François René de Chateaubriand
* 04.09.1768 in St. Malo
† 04.07.1848 in Paris
Er gilt als einer der ganz Großen der französischen Literatur und insbesondere als einer der Väter der europäischen Romantik.
François René de Chateaubriand wuchs auf in Saint-Malo und Schloss Combourg/Bretagne als jüngstes von 10 Kindern einer provinzadeligen Familie und schwankte zunächst zwischen einer Laufbahn als Marineoffizier (Wunsch des Vaters) oder Priester (Wunsch der Mutter). 1786 wurde er schließlich Leutnant in einem Regiment unweit Paris und ließ sich (worauf seine Familie traditionell ein Anrecht hatte) von einem älteren Verwandten dem König vorstellen. Zugleich fand er Zutritt zu Salons in Paris, wo er sich ab 1787 häufig aufhielt und erste literarische Versuche unternahm.
Die Anfänge der Revolution von 1789 verfolgte er, wie so viele liberale und aufgeklärte Adelige, mit Sympathie. Zunehmend unzufrieden jedoch mit der Radikalisierung der politischen Entwicklung, begab er sich 1791 auf eine neunmonatige Reise nach und durch Amerika. Hier erkundete er vor allem die damals französischen Gebiete am Mississipi, deren Weite und noch fast unberührte Schönheit ihn beeindruckten, deren indianische Ureinwohner ihn dagegen deprimierten, weil sie durch ihre Kontakte mit Europäern sich selber entfremdet und keine »guten Wilden« (bons sauvages) mehr waren.
Nach seiner Rückkehr Anfang 1792 heiratete Chateaubriand standesgemäß eine junge Adelige. Er verließ sie aber sofort und schloss sich der »Armée des émigrés« an, einer überwiegend aus geflüchteten französischen Adeligen bestehenden Truppe, die an der Seite Österreichs und Preußens gegen das revolutionäre Frankreich kämpfte, um König Louis XVI. und die Monarchie wieder in ihre absoluten Rechte einzusetzen.
1793 (Louis XVI. war inzwischen abgesetzt und guillotiniert, doch der Krieg ging weiter) wurde Chateaubriand verwundet und ließ sich nach seiner Genesung in London nieder. Hier lebte er armselig als Übersetzer und Französischlehrer, wurde aber zum Schriftsteller. Denn er verarbeitete die umfangreichen Notizen seiner Amerikareise zu zwei literarischen Texten, »Les Natchez« und »Voyage en Amérique« (die er beide erst viel später, 1826 und 27, publizierte) und verfasste den »Essai historique, politique et moral sur les révolutions anciennes et modernes« (gedruckt 1797), eine Schrift, worin er politische und persönliche Reflexionen verbindet.
1798 wurde er fromm und begann das anti-aufklärerische Buch »Le Génie du Christianisme«, das er 1802 in Paris publizierte. 1800 war er nämlich, dem Aufruf Napoléons an die emigrierten Adeligen folgend, nach Frankreich zurückgekehrt und dort höherer Beamter geworden. »Le Génie du Christianisme«, eine die ethischen, ästhetischen und emotionalen Aspekte der katholischen Religion herausarbeitende und verherrlichende Apologie, war überraschend erfolgreich, trug zur Rehabilitierung des christlichen Glaubens bei und beförderte sicher auch Chateaubriands Karriere in einem Augenblick, wo Napoléon die Retablierung der Kirche und ein Zweckbündnis mit ihr anstrebte. Es wurde vor allem einer der Auslöser der geistigen und literarischen Bewegung der Romantik.
In das Werk eingefügt waren zwei längere Erzählungen, »Atala« (erstmals separat schon 1801 gedruckt) und »René«, die zu Kultbüchern einer ganzen Generation wurden. »Atala«, die tragische Geschichte einer jungen Halbindianerin, die den Konflikt zwischen ihrer Liebe und der Keuschheit, die sie ihrer frommen französischen Mutter gelobt hat, durch den Freitod löst, wurde vor allem durch die eingestreuten stimmungsvollen Naturschilderungen vorbildhaft. »René« kreierte in der Figur des Titelhelden den Typ des vom »mal du siècle«, dem »Weltschmerz«, zerrissenen romantischen Künstlers und Intellektuellen – ein Typ, der dann jahrzehntelang die europäische Literatur bevölkerte.
Als 1804 Napoléon den jungen Duc d'Enghien, einen bourbonischen Prinzen und potenziellen Thronerben, entführen, verurteilen und erschießen ließ, war auch Chateaubriand empört. Er brach ostentativ mit dem napoleonischen Regime und demissionierte. Zugleich hielt er es für angebracht, endlich mit seiner Frau zusammenzuleben, doch blieb ihr Verhältnis offenbar locker, zumal er auch weiterhin außereheliche Verhältnisse unterhielt.
1806 unternahm er eine mehrmonatige Rundfahrt durch Italien, Griechenland, Palästina, Nordafrika und Spanien, die er anschließend in dem Reisebericht »Itinéraire de Paris à Jérusalem« teils pittoresk beschreibend, teils melancholisch reflektierend schilderte (publiziert 1811). Breiten Raum nimmt in dem Buch das damals zum Osmanischen (=türkischen) Reich gehörende Griechenland ein, womit Chateaubriand den Boden bereiten half für die große Anteilnahme, mit der Mitteleuropa ab 1821 den Befreiungskampf der Griechen von der türkischen Herrschaft verfolgte und schließlich aktiv unterstützte.
