Rheinbegradigung entstehen.
Doch war die finanzielle Lage des Verlages weiterhin angespannt. Herders Hoffen auf staatliche Unterstützung wurde durch die beiden Kammern das badischen Parlaments erhört. Der Abgeordnete und Freund Karl von Rotteck richtete sich »mit dem allgemeinen Wunsch« seiner Abgeordnetenkollegen an die badische Regierung »sie möchte vielleicht die die dem Staate wohltätigsten, die von irgendeinem Privatmanne in unseren Landen gegründet wurden, durch ihre eigene Unterstützung anerkennen«. Herder wurde hierauf ausgezeichnet und erhielt für 12 Jahre den Auftrag das »Staats- und Regierungsblatt« zu verlegen. Eine direkte finanzielle Unterstützung durch den badischen Staat unterblieb.
Unter diesen schwierigen Umständen konnte man den »Atlas von Central-Europa in 60 Blättern im Maßstab 1:500.000« und den »Atlas von Südwestdeutschland mit 48 Blättern« eine große Leistung dar. Beide Atlanten wurden von Professor Woerl gefertigt. Noch lange nach dem Tode Herders waren diese Atlanten sehr beliebt. So wurden sie während des deutsch-französischen Krieges 1870/71 in einer Auflage von mehreren Hunderttausend Blatt ausgeliefert.
Im Jahre 1839 konnte Bartholomä Herder auf ein weit gefächertes Verlagsprogramm blicken, dass weit über den ursprünglichen Ansatz hinausging.
Herder heiratete Jeannette und aus der Ehe gingen die Söhne Karl Rafael und Benjamin hervor, die den Verlag weiterführen. Noch heute ist der Verlag im Familienbesitz.
Der Buchhändler und –drucker Bartholomä Herder starb am 11.03.1839 in seiner Wahlheimat Freiburg. Das Grab seiner Frau Jeannette und sein eigenes Grab befinden sich noch heute auf dem Alten Friedhof.