1807 reiste er wieder nach Spanien, um dort eine Bekannte, Natalie de Noailles, zu treffen, in die er sich verliebt hatte. Den Zustand der ständigen Trennungen des Paares, denn auch sie war verheiratet, und die Aussicht auf den unausweichlichen Verzicht (der 1812 auch erfolgte) verarbeitete Chateaubriand in mehreren Werken: 1807/08 verfasste er das pathetische Prosa-Epos »Les Martyrs ou le Triomphe de la religion chrétienne«, dessen Handlung im weitgespannten Römischen Reich des späten 3. Jh. spielt (aber viele verdeckte Bezüge zur Gegenwart aufweist) und sich um ein ebenfalls getrenntes Liebespaar rankt, das erst in Rom im gemeinsam erlittenen Tod als Märtyrer zusammenfindet (publiziert 1809). 1809/10 schrieb er die Novelle »Les aventures du dernier Abencérage«, die im Granada des frühen 16. Jh. um ein schließlich verzichtendes Paar spielt (gedruckt erst 1826, aber aus Lesungen des Autors vielen Personen schon vorher bekannt).
1811 versuchte sich Chateaubriand auch als Theaterautor mit der Tragödie »Moïse«, die jedoch unaufgeführt blieb. Im selben Jahr wurde er, nicht ohne Schwierigkeiten, denn er war ja Oppositioneller, zum Mitglied der Académie Française gewählt.
Nach dem Sturz Napoléons und der Rückkehr der alten Königsfamilie der Bourbonen auf den Thron (1814/15) trat Chateaubriand demonstrativ in die Dienste »seines« Königs Louis XVIII. Er wurde belohnt mit der Würde eines Pair de France (d.h. eines Angehörigen der als parlamentarisches Oberhaus fungierenden Chambre des pairs) sowie mit Missionen als Botschafter in Stockholm (1814), Berlin (1820) und London (1822). Ende 1822 war er französischer Chef-Delegierter auf dem Kongress von Verona und ließ dort Frankreich mit einer militärischen Intervention in Spanien beauftragen, wo liberale Gruppierungen dem König eine Verfassung abgetrotzt hatten, die nach dem Sieg der französischen. Truppen kassiert wurde. 1823/24 war er sogar kurzzeitig Außenminister, wurde aber von dem erzkonservativen neuen König Charles X. (einem jüngeren Bruder von Louis XVIII.) entlassen. 1828/29 war er erneut Botschafter, nunmehr in Rom.
In diesen fünfzehn politisch aktiven Jahren schrieb er naturgemäß weniger, betätigte sich aber publizistisch, z.B. 1818-20 als Herausgeber der Zeitschrift »Le Conservateur«, und verfasste Notizen und Entwürfe für seine Memoiren, an denen er schon 1809 zu arbeiten begonnen hatte.
Als 1830 die Juli-Revolution ausbrach, Charles X. abdankte und Herzog Louis-Philippe d'Orléans (aus einer Seitenlinie der Bourbonen) als »Bürgerkönig« auf den Thron kam, sah Chateaubriand den Adel einmal mehr marginalisiert. Er zog sich aus der Politik zurück, auch wenn er sich hin und wieder noch für die Sache der ins Exil gegangenen Hauptlinie der Bourbonen einsetzte.
Entsprechend hatte er nun wieder Muße zum Schreiben. Er verfasste allerlei Historisches, darunter 1831 einen Band »Études historiques«, 1836 einen zweibändigen »Essai sur la littérature anglaise«, 1838 eine zweibändige Geschichte des Kongresses von Verona. Vor allem aber redigierte er, quasi aus der Distanz eines schon »jenseits des Grabes« Befindlichen, seine Erinnerungen aus fünf Jahrzehnten tiefer politischer Umbrüche: die umfangreichen »Mémoires d'outre-tombe«, die er jedoch zur postumen Veröffentlichung bestimmte (auch wenn er die Rechte klug schon 1836 an einen Verlag und 1844 zusätzlich an eine Zeitung verkaufte).
Sein letztes literarisches Werk war 1844 die »Vie de Rancé«, eine Biografie des Gründers des Trappistenordens (1625–1700).
Chateaubriand starb Anfang Juli 1848, nachdem er noch einen weiteren Umbruch miterlebt hatte, nämlich die Februar-Revolution und die Niederknüppelung der Pariser Arbeiterrevolte im Juni.
Sein Nachruhm als Autor beruht vor allem auf den Kurzromanen »Atala« und, noch mehr, »René«, die seit 1805 meist gemeinsam in einem Band, aber separat von »Le Génie du Christianisme«, gedruckt werden und immer noch erstaunlich gut lesbar sind. Die Bewunderung seiner Zeitgenossen zeigt sich exemplarisch in dem Ausspruch Victor Hugos von 1816: »Je veux être Chateaubriand ou rien.«
Werke:
- Essai sur les révolutions, 17977
- Atala, 1801
- Le Génie du christianisme, 1802
- René, 1802
- Les martyrs, 1809
- Itinéraire de Paris à Jérusalem, 1811
- De Buonaparte et des Bourbons, 1814
- Vie de Rancé, 1844
- Mémoires d'outre-tombe, 1